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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Um-Griechenland

Zeche bezahlen will. Das sind ja vielleicht unwesentliche Dinge, aber ich habe
sie anführen wollen, weil sie den liebenswürdigen Charakter des Volkes beweisen
und den Griechen doch in einem ganz anderen Lichte zeigen, als wie er in
Deutschland vielfach erscheint. Sie zeigen auch, daß das Wesen des heutigen
Griechen unserem Wesen verwandt ist.

Der Grieche ist bisher deutschfreundlich. Er sieht noch in der deutschen
Kultur sein Vorbild. Er schickt seinen Sohn auf deutsche Hochschulen. Daß
man in Griechenland mehrfach Deutsche in großen, die Regierung berührenden
Streitfragen, bei denen viele Millionen für sie auf dem Spiele standen, als
Schiedsrichter berufen hat, daß jetzt hervorragende deutsche Techniker zur Pro¬
jektierung und Begutachtung großer baulicher Anlagen, Häfen und Eisenbahnen
herangezogen sind, zeigt doch auch Vertrauen zu deutschem Wesen. Wir Deutsche
haben aber wenig Freunde in der Welt; wir sollten die Freundschaften pflegen,
die sich uns bieten. Es kann nicht verhehlt werden, daß die übrigen Nationen,
England, Frankreich, Italien, im wohlverstandenen eigenen Interesse den
Griechen im allgemeinen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen als Deutschland,
wo bisher nur ein kleiner Kreis von Leuten, die durch längeren Aufenthalt
in Griechenland Land und Volk genauer kennen gelernt hatten, sich das Recht der
eigenen Meinung wahrte, unbeirrt durch das Geschrei der öffentlichen Meinung.

Der Grieche ist aber sehr empfindlich gegen eine ungerechte Beurteilung seines
Volkstums. In der Kölnischen Zeitung vom 12. Februar 1913, zur Zeit des
Krieges, wurde über griechische Verstimmungen aus Athen berichtet. Deutsche
Zeitungen hatten über angebliche Ausschreitungen der Griechen in Saloniki
höchst gehässige Berichte gebracht. Ein griechisches großes Handelshaus machte
damals siebzig deutsche Firmen in an sie gerichteten Schreiben darauf auf¬
merksam, daß durch die Art und Weise der Stellungnahme Deutschlands gegen
Griechenland eine dauernde Schädigung der Handelsbeziehungen zwischen beiden
Völkern zu besorgen sei. Die Kölnische Zeitung erkannte damals die Richtigkeit
der Befürchtung an, daß die übrigen Nationen sich die Unbeliebtheit Deutsch¬
lands infolge der damaligen Stellung der deutschen Presse zunutze machen
würden, um Boden im Wettbewerb mit Deutschland zu gewinnen.

Es gilt also, will man den deutschen Handel fördern, derartige Mißver¬
ständnisse zu vermeiden. Daß aber unsere wirtschaftlichen Interessen besonders
unter den gegenwärtigen Verhältnissen scharf im Auge behalten werden müssen,
liegt auf der Hand.

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege wird
gerade in Griechenland voraussichtlich eine ganz außerordentliche werden. Der
Zuwachs an Landgebiet und Bevölkerung, den Griechenland erfahren hat, ist
zwar an sich sehr beträchtlich. -- er beträgt auf dem Festlande von Epirus bis


Deutschland und Um-Griechenland

Zeche bezahlen will. Das sind ja vielleicht unwesentliche Dinge, aber ich habe
sie anführen wollen, weil sie den liebenswürdigen Charakter des Volkes beweisen
und den Griechen doch in einem ganz anderen Lichte zeigen, als wie er in
Deutschland vielfach erscheint. Sie zeigen auch, daß das Wesen des heutigen
Griechen unserem Wesen verwandt ist.

Der Grieche ist bisher deutschfreundlich. Er sieht noch in der deutschen
Kultur sein Vorbild. Er schickt seinen Sohn auf deutsche Hochschulen. Daß
man in Griechenland mehrfach Deutsche in großen, die Regierung berührenden
Streitfragen, bei denen viele Millionen für sie auf dem Spiele standen, als
Schiedsrichter berufen hat, daß jetzt hervorragende deutsche Techniker zur Pro¬
jektierung und Begutachtung großer baulicher Anlagen, Häfen und Eisenbahnen
herangezogen sind, zeigt doch auch Vertrauen zu deutschem Wesen. Wir Deutsche
haben aber wenig Freunde in der Welt; wir sollten die Freundschaften pflegen,
die sich uns bieten. Es kann nicht verhehlt werden, daß die übrigen Nationen,
England, Frankreich, Italien, im wohlverstandenen eigenen Interesse den
Griechen im allgemeinen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen als Deutschland,
wo bisher nur ein kleiner Kreis von Leuten, die durch längeren Aufenthalt
in Griechenland Land und Volk genauer kennen gelernt hatten, sich das Recht der
eigenen Meinung wahrte, unbeirrt durch das Geschrei der öffentlichen Meinung.

Der Grieche ist aber sehr empfindlich gegen eine ungerechte Beurteilung seines
Volkstums. In der Kölnischen Zeitung vom 12. Februar 1913, zur Zeit des
Krieges, wurde über griechische Verstimmungen aus Athen berichtet. Deutsche
Zeitungen hatten über angebliche Ausschreitungen der Griechen in Saloniki
höchst gehässige Berichte gebracht. Ein griechisches großes Handelshaus machte
damals siebzig deutsche Firmen in an sie gerichteten Schreiben darauf auf¬
merksam, daß durch die Art und Weise der Stellungnahme Deutschlands gegen
Griechenland eine dauernde Schädigung der Handelsbeziehungen zwischen beiden
Völkern zu besorgen sei. Die Kölnische Zeitung erkannte damals die Richtigkeit
der Befürchtung an, daß die übrigen Nationen sich die Unbeliebtheit Deutsch¬
lands infolge der damaligen Stellung der deutschen Presse zunutze machen
würden, um Boden im Wettbewerb mit Deutschland zu gewinnen.

Es gilt also, will man den deutschen Handel fördern, derartige Mißver¬
ständnisse zu vermeiden. Daß aber unsere wirtschaftlichen Interessen besonders
unter den gegenwärtigen Verhältnissen scharf im Auge behalten werden müssen,
liegt auf der Hand.

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege wird
gerade in Griechenland voraussichtlich eine ganz außerordentliche werden. Der
Zuwachs an Landgebiet und Bevölkerung, den Griechenland erfahren hat, ist
zwar an sich sehr beträchtlich. — er beträgt auf dem Festlande von Epirus bis


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[0071] Deutschland und Um-Griechenland Zeche bezahlen will. Das sind ja vielleicht unwesentliche Dinge, aber ich habe sie anführen wollen, weil sie den liebenswürdigen Charakter des Volkes beweisen und den Griechen doch in einem ganz anderen Lichte zeigen, als wie er in Deutschland vielfach erscheint. Sie zeigen auch, daß das Wesen des heutigen Griechen unserem Wesen verwandt ist. Der Grieche ist bisher deutschfreundlich. Er sieht noch in der deutschen Kultur sein Vorbild. Er schickt seinen Sohn auf deutsche Hochschulen. Daß man in Griechenland mehrfach Deutsche in großen, die Regierung berührenden Streitfragen, bei denen viele Millionen für sie auf dem Spiele standen, als Schiedsrichter berufen hat, daß jetzt hervorragende deutsche Techniker zur Pro¬ jektierung und Begutachtung großer baulicher Anlagen, Häfen und Eisenbahnen herangezogen sind, zeigt doch auch Vertrauen zu deutschem Wesen. Wir Deutsche haben aber wenig Freunde in der Welt; wir sollten die Freundschaften pflegen, die sich uns bieten. Es kann nicht verhehlt werden, daß die übrigen Nationen, England, Frankreich, Italien, im wohlverstandenen eigenen Interesse den Griechen im allgemeinen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen als Deutschland, wo bisher nur ein kleiner Kreis von Leuten, die durch längeren Aufenthalt in Griechenland Land und Volk genauer kennen gelernt hatten, sich das Recht der eigenen Meinung wahrte, unbeirrt durch das Geschrei der öffentlichen Meinung. Der Grieche ist aber sehr empfindlich gegen eine ungerechte Beurteilung seines Volkstums. In der Kölnischen Zeitung vom 12. Februar 1913, zur Zeit des Krieges, wurde über griechische Verstimmungen aus Athen berichtet. Deutsche Zeitungen hatten über angebliche Ausschreitungen der Griechen in Saloniki höchst gehässige Berichte gebracht. Ein griechisches großes Handelshaus machte damals siebzig deutsche Firmen in an sie gerichteten Schreiben darauf auf¬ merksam, daß durch die Art und Weise der Stellungnahme Deutschlands gegen Griechenland eine dauernde Schädigung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Völkern zu besorgen sei. Die Kölnische Zeitung erkannte damals die Richtigkeit der Befürchtung an, daß die übrigen Nationen sich die Unbeliebtheit Deutsch¬ lands infolge der damaligen Stellung der deutschen Presse zunutze machen würden, um Boden im Wettbewerb mit Deutschland zu gewinnen. Es gilt also, will man den deutschen Handel fördern, derartige Mißver¬ ständnisse zu vermeiden. Daß aber unsere wirtschaftlichen Interessen besonders unter den gegenwärtigen Verhältnissen scharf im Auge behalten werden müssen, liegt auf der Hand. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege wird gerade in Griechenland voraussichtlich eine ganz außerordentliche werden. Der Zuwachs an Landgebiet und Bevölkerung, den Griechenland erfahren hat, ist zwar an sich sehr beträchtlich. — er beträgt auf dem Festlande von Epirus bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/71>, abgerufen am 01.09.2024.