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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Neu-Griechenland

zum großen Teil in griechischen Händen liegen, und den hierdurch dem Lande
zufließenden Verdienst.

Die griechische Handelsflotte hatte 1901 150 Dampfer mit 139000 Re-
gistertonnen. 1909 300 Dampfer mit 296000 Registertonnen, 1911 347 Dampfer
mit 384 000 Registertonnen, 1913 389 Dampfer mit 434000 Registertonnen.

Die Bankdepots bei der Nationalbank betrugen 1910 168 Millionen
Drachmen. 1911 211 Millionen Drachmen. Selbst der letzte Krieg hat die
Finanzverhältnisse nicht ernstlich erschüttert.

Die Entwicklung des Landes tritt aber noch mehr hervor, wenn man den
Zeitraum seit der Befreiung vom türkischen Joche ins Auge faßt. 1828 ließ
Ibrahim Pascha das rauhe Gebirgsland als Wüste zurück. Athen war damals
ein armseliges Dorf, jetzt ist es die schönste und zukunftsreichste Stadt der Levante
mit etwa 167 000 Einwohnern. Piräus, damals ein armseliger Fischerhafen,
ist jetzt ein großer Handelsplatz mit aufblühender Industrie. Auch die übrigen
großen Hafenplätze, wie Patras, Volo usw, sind in kräftigster Entwicklung.
1600 Kilometer Eisenbahnen durchziehen das Land und eine große Anzahl
aussichtsreicher Projekte ist in Vorbereitung. Wir sehen daher große Fortschritte
auf allen Gebieten, die eine Gesundung der äußeren Verhältnisse des Landes
erkennen lassen.

Die günstige Entwicklung der äußeren Verhältnisse Griechenlands würde
aber allein nicht genügen, um ein Nähertreten der Völker, wie die augen¬
blicklich in Bildung begriffene Deutsch-Griechische Gesellschaft, deren Aufruf im
Vorstehenden abgedruckt ist. es anstrebt, zu begründen. Es kommt darauf an,
ob auch das griechische Wesen, wie es im gesamten Volksleben sich zeigt, deutschem
Wesen entspricht und Vertrauen und Zuneigung verdient. Aus eigener Erfahrung
möchte ich hierzu folgendes bemerken:

Ich habe längere Zeit als Schiedsrichter in Streitigkeiten zwischen der
griechischen Regierung und großen Eisenbahnunternehmungen in Griechenland ge¬
weilt und hierbei Gelegenheit gehabt, mit einer großen Anzahl Griechen in nähere
Beziehungen zu treten. Ich habe die höhere Beamtenschaft kennen gelernt und bin
auf Reisen im Innern des Landes auch mit dem gewöhnlichen Manne in Be¬
rührung gekommen. Es war mir auch möglich. Blicke in den Betrieb der
Staatsverwaltung zu tun. Der Eindruck, den ich hatte, war überall ein sehr
günstiger. Ich fand gegenseitiges Vertrauen im öffentlichen Verkehr. Ordnung
und Zuverlässigkeit in der staatlichen Verwaltung, tüchtige, eifrige, das Interesse
ihres Landes in sorgsamer Weise fördernde Beamte. Nach den Erfahrungen,
die ich gemacht habe, kann ich das ungünstige Urteil, welches selbst ein so
gründlicher Kenner und warmer Freund des Landes, wie Professor Dr. Philippson.
in seinem Werke "Griechenland und seine Stellung im Orient". Leipzig 1897.


Deutschland und Neu-Griechenland

zum großen Teil in griechischen Händen liegen, und den hierdurch dem Lande
zufließenden Verdienst.

Die griechische Handelsflotte hatte 1901 150 Dampfer mit 139000 Re-
gistertonnen. 1909 300 Dampfer mit 296000 Registertonnen, 1911 347 Dampfer
mit 384 000 Registertonnen, 1913 389 Dampfer mit 434000 Registertonnen.

Die Bankdepots bei der Nationalbank betrugen 1910 168 Millionen
Drachmen. 1911 211 Millionen Drachmen. Selbst der letzte Krieg hat die
Finanzverhältnisse nicht ernstlich erschüttert.

Die Entwicklung des Landes tritt aber noch mehr hervor, wenn man den
Zeitraum seit der Befreiung vom türkischen Joche ins Auge faßt. 1828 ließ
Ibrahim Pascha das rauhe Gebirgsland als Wüste zurück. Athen war damals
ein armseliges Dorf, jetzt ist es die schönste und zukunftsreichste Stadt der Levante
mit etwa 167 000 Einwohnern. Piräus, damals ein armseliger Fischerhafen,
ist jetzt ein großer Handelsplatz mit aufblühender Industrie. Auch die übrigen
großen Hafenplätze, wie Patras, Volo usw, sind in kräftigster Entwicklung.
1600 Kilometer Eisenbahnen durchziehen das Land und eine große Anzahl
aussichtsreicher Projekte ist in Vorbereitung. Wir sehen daher große Fortschritte
auf allen Gebieten, die eine Gesundung der äußeren Verhältnisse des Landes
erkennen lassen.

Die günstige Entwicklung der äußeren Verhältnisse Griechenlands würde
aber allein nicht genügen, um ein Nähertreten der Völker, wie die augen¬
blicklich in Bildung begriffene Deutsch-Griechische Gesellschaft, deren Aufruf im
Vorstehenden abgedruckt ist. es anstrebt, zu begründen. Es kommt darauf an,
ob auch das griechische Wesen, wie es im gesamten Volksleben sich zeigt, deutschem
Wesen entspricht und Vertrauen und Zuneigung verdient. Aus eigener Erfahrung
möchte ich hierzu folgendes bemerken:

Ich habe längere Zeit als Schiedsrichter in Streitigkeiten zwischen der
griechischen Regierung und großen Eisenbahnunternehmungen in Griechenland ge¬
weilt und hierbei Gelegenheit gehabt, mit einer großen Anzahl Griechen in nähere
Beziehungen zu treten. Ich habe die höhere Beamtenschaft kennen gelernt und bin
auf Reisen im Innern des Landes auch mit dem gewöhnlichen Manne in Be¬
rührung gekommen. Es war mir auch möglich. Blicke in den Betrieb der
Staatsverwaltung zu tun. Der Eindruck, den ich hatte, war überall ein sehr
günstiger. Ich fand gegenseitiges Vertrauen im öffentlichen Verkehr. Ordnung
und Zuverlässigkeit in der staatlichen Verwaltung, tüchtige, eifrige, das Interesse
ihres Landes in sorgsamer Weise fördernde Beamte. Nach den Erfahrungen,
die ich gemacht habe, kann ich das ungünstige Urteil, welches selbst ein so
gründlicher Kenner und warmer Freund des Landes, wie Professor Dr. Philippson.
in seinem Werke „Griechenland und seine Stellung im Orient". Leipzig 1897.


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[0069] Deutschland und Neu-Griechenland zum großen Teil in griechischen Händen liegen, und den hierdurch dem Lande zufließenden Verdienst. Die griechische Handelsflotte hatte 1901 150 Dampfer mit 139000 Re- gistertonnen. 1909 300 Dampfer mit 296000 Registertonnen, 1911 347 Dampfer mit 384 000 Registertonnen, 1913 389 Dampfer mit 434000 Registertonnen. Die Bankdepots bei der Nationalbank betrugen 1910 168 Millionen Drachmen. 1911 211 Millionen Drachmen. Selbst der letzte Krieg hat die Finanzverhältnisse nicht ernstlich erschüttert. Die Entwicklung des Landes tritt aber noch mehr hervor, wenn man den Zeitraum seit der Befreiung vom türkischen Joche ins Auge faßt. 1828 ließ Ibrahim Pascha das rauhe Gebirgsland als Wüste zurück. Athen war damals ein armseliges Dorf, jetzt ist es die schönste und zukunftsreichste Stadt der Levante mit etwa 167 000 Einwohnern. Piräus, damals ein armseliger Fischerhafen, ist jetzt ein großer Handelsplatz mit aufblühender Industrie. Auch die übrigen großen Hafenplätze, wie Patras, Volo usw, sind in kräftigster Entwicklung. 1600 Kilometer Eisenbahnen durchziehen das Land und eine große Anzahl aussichtsreicher Projekte ist in Vorbereitung. Wir sehen daher große Fortschritte auf allen Gebieten, die eine Gesundung der äußeren Verhältnisse des Landes erkennen lassen. Die günstige Entwicklung der äußeren Verhältnisse Griechenlands würde aber allein nicht genügen, um ein Nähertreten der Völker, wie die augen¬ blicklich in Bildung begriffene Deutsch-Griechische Gesellschaft, deren Aufruf im Vorstehenden abgedruckt ist. es anstrebt, zu begründen. Es kommt darauf an, ob auch das griechische Wesen, wie es im gesamten Volksleben sich zeigt, deutschem Wesen entspricht und Vertrauen und Zuneigung verdient. Aus eigener Erfahrung möchte ich hierzu folgendes bemerken: Ich habe längere Zeit als Schiedsrichter in Streitigkeiten zwischen der griechischen Regierung und großen Eisenbahnunternehmungen in Griechenland ge¬ weilt und hierbei Gelegenheit gehabt, mit einer großen Anzahl Griechen in nähere Beziehungen zu treten. Ich habe die höhere Beamtenschaft kennen gelernt und bin auf Reisen im Innern des Landes auch mit dem gewöhnlichen Manne in Be¬ rührung gekommen. Es war mir auch möglich. Blicke in den Betrieb der Staatsverwaltung zu tun. Der Eindruck, den ich hatte, war überall ein sehr günstiger. Ich fand gegenseitiges Vertrauen im öffentlichen Verkehr. Ordnung und Zuverlässigkeit in der staatlichen Verwaltung, tüchtige, eifrige, das Interesse ihres Landes in sorgsamer Weise fördernde Beamte. Nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, kann ich das ungünstige Urteil, welches selbst ein so gründlicher Kenner und warmer Freund des Landes, wie Professor Dr. Philippson. in seinem Werke „Griechenland und seine Stellung im Orient". Leipzig 1897.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/69>, abgerufen am 01.09.2024.