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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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vlämische Gebiet. Auch die herrlichen Er¬
zeugnisse mittelalterlichen Kunst entstammen
hauptsächlich den vlämischen Gebietsteilen
Flandern und Brabant, Brabant hat dem
deutschen Reiche auch ein edles Fürsten¬
geschlecht geschenkt, das auf den hessischen
Thronen seit langen Zeiten bis in die Gegen¬
wart bedeutsam und segensreich gewirkt hat.
Es sei hier nur der Namen Philipps des
Großmütigen herausgegriffen. Also mit
gutem, altem deutschem Volksboden haben wir
es in Flandern und Brabant, jenen belgischen
Kernprovinzen, zu tun, denen auch einst die
Verbindung mit dem alten deutschen Reiche
nicht gefehlt hat.

Trotzdem hat sich diese niederdeutsche
(nederduitsche) Welt, die an Geist, Kraft und
Zahl überwiegend war und ist, in den jetzigen
belgischen Landen allmählich einer romanischen
Minderheit untergeordnet, die unter dem
Namen Wallonen zusammengefaßt wird.
Diese Wallonen sind aber nicht einmal reine
Romanen, sondern sie sind stark mit jetzt ver¬
wischten Germanen untermischt. Daher ist
Wallonisch auch diejenige französische Mundart,
in der sich von allen französischen Volks¬
sprachen am meisten germanische Sprachreste
erhalten haben. Bekanntlich enthält ja auch
die französische Schriftsprache zahlreiche
deutsche Wortstamme, was auf die deutsche
Einwanderung nach Gallien zur Zeit der
Völkerwanderung zurückzuführen ist. Der
Norden und Osten Frankreichs enthält daher
auch die tüchtigste Bevölkerung des Landes,
Weil in ihr viel deutsches Blut steckt, was
man noch äußerlich vielen hochgewachsenen
blonden Leuten ansieht. niederdeutsch (vlämisch)
wird noch heute in der Nordwestecke von Frank¬
reich, in der Gegend von Dünkirchen, ge¬
sprochen. Diese Bevölkerung der Dünkircher
Gegend nahmen 1870 teilweise sogar eine
feindliche Haltung gegen die französische
Obrigkeit ein, worauf ein damaliger franzö¬
sischer Bericht ausdrücklich hinwies, unter Be¬
zeichnung dieser Bevölkerung als niederdeutsch
("bas-slleman6").

Der Minderheit der Wallonen in Belgien
>se es also gelungen, dem ganzen Lande einen
romanischen Stempel aufzudrücken, so daß
Französisch als Sprache des Umgangs der
gebildeten Stände, der Staatsbehörden sowie

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der höheren und mittleren Schulen die Ober¬
herrschaft hat. Die Nachgiebigkeit der gesamten
deutschen Rasse gegenüber fremden Einflüssen
zeigt sich auch hier wieder, sie hat z. B. auch
dahin geführt, daß der benachbarte rein
deutsche Staat Luxemburg als Amtssprache das
Französische benutzt. In dem Blaamentum
Belgiens hat man in der letzten Zeit jedoch
in zunehmendem Maße das Beschauende und
Unwürdige des seitherigen Zustandes erkannt
und die sogenannte vlämische Bewegung
hat sich bemüht, dem eigenen Volkstum nach
Art und Sprache die berechtigte Geltung zu
verschaffen. Es sind dann auch in den letzten
Jahren in der Verwaltung und Gesetz¬
gebung Belgiens für die Vlaamen nennens¬
werte Erfolge tatsächlich erzielt worden. Das
Vlnnmentum hat es noch nicht erreicht, daß
unter den Universitäten des Landes die
französische Ausschließlichkeit beseitigt, und daß
wenigstens eine Hochschule, nämlich Gent,
ganz oder überwiegend vlämisch wurde. Das
ist aber nötig, damit der welsche Firnis, der
Aber den vlämischen Teil Belgiens gezogen
ist, beseitigt wird. Die große Mehrheit der
Vlaamen hat nun allerdings nicht das Ge¬
fühl, daß sie einfach ein Glied des großen
deutschen Volkes sind und daß sie die nächsten
Stammesbrüder der niederdeutschen (Platt¬
deutschen) Bevölkerung des Nordens unseres
deutschen Reiches sind, obgleich sie dies sofort
an der Ähnlichkeit und Verständlichkeit der
Sprache erkennen niüßten. Das ändert nun
aber an den unbestreitbaren Tatsachen selbst,
wie sie durch Sprache, Blut und Geschichte
gegeben sind, nichts und wir Reichsdeutsche,
die wir jetzt den Größten Belgiens in unsere
Verwaltung genommen haben, müssen uns
dieser Umstände, die für unsere Politik und
Verwaltung von der größten Bedeutung sind,
stets auf das bestimmteste bewußt bleiben,
mag nun unsere Verwaltung vorübergehend
oder dauernd sein. Diese Verhältnisse müssen
bei der einstigen endgültigen Regelung neben
den zwingenden militärischen Erwägungen,
die unbedingt auf eine möglichst dauernde
Sicherung unseres Volks- und Reichsgebietes
abzuzielen haben, eine wesentliche Rolle spielen.
Es kann und darf für die Entschließungen
nicht ohne Bedeutung sein, ob ein feindliches
Land, das wir notgedrungen siegreich ge"

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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vlämische Gebiet. Auch die herrlichen Er¬
zeugnisse mittelalterlichen Kunst entstammen
hauptsächlich den vlämischen Gebietsteilen
Flandern und Brabant, Brabant hat dem
deutschen Reiche auch ein edles Fürsten¬
geschlecht geschenkt, das auf den hessischen
Thronen seit langen Zeiten bis in die Gegen¬
wart bedeutsam und segensreich gewirkt hat.
Es sei hier nur der Namen Philipps des
Großmütigen herausgegriffen. Also mit
gutem, altem deutschem Volksboden haben wir
es in Flandern und Brabant, jenen belgischen
Kernprovinzen, zu tun, denen auch einst die
Verbindung mit dem alten deutschen Reiche
nicht gefehlt hat.

Trotzdem hat sich diese niederdeutsche
(nederduitsche) Welt, die an Geist, Kraft und
Zahl überwiegend war und ist, in den jetzigen
belgischen Landen allmählich einer romanischen
Minderheit untergeordnet, die unter dem
Namen Wallonen zusammengefaßt wird.
Diese Wallonen sind aber nicht einmal reine
Romanen, sondern sie sind stark mit jetzt ver¬
wischten Germanen untermischt. Daher ist
Wallonisch auch diejenige französische Mundart,
in der sich von allen französischen Volks¬
sprachen am meisten germanische Sprachreste
erhalten haben. Bekanntlich enthält ja auch
die französische Schriftsprache zahlreiche
deutsche Wortstamme, was auf die deutsche
Einwanderung nach Gallien zur Zeit der
Völkerwanderung zurückzuführen ist. Der
Norden und Osten Frankreichs enthält daher
auch die tüchtigste Bevölkerung des Landes,
Weil in ihr viel deutsches Blut steckt, was
man noch äußerlich vielen hochgewachsenen
blonden Leuten ansieht. niederdeutsch (vlämisch)
wird noch heute in der Nordwestecke von Frank¬
reich, in der Gegend von Dünkirchen, ge¬
sprochen. Diese Bevölkerung der Dünkircher
Gegend nahmen 1870 teilweise sogar eine
feindliche Haltung gegen die französische
Obrigkeit ein, worauf ein damaliger franzö¬
sischer Bericht ausdrücklich hinwies, unter Be¬
zeichnung dieser Bevölkerung als niederdeutsch
(»bas-slleman6").

Der Minderheit der Wallonen in Belgien
>se es also gelungen, dem ganzen Lande einen
romanischen Stempel aufzudrücken, so daß
Französisch als Sprache des Umgangs der
gebildeten Stände, der Staatsbehörden sowie

[Spaltenumbruch]

der höheren und mittleren Schulen die Ober¬
herrschaft hat. Die Nachgiebigkeit der gesamten
deutschen Rasse gegenüber fremden Einflüssen
zeigt sich auch hier wieder, sie hat z. B. auch
dahin geführt, daß der benachbarte rein
deutsche Staat Luxemburg als Amtssprache das
Französische benutzt. In dem Blaamentum
Belgiens hat man in der letzten Zeit jedoch
in zunehmendem Maße das Beschauende und
Unwürdige des seitherigen Zustandes erkannt
und die sogenannte vlämische Bewegung
hat sich bemüht, dem eigenen Volkstum nach
Art und Sprache die berechtigte Geltung zu
verschaffen. Es sind dann auch in den letzten
Jahren in der Verwaltung und Gesetz¬
gebung Belgiens für die Vlaamen nennens¬
werte Erfolge tatsächlich erzielt worden. Das
Vlnnmentum hat es noch nicht erreicht, daß
unter den Universitäten des Landes die
französische Ausschließlichkeit beseitigt, und daß
wenigstens eine Hochschule, nämlich Gent,
ganz oder überwiegend vlämisch wurde. Das
ist aber nötig, damit der welsche Firnis, der
Aber den vlämischen Teil Belgiens gezogen
ist, beseitigt wird. Die große Mehrheit der
Vlaamen hat nun allerdings nicht das Ge¬
fühl, daß sie einfach ein Glied des großen
deutschen Volkes sind und daß sie die nächsten
Stammesbrüder der niederdeutschen (Platt¬
deutschen) Bevölkerung des Nordens unseres
deutschen Reiches sind, obgleich sie dies sofort
an der Ähnlichkeit und Verständlichkeit der
Sprache erkennen niüßten. Das ändert nun
aber an den unbestreitbaren Tatsachen selbst,
wie sie durch Sprache, Blut und Geschichte
gegeben sind, nichts und wir Reichsdeutsche,
die wir jetzt den Größten Belgiens in unsere
Verwaltung genommen haben, müssen uns
dieser Umstände, die für unsere Politik und
Verwaltung von der größten Bedeutung sind,
stets auf das bestimmteste bewußt bleiben,
mag nun unsere Verwaltung vorübergehend
oder dauernd sein. Diese Verhältnisse müssen
bei der einstigen endgültigen Regelung neben
den zwingenden militärischen Erwägungen,
die unbedingt auf eine möglichst dauernde
Sicherung unseres Volks- und Reichsgebietes
abzuzielen haben, eine wesentliche Rolle spielen.
Es kann und darf für die Entschließungen
nicht ohne Bedeutung sein, ob ein feindliches
Land, das wir notgedrungen siegreich ge»

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[0453] Maßgebliches und Unmaßgebliches vlämische Gebiet. Auch die herrlichen Er¬ zeugnisse mittelalterlichen Kunst entstammen hauptsächlich den vlämischen Gebietsteilen Flandern und Brabant, Brabant hat dem deutschen Reiche auch ein edles Fürsten¬ geschlecht geschenkt, das auf den hessischen Thronen seit langen Zeiten bis in die Gegen¬ wart bedeutsam und segensreich gewirkt hat. Es sei hier nur der Namen Philipps des Großmütigen herausgegriffen. Also mit gutem, altem deutschem Volksboden haben wir es in Flandern und Brabant, jenen belgischen Kernprovinzen, zu tun, denen auch einst die Verbindung mit dem alten deutschen Reiche nicht gefehlt hat. Trotzdem hat sich diese niederdeutsche (nederduitsche) Welt, die an Geist, Kraft und Zahl überwiegend war und ist, in den jetzigen belgischen Landen allmählich einer romanischen Minderheit untergeordnet, die unter dem Namen Wallonen zusammengefaßt wird. Diese Wallonen sind aber nicht einmal reine Romanen, sondern sie sind stark mit jetzt ver¬ wischten Germanen untermischt. Daher ist Wallonisch auch diejenige französische Mundart, in der sich von allen französischen Volks¬ sprachen am meisten germanische Sprachreste erhalten haben. Bekanntlich enthält ja auch die französische Schriftsprache zahlreiche deutsche Wortstamme, was auf die deutsche Einwanderung nach Gallien zur Zeit der Völkerwanderung zurückzuführen ist. Der Norden und Osten Frankreichs enthält daher auch die tüchtigste Bevölkerung des Landes, Weil in ihr viel deutsches Blut steckt, was man noch äußerlich vielen hochgewachsenen blonden Leuten ansieht. niederdeutsch (vlämisch) wird noch heute in der Nordwestecke von Frank¬ reich, in der Gegend von Dünkirchen, ge¬ sprochen. Diese Bevölkerung der Dünkircher Gegend nahmen 1870 teilweise sogar eine feindliche Haltung gegen die französische Obrigkeit ein, worauf ein damaliger franzö¬ sischer Bericht ausdrücklich hinwies, unter Be¬ zeichnung dieser Bevölkerung als niederdeutsch (»bas-slleman6"). Der Minderheit der Wallonen in Belgien >se es also gelungen, dem ganzen Lande einen romanischen Stempel aufzudrücken, so daß Französisch als Sprache des Umgangs der gebildeten Stände, der Staatsbehörden sowie der höheren und mittleren Schulen die Ober¬ herrschaft hat. Die Nachgiebigkeit der gesamten deutschen Rasse gegenüber fremden Einflüssen zeigt sich auch hier wieder, sie hat z. B. auch dahin geführt, daß der benachbarte rein deutsche Staat Luxemburg als Amtssprache das Französische benutzt. In dem Blaamentum Belgiens hat man in der letzten Zeit jedoch in zunehmendem Maße das Beschauende und Unwürdige des seitherigen Zustandes erkannt und die sogenannte vlämische Bewegung hat sich bemüht, dem eigenen Volkstum nach Art und Sprache die berechtigte Geltung zu verschaffen. Es sind dann auch in den letzten Jahren in der Verwaltung und Gesetz¬ gebung Belgiens für die Vlaamen nennens¬ werte Erfolge tatsächlich erzielt worden. Das Vlnnmentum hat es noch nicht erreicht, daß unter den Universitäten des Landes die französische Ausschließlichkeit beseitigt, und daß wenigstens eine Hochschule, nämlich Gent, ganz oder überwiegend vlämisch wurde. Das ist aber nötig, damit der welsche Firnis, der Aber den vlämischen Teil Belgiens gezogen ist, beseitigt wird. Die große Mehrheit der Vlaamen hat nun allerdings nicht das Ge¬ fühl, daß sie einfach ein Glied des großen deutschen Volkes sind und daß sie die nächsten Stammesbrüder der niederdeutschen (Platt¬ deutschen) Bevölkerung des Nordens unseres deutschen Reiches sind, obgleich sie dies sofort an der Ähnlichkeit und Verständlichkeit der Sprache erkennen niüßten. Das ändert nun aber an den unbestreitbaren Tatsachen selbst, wie sie durch Sprache, Blut und Geschichte gegeben sind, nichts und wir Reichsdeutsche, die wir jetzt den Größten Belgiens in unsere Verwaltung genommen haben, müssen uns dieser Umstände, die für unsere Politik und Verwaltung von der größten Bedeutung sind, stets auf das bestimmteste bewußt bleiben, mag nun unsere Verwaltung vorübergehend oder dauernd sein. Diese Verhältnisse müssen bei der einstigen endgültigen Regelung neben den zwingenden militärischen Erwägungen, die unbedingt auf eine möglichst dauernde Sicherung unseres Volks- und Reichsgebietes abzuzielen haben, eine wesentliche Rolle spielen. Es kann und darf für die Entschließungen nicht ohne Bedeutung sein, ob ein feindliches Land, das wir notgedrungen siegreich ge»

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/453>, abgerufen am 22.12.2024.