Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.petrograder Kultur daß man machtlos gewesen sei. Das hat der Unterstaatssekretär Artsimowitsch, Der ganze Vorfall gliedert sich jedenfalls in das offensichtliche Bestreben Diesen Darstellungen von Augenzeugen auch nur ein Wort hinzuzufügen, In sehr eigentümlichem Lichte erscheint bei dem Verhalten der russischen petrograder Kultur daß man machtlos gewesen sei. Das hat der Unterstaatssekretär Artsimowitsch, Der ganze Vorfall gliedert sich jedenfalls in das offensichtliche Bestreben Diesen Darstellungen von Augenzeugen auch nur ein Wort hinzuzufügen, In sehr eigentümlichem Lichte erscheint bei dem Verhalten der russischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329153"/> <fw type="header" place="top"> petrograder Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1417" prev="#ID_1416"> daß man machtlos gewesen sei. Das hat der Unterstaatssekretär Artsimowitsch,<lb/> an den sich einer meiner Gewährsmänner telephonisch gewendet hatte, selbst<lb/> gesagt. Man darf daraus schließen, daß es die offizielle Erklärung ist. Dem<lb/> gegenüber bleiben alle Zeugen der grausigen Vorgänge dabei, daß ein ernsthafter<lb/> Versuch nicht gemacht worden ist, die Botschaft zu schützen. Wenn man weiß,<lb/> mit welcher Energie und Schnelligkeit große Menschenmassen in Rußland durch<lb/> berittene Polizei oder Kosaken auseinandergetrieben werden, ist die Behauptung<lb/> der Hilflosigkeit schon an sich ganz unhaltbar. Im vorliegenden Falle war<lb/> aber das fast die ganze Zeit über ruhig abwartende Verhalten der zur Ordnung<lb/> abkommandierten Schutzaufgebote garnicht zu mißdeuten. Ein kleines Anreiten<lb/> weniger Polizisten genügte sofort, um die Plünderer zurückzutreiben. Als die<lb/> Polizei etwas energischer vordrang, lief die Menge sofort feige zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1418"> Der ganze Vorfall gliedert sich jedenfalls in das offensichtliche Bestreben<lb/> der russischen Regierung ein, die Volksleidenschaft aufzustacheln und der großen<lb/> unwissenden Masse einen Köder hinzuwerfen, der seinen Instinkten zusagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1419"> Diesen Darstellungen von Augenzeugen auch nur ein Wort hinzuzufügen,<lb/> würde die Schilderung abschwächen. Aber ein Wort der Erinnerung sei<lb/> wenigstens den Kunstschätzen geweiht, die die russische Negierung dort preis¬<lb/> gegeben hat. Es handelt sich um die berühmte Sammlung teilweise jahr-<lb/> hnnderte alter und unersetzlicher Kunstschätze des deutschen Botschafters Grafen<lb/> Pourtalös. eine der herrlichsten Kunstsammlungen, die sich im deutschen Besitz<lb/> befanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1420"> In sehr eigentümlichem Lichte erscheint bei dem Verhalten der russischen<lb/> Regierung die Persönlichkeit des Herrn Ssasonow. des Leiters der auswärtigen<lb/> Politik Rußlands. Als ich im April dieses Jahres mit ihm eine lange, ernste<lb/> Unterredung hatte über die Spannung zwischen Deutschland und Rußland,<lb/> schloß er mit der Versicherung, daß er sein gesamtes Können dafür einsetzen<lb/> werde, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. „Der Ausbruch eines<lb/> Krieges bedeutet immer", rief er emphatisch aus. „den Zusammenbruch der<lb/> Diplomatie." Er hat es nicht vermocht, die Anordnung der Mobilmachung in<lb/> Petersburg durch seine Autorität zu verhindern. Das sei ihm nicht verdacht.<lb/> Die Kriegspartei war eben stärker nachdem der Zar selbst versagt hatte. Aber<lb/> Herr Ssasonow hat anscheinend auch nicht gewagt, beim Minister des Innern<lb/> Maklakow mit seiner Person für das Privateigentum seines deutschen Kollegen<lb/> einzutreten, den er zwei Tage vorher mit Tränen und Schluchzen und russischen<lb/> Küssen wie einen persönlichen Freund aus Petersburg entlassen hatte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
petrograder Kultur
daß man machtlos gewesen sei. Das hat der Unterstaatssekretär Artsimowitsch,
an den sich einer meiner Gewährsmänner telephonisch gewendet hatte, selbst
gesagt. Man darf daraus schließen, daß es die offizielle Erklärung ist. Dem
gegenüber bleiben alle Zeugen der grausigen Vorgänge dabei, daß ein ernsthafter
Versuch nicht gemacht worden ist, die Botschaft zu schützen. Wenn man weiß,
mit welcher Energie und Schnelligkeit große Menschenmassen in Rußland durch
berittene Polizei oder Kosaken auseinandergetrieben werden, ist die Behauptung
der Hilflosigkeit schon an sich ganz unhaltbar. Im vorliegenden Falle war
aber das fast die ganze Zeit über ruhig abwartende Verhalten der zur Ordnung
abkommandierten Schutzaufgebote garnicht zu mißdeuten. Ein kleines Anreiten
weniger Polizisten genügte sofort, um die Plünderer zurückzutreiben. Als die
Polizei etwas energischer vordrang, lief die Menge sofort feige zurück.
Der ganze Vorfall gliedert sich jedenfalls in das offensichtliche Bestreben
der russischen Regierung ein, die Volksleidenschaft aufzustacheln und der großen
unwissenden Masse einen Köder hinzuwerfen, der seinen Instinkten zusagt.
Diesen Darstellungen von Augenzeugen auch nur ein Wort hinzuzufügen,
würde die Schilderung abschwächen. Aber ein Wort der Erinnerung sei
wenigstens den Kunstschätzen geweiht, die die russische Negierung dort preis¬
gegeben hat. Es handelt sich um die berühmte Sammlung teilweise jahr-
hnnderte alter und unersetzlicher Kunstschätze des deutschen Botschafters Grafen
Pourtalös. eine der herrlichsten Kunstsammlungen, die sich im deutschen Besitz
befanden.
In sehr eigentümlichem Lichte erscheint bei dem Verhalten der russischen
Regierung die Persönlichkeit des Herrn Ssasonow. des Leiters der auswärtigen
Politik Rußlands. Als ich im April dieses Jahres mit ihm eine lange, ernste
Unterredung hatte über die Spannung zwischen Deutschland und Rußland,
schloß er mit der Versicherung, daß er sein gesamtes Können dafür einsetzen
werde, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. „Der Ausbruch eines
Krieges bedeutet immer", rief er emphatisch aus. „den Zusammenbruch der
Diplomatie." Er hat es nicht vermocht, die Anordnung der Mobilmachung in
Petersburg durch seine Autorität zu verhindern. Das sei ihm nicht verdacht.
Die Kriegspartei war eben stärker nachdem der Zar selbst versagt hatte. Aber
Herr Ssasonow hat anscheinend auch nicht gewagt, beim Minister des Innern
Maklakow mit seiner Person für das Privateigentum seines deutschen Kollegen
einzutreten, den er zwei Tage vorher mit Tränen und Schluchzen und russischen
Küssen wie einen persönlichen Freund aus Petersburg entlassen hatte.
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