Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Russisch-Polen als Kriegsschauplatz weiten Jnnerrußland über. Ohne natürliche, sondern durch den Gang der Zum besseren Verständnis der strategisch wichtigen Plätze wollen wir zunächst Den Südwesten Polens nimmt in der Hauptsache das sogenannte polnische Russisch-Polen als Kriegsschauplatz weiten Jnnerrußland über. Ohne natürliche, sondern durch den Gang der Zum besseren Verständnis der strategisch wichtigen Plätze wollen wir zunächst Den Südwesten Polens nimmt in der Hauptsache das sogenannte polnische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329138"/> <fw type="header" place="top"> Russisch-Polen als Kriegsschauplatz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1362" prev="#ID_1361"> weiten Jnnerrußland über. Ohne natürliche, sondern durch den Gang der<lb/> Geschichte willkürlich gegebene Grenzen schiebt es sich wie ein Fremdkörper in<lb/> das mitteleuropäische Kulturgebiet vor, im Norden von Ost- und Westpreußen,<lb/> im Westen von Posen und Schlesien und im Süden von Galizien, dem Vorland<lb/> der Karpathen begrenzt. Die Ostgrenze, die sich breit an das eigentliche Rußland<lb/> legt, folgt im allgemeinen den Läufen des Njemen, Bohr und Bug und scheidet<lb/> etwa die polnische von der russischen Bevölkerung. Daraus folgt die natürliche,<lb/> geologische und hydrographische Zugehörigkeit Polens zu Mitteleuropa, sowie<lb/> die eigenartige politische Stellung. Geologisch bildet Polen die Fortsetzung des<lb/> norddeutschen Flachlandes. Zumeist bilden gestörte, zum Teil auch gefaltete<lb/> Schichten den Untergrund und darüber lagern als Produkt der nordeuropäischen<lb/> Eiszeit wie bei uns eine mehr oder weniger mächtige Schicht fruchtbaren<lb/> Geschiebelehms, der den Ackerbau bedingt, aber auch weite Sandflächen. Nur<lb/> ein kleiner Teil Polens gehört der großen russischen Sedimenttafel an; im<lb/> bewegteren Hügelgelände Südpolens treten auch ältere Formationen zutage.<lb/> Die Entwässerung geschieht hauptsächlich durch die Polen von Südosten nach<lb/> Nordwesten durchquerende Weichsel mit ihren Nebenflüssen, zum Teil auch im<lb/> Westen bares die Warthe. Das Klima bildet naturgemäß einen Übergang,<lb/> ähnelt aber mehr dem ostdeutschen als dem extrem kontinentalen Mittelrußlands.<lb/> In Warschau beträgt beispielsweise die Mitteltemperatur im Januar — 3,4 Grad,<lb/> im Juli -t- 18,8 Grad.</p><lb/> <p xml:id="ID_1363"> Zum besseren Verständnis der strategisch wichtigen Plätze wollen wir zunächst<lb/> einen Blick auf die durch besondere geographischen Eigenheiten geschiedenen,<lb/> sogenannten natürlichen Landschaften Polens werfen. Drei können wir unter¬<lb/> scheiden. Die von Österreichs Grenze aus nach Norden fließende Weichsel trennt<lb/> Südpolen in einen südöstlichen und südwestlichen Teil. Der Südosten, zwischen<lb/> Weichsel und Bug und im Norden von dem Weichselnebenfluß Wjeprjh und dem<lb/> Sumpfgebiet der die östliche Fortsetzung des Wjeprsh bildenden Tvsmeniza begrenzt,<lb/> die ihrerseits wieder mit dem großen Sumpfgelände südwestlich von Brest—Litowsk<lb/> am Bug zusammenhängt, bildet ein zum Teil von Gletscherschnee bedecktes<lb/> Tafelland von oberer Kreide, das bis 334 Meter Höhe erreicht. Am Rande<lb/> dieser von Flußtälern durchfurchten Tafel, die das nordwestliche Ende des<lb/> südrussischen Landrückens bildet, liegen die wichtigen Städte Ljublin und Chota.</p><lb/> <p xml:id="ID_1364" next="#ID_1365"> Den Südwesten Polens nimmt in der Hauptsache das sogenannte polnische<lb/> Hügelland ein, das aus mehreren Gliedern besteht. Nordwestlich von der<lb/> Stelle, wo der galizische San in die Weichsel mündet, streicht der Hauptzug bis<lb/> zum'Flusse Piliza. Es ist ein Rumpsgebirge, vielen deutschen Mittelgebirgen<lb/> ähnlich, aus gefalteten paläozoischen Schiefern, Kalken und Quarziten, die als<lb/> lange Rücken die wellige Hochfläche des Rumpfes überragen, umgeben von<lb/> Schollen von Trias und Jura. Vier derartige Hügelketten kann man unter¬<lb/> scheiden, darunter die Lysa Gora mit 611 Meter Höhe. Daran schließt sich nach<lb/> Südwesten hin ein Tafelland von flach nach Nordosten fallenden mesozoischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Russisch-Polen als Kriegsschauplatz
weiten Jnnerrußland über. Ohne natürliche, sondern durch den Gang der
Geschichte willkürlich gegebene Grenzen schiebt es sich wie ein Fremdkörper in
das mitteleuropäische Kulturgebiet vor, im Norden von Ost- und Westpreußen,
im Westen von Posen und Schlesien und im Süden von Galizien, dem Vorland
der Karpathen begrenzt. Die Ostgrenze, die sich breit an das eigentliche Rußland
legt, folgt im allgemeinen den Läufen des Njemen, Bohr und Bug und scheidet
etwa die polnische von der russischen Bevölkerung. Daraus folgt die natürliche,
geologische und hydrographische Zugehörigkeit Polens zu Mitteleuropa, sowie
die eigenartige politische Stellung. Geologisch bildet Polen die Fortsetzung des
norddeutschen Flachlandes. Zumeist bilden gestörte, zum Teil auch gefaltete
Schichten den Untergrund und darüber lagern als Produkt der nordeuropäischen
Eiszeit wie bei uns eine mehr oder weniger mächtige Schicht fruchtbaren
Geschiebelehms, der den Ackerbau bedingt, aber auch weite Sandflächen. Nur
ein kleiner Teil Polens gehört der großen russischen Sedimenttafel an; im
bewegteren Hügelgelände Südpolens treten auch ältere Formationen zutage.
Die Entwässerung geschieht hauptsächlich durch die Polen von Südosten nach
Nordwesten durchquerende Weichsel mit ihren Nebenflüssen, zum Teil auch im
Westen bares die Warthe. Das Klima bildet naturgemäß einen Übergang,
ähnelt aber mehr dem ostdeutschen als dem extrem kontinentalen Mittelrußlands.
In Warschau beträgt beispielsweise die Mitteltemperatur im Januar — 3,4 Grad,
im Juli -t- 18,8 Grad.
Zum besseren Verständnis der strategisch wichtigen Plätze wollen wir zunächst
einen Blick auf die durch besondere geographischen Eigenheiten geschiedenen,
sogenannten natürlichen Landschaften Polens werfen. Drei können wir unter¬
scheiden. Die von Österreichs Grenze aus nach Norden fließende Weichsel trennt
Südpolen in einen südöstlichen und südwestlichen Teil. Der Südosten, zwischen
Weichsel und Bug und im Norden von dem Weichselnebenfluß Wjeprjh und dem
Sumpfgebiet der die östliche Fortsetzung des Wjeprsh bildenden Tvsmeniza begrenzt,
die ihrerseits wieder mit dem großen Sumpfgelände südwestlich von Brest—Litowsk
am Bug zusammenhängt, bildet ein zum Teil von Gletscherschnee bedecktes
Tafelland von oberer Kreide, das bis 334 Meter Höhe erreicht. Am Rande
dieser von Flußtälern durchfurchten Tafel, die das nordwestliche Ende des
südrussischen Landrückens bildet, liegen die wichtigen Städte Ljublin und Chota.
Den Südwesten Polens nimmt in der Hauptsache das sogenannte polnische
Hügelland ein, das aus mehreren Gliedern besteht. Nordwestlich von der
Stelle, wo der galizische San in die Weichsel mündet, streicht der Hauptzug bis
zum'Flusse Piliza. Es ist ein Rumpsgebirge, vielen deutschen Mittelgebirgen
ähnlich, aus gefalteten paläozoischen Schiefern, Kalken und Quarziten, die als
lange Rücken die wellige Hochfläche des Rumpfes überragen, umgeben von
Schollen von Trias und Jura. Vier derartige Hügelketten kann man unter¬
scheiden, darunter die Lysa Gora mit 611 Meter Höhe. Daran schließt sich nach
Südwesten hin ein Tafelland von flach nach Nordosten fallenden mesozoischen
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