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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Kriegstagebuch

und Integrität gewährleistet, einzutreten bereit sind. GueSde und Sembat, aber auch Augagneur,
Malvy, David und andere kennen keine Solidarität mit Zarismus und Moskowitertum.
Ihr Eintritt ins Ministerium stützt also die Friedensaussichten, wenn dieser Friede ein solcher
ist, wie ihn auch das deutsche Volk wünschen muh: ein Friede ohne Eroberung, ein Friede,
der zur Verständigung mit dein französischen Volke führt. Dann hätte auch der Zarismus
seine SchiedSrichterrolle für immer ausgespielt.

Der Krieg ist mit der Parole für Freiheit und nationale Unabhängigkeit eröffnet worden.
Gelänge eine Verständigung mit Frankreich, so wäre die Freiheit und Unabhängigkeit Polens
und Finnlands gesichert, der Zarismus gebrochen, der europäische Frieden gewährleistet.
Das muß aber auch das Ziel deutscher demokratischer Politik sein.

Wir wollen abwarten, was die neue französische Regierung unternimmt, haben
jedenfalls keine Veranlassung, den ersten Schritt zum Frieden zu tun. Wie sich
die Dinge entwickelt haben, ist anzunehmen, daß wir zusammen mit Österreich-
Ungarn allein imstande sind, die russische Regierung auf die Kniee zu zwingen.
Jedenfalls würde jedes vorzeitige Entgegenkommen von unserer Seite die
Friedensverhandlungen für unsere Diplomatie nur erschweren. Wer Frieden
haben will, soll zu uns kommen, denen der Krieg aufgenötigt wurde. Nun
wir aber einmal kämpfen, müssen zunächst alle die Fesseln gesprengt sein, die
uns bisher bedrohten, ehe von Friede die Rede sein kann. Ob wir uns dann
entschließen, mit einem so wankelmütigen und unzuverlässigen Volke wie die
Franzosen es sind, grundlegende Verträge einzugehen, wird von den Sicher¬
G. Lleinow heiten abhängen, die die Franzosen uns geben.

14. August 1914. Proklamation der russischen Regierung an die
Polen; verspricht Befreiung der Polen, gesteht bisher begangene Fehler zu.
19. August 1914. Die marokkanische Negierung stellt dem deutschen
und dem österreichischen Geschäftsträger seine Pässe zu und schafft sie mit
dem gesamten Personal der Gesandtschaft unter völliger Nichtachtung des
Völkerrechts gewaltsam an Bord des französischen Kreuzers "Cassard", der
sie nach Palermo bringt.
20. August 1914. Deutsche Scesoldatcn <das Skutari-Detachement)
nehmen an den Kämpfen an der boSnisch-serbischen Grenze bei Visegrad
erfolgreich teil.
22. August 1914. Osterreichische Kavallerie schlägt zwei russische
Kavallerie-Brigaden bei Tomaszow.
22. August 1914. Nördlich Metz hat der deutsche Kronprinz zu
beiden Seiten von Longwy vorgehend, den gegenüberstehenden Feind sieg¬
reich zurückgeworfen. Die Armee des Kronprinzen von Bayern erreicht die
Linie Luneville--Blamont und setzt die Verfolgung fort. Namur wird be¬
schossen.
22. August 1914. Seine Majestät der Kaiser hält im Großen
Hauptquartier eine Parade ab.
23. August 1914. Dem japanischen Geschäftsträger in Berlin
werden die Pässe zugestellt; der deutsche Botschafter in Tokio wird abberufen.
23. August 1914. Ministerpräsident Salcmdra betont, daß die
italienische Regierung fest entschlossen sei, die Politik der Neutralität weiter
zu verfolgen.
23. August 1914. Bei Neufchateau schlägt die Armee des Herzogs
Albrecht von Württemberg eine über den Scavis vorgedrungene französische

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und Integrität gewährleistet, einzutreten bereit sind. GueSde und Sembat, aber auch Augagneur,
Malvy, David und andere kennen keine Solidarität mit Zarismus und Moskowitertum.
Ihr Eintritt ins Ministerium stützt also die Friedensaussichten, wenn dieser Friede ein solcher
ist, wie ihn auch das deutsche Volk wünschen muh: ein Friede ohne Eroberung, ein Friede,
der zur Verständigung mit dein französischen Volke führt. Dann hätte auch der Zarismus
seine SchiedSrichterrolle für immer ausgespielt.

Der Krieg ist mit der Parole für Freiheit und nationale Unabhängigkeit eröffnet worden.
Gelänge eine Verständigung mit Frankreich, so wäre die Freiheit und Unabhängigkeit Polens
und Finnlands gesichert, der Zarismus gebrochen, der europäische Frieden gewährleistet.
Das muß aber auch das Ziel deutscher demokratischer Politik sein.

Wir wollen abwarten, was die neue französische Regierung unternimmt, haben
jedenfalls keine Veranlassung, den ersten Schritt zum Frieden zu tun. Wie sich
die Dinge entwickelt haben, ist anzunehmen, daß wir zusammen mit Österreich-
Ungarn allein imstande sind, die russische Regierung auf die Kniee zu zwingen.
Jedenfalls würde jedes vorzeitige Entgegenkommen von unserer Seite die
Friedensverhandlungen für unsere Diplomatie nur erschweren. Wer Frieden
haben will, soll zu uns kommen, denen der Krieg aufgenötigt wurde. Nun
wir aber einmal kämpfen, müssen zunächst alle die Fesseln gesprengt sein, die
uns bisher bedrohten, ehe von Friede die Rede sein kann. Ob wir uns dann
entschließen, mit einem so wankelmütigen und unzuverlässigen Volke wie die
Franzosen es sind, grundlegende Verträge einzugehen, wird von den Sicher¬
G. Lleinow heiten abhängen, die die Franzosen uns geben.

14. August 1914. Proklamation der russischen Regierung an die
Polen; verspricht Befreiung der Polen, gesteht bisher begangene Fehler zu.
19. August 1914. Die marokkanische Negierung stellt dem deutschen
und dem österreichischen Geschäftsträger seine Pässe zu und schafft sie mit
dem gesamten Personal der Gesandtschaft unter völliger Nichtachtung des
Völkerrechts gewaltsam an Bord des französischen Kreuzers „Cassard", der
sie nach Palermo bringt.
20. August 1914. Deutsche Scesoldatcn <das Skutari-Detachement)
nehmen an den Kämpfen an der boSnisch-serbischen Grenze bei Visegrad
erfolgreich teil.
22. August 1914. Osterreichische Kavallerie schlägt zwei russische
Kavallerie-Brigaden bei Tomaszow.
22. August 1914. Nördlich Metz hat der deutsche Kronprinz zu
beiden Seiten von Longwy vorgehend, den gegenüberstehenden Feind sieg¬
reich zurückgeworfen. Die Armee des Kronprinzen von Bayern erreicht die
Linie Luneville—Blamont und setzt die Verfolgung fort. Namur wird be¬
schossen.
22. August 1914. Seine Majestät der Kaiser hält im Großen
Hauptquartier eine Parade ab.
23. August 1914. Dem japanischen Geschäftsträger in Berlin
werden die Pässe zugestellt; der deutsche Botschafter in Tokio wird abberufen.
23. August 1914. Ministerpräsident Salcmdra betont, daß die
italienische Regierung fest entschlossen sei, die Politik der Neutralität weiter
zu verfolgen.
23. August 1914. Bei Neufchateau schlägt die Armee des Herzogs
Albrecht von Württemberg eine über den Scavis vorgedrungene französische

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[0354] Kriegstagebuch und Integrität gewährleistet, einzutreten bereit sind. GueSde und Sembat, aber auch Augagneur, Malvy, David und andere kennen keine Solidarität mit Zarismus und Moskowitertum. Ihr Eintritt ins Ministerium stützt also die Friedensaussichten, wenn dieser Friede ein solcher ist, wie ihn auch das deutsche Volk wünschen muh: ein Friede ohne Eroberung, ein Friede, der zur Verständigung mit dein französischen Volke führt. Dann hätte auch der Zarismus seine SchiedSrichterrolle für immer ausgespielt. Der Krieg ist mit der Parole für Freiheit und nationale Unabhängigkeit eröffnet worden. Gelänge eine Verständigung mit Frankreich, so wäre die Freiheit und Unabhängigkeit Polens und Finnlands gesichert, der Zarismus gebrochen, der europäische Frieden gewährleistet. Das muß aber auch das Ziel deutscher demokratischer Politik sein. Wir wollen abwarten, was die neue französische Regierung unternimmt, haben jedenfalls keine Veranlassung, den ersten Schritt zum Frieden zu tun. Wie sich die Dinge entwickelt haben, ist anzunehmen, daß wir zusammen mit Österreich- Ungarn allein imstande sind, die russische Regierung auf die Kniee zu zwingen. Jedenfalls würde jedes vorzeitige Entgegenkommen von unserer Seite die Friedensverhandlungen für unsere Diplomatie nur erschweren. Wer Frieden haben will, soll zu uns kommen, denen der Krieg aufgenötigt wurde. Nun wir aber einmal kämpfen, müssen zunächst alle die Fesseln gesprengt sein, die uns bisher bedrohten, ehe von Friede die Rede sein kann. Ob wir uns dann entschließen, mit einem so wankelmütigen und unzuverlässigen Volke wie die Franzosen es sind, grundlegende Verträge einzugehen, wird von den Sicher¬ G. Lleinow heiten abhängen, die die Franzosen uns geben. 14. August 1914. Proklamation der russischen Regierung an die Polen; verspricht Befreiung der Polen, gesteht bisher begangene Fehler zu. 19. August 1914. Die marokkanische Negierung stellt dem deutschen und dem österreichischen Geschäftsträger seine Pässe zu und schafft sie mit dem gesamten Personal der Gesandtschaft unter völliger Nichtachtung des Völkerrechts gewaltsam an Bord des französischen Kreuzers „Cassard", der sie nach Palermo bringt. 20. August 1914. Deutsche Scesoldatcn <das Skutari-Detachement) nehmen an den Kämpfen an der boSnisch-serbischen Grenze bei Visegrad erfolgreich teil. 22. August 1914. Osterreichische Kavallerie schlägt zwei russische Kavallerie-Brigaden bei Tomaszow. 22. August 1914. Nördlich Metz hat der deutsche Kronprinz zu beiden Seiten von Longwy vorgehend, den gegenüberstehenden Feind sieg¬ reich zurückgeworfen. Die Armee des Kronprinzen von Bayern erreicht die Linie Luneville—Blamont und setzt die Verfolgung fort. Namur wird be¬ schossen. 22. August 1914. Seine Majestät der Kaiser hält im Großen Hauptquartier eine Parade ab. 23. August 1914. Dem japanischen Geschäftsträger in Berlin werden die Pässe zugestellt; der deutsche Botschafter in Tokio wird abberufen. 23. August 1914. Ministerpräsident Salcmdra betont, daß die italienische Regierung fest entschlossen sei, die Politik der Neutralität weiter zu verfolgen. 23. August 1914. Bei Neufchateau schlägt die Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg eine über den Scavis vorgedrungene französische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/354>, abgerufen am 28.07.2024.