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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidignng

gegenüber, reichen sie aber trotzdem nicht aus, da die geringe Bevölkerungsstärke
und die schlechte Finanzlage die Heeresstärke ungünstig beeinflussen.

Die Einwohnerzahl des Commonwealth wird auf nur 5,3 Millionen ge¬
schätzt, von denen 4,7 Millionen Weiße sind. Neuseeland hat dagegen nur
1,05 Millionen Einwohner, darunter etwa nur eine Million Weiße. Bedenkt man,
daß der Flächeninhalt Australiens vier Fünftel desjenigen von Europa, und derjenige
Neuseelands die Hälfte des Flächeninhalts von Deutschland ist, so muß die geringe
Bevölkerungszahl geradezu lächerlich erscheinen. Trotz aller Bemühungen gelingt
es aber den Regierungen der beiden Dominien nicht, einen zahlreichen Aus¬
wandererstrom in diese menschenleeren Gebiete zu lenken, da das wirtschaftliche
Leben durch den sozialistischen Absolutismus eingeschnürt wird.

Noch weniger aber als die Arbeiter werden die Unternehmer angesichts
der nur für die Arbeiter zugeschnittenen Gesetzgebung angelockt. Ausländische
Kapitalisten legen daher nur ungern ihr Geld in australischen Unternehmungen
an, wie z. B. folgende Zahlen zeigen: Von den in den Jahren 1909 bis 1911
auf dem Londoner Geldmarkt erhobenen 128 20 Millionen Mark gingen nur
560 Millionen nach Australien, dagegen 2100 Millionen Mark nach Kanada,
das außerdem von anderen europäischen Gläubigern Geld erhält, während
Australien hauptsächlich auf England angewiesen ist. Letzteres bedarf aber
wegen seiner ungeheuren Schuldenlast dauernd fremden Kapitals.

Ungünstig für die Verteidigung des Commonwealth ist ferner der Umstand,
daß die Bevölkerung des Landes sich nur auf verhältnismäßig kleine Teile des
Landes zusammendrängt, während fast das ganze mittlere Australien und der
Norden noch unbesiedelt und unerschlossen sind. Solange das Nordterritorium
mit dem Süden nicht durch eine Überlandbahn verbunden ist, ist eine wirksame
Verteidigung dieses Gebietes gegen eine feindliche Landung überhaupt aus¬
geschlossen und selbst auch dann noch sehr erschwert, wenn eine solche Verbindung
hergestellt ist. Um große Truppenmassen auf einer durch wüstenartiges Gebiet
führenden Bahnlinie zu befördern, sie während des Transportes und nach der
Entladung zu verpflegen und gefechtsfähig zu erhalten, bedarf es besonders
kostspieliger, schon im Frieden vorzubereitender Anordnungen, die man in
Australien kaum erwarten darf.

Immerhin ist durch Umwandlung des Nordterritoriunis in Bundesgebiet
ein weiterer Schritt für das Zustandekommen dieser strategisch so wichtigen und von
Lord Kitchener so dringend empfohlenen Bahn getan worden.

Aber auch in den übrigen Teilen Australiens fehlt es, wie ein Blick auf
die Karte ohne weiteres zeigt, an Querverbindungen zu den von der Küste nach
dem Inneren verlaufenden Eisenbahnen. Diese Erscheinung ist hauptsächlich
darauf zurückzuführen, daß die verschiedenen Staaten des Commonwealth ihre
Bahnlinien ganz unabhängig voneinander und ohne die gegenseitigen Verbin¬
dungen zu beachten, anlegen. Aber selbst innerhalb der einzelnen Staaten sind
sie nicht systematisch nach einem bestimmten Plan, sondern lediglich den jeweiligen


Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidignng

gegenüber, reichen sie aber trotzdem nicht aus, da die geringe Bevölkerungsstärke
und die schlechte Finanzlage die Heeresstärke ungünstig beeinflussen.

Die Einwohnerzahl des Commonwealth wird auf nur 5,3 Millionen ge¬
schätzt, von denen 4,7 Millionen Weiße sind. Neuseeland hat dagegen nur
1,05 Millionen Einwohner, darunter etwa nur eine Million Weiße. Bedenkt man,
daß der Flächeninhalt Australiens vier Fünftel desjenigen von Europa, und derjenige
Neuseelands die Hälfte des Flächeninhalts von Deutschland ist, so muß die geringe
Bevölkerungszahl geradezu lächerlich erscheinen. Trotz aller Bemühungen gelingt
es aber den Regierungen der beiden Dominien nicht, einen zahlreichen Aus¬
wandererstrom in diese menschenleeren Gebiete zu lenken, da das wirtschaftliche
Leben durch den sozialistischen Absolutismus eingeschnürt wird.

Noch weniger aber als die Arbeiter werden die Unternehmer angesichts
der nur für die Arbeiter zugeschnittenen Gesetzgebung angelockt. Ausländische
Kapitalisten legen daher nur ungern ihr Geld in australischen Unternehmungen
an, wie z. B. folgende Zahlen zeigen: Von den in den Jahren 1909 bis 1911
auf dem Londoner Geldmarkt erhobenen 128 20 Millionen Mark gingen nur
560 Millionen nach Australien, dagegen 2100 Millionen Mark nach Kanada,
das außerdem von anderen europäischen Gläubigern Geld erhält, während
Australien hauptsächlich auf England angewiesen ist. Letzteres bedarf aber
wegen seiner ungeheuren Schuldenlast dauernd fremden Kapitals.

Ungünstig für die Verteidigung des Commonwealth ist ferner der Umstand,
daß die Bevölkerung des Landes sich nur auf verhältnismäßig kleine Teile des
Landes zusammendrängt, während fast das ganze mittlere Australien und der
Norden noch unbesiedelt und unerschlossen sind. Solange das Nordterritorium
mit dem Süden nicht durch eine Überlandbahn verbunden ist, ist eine wirksame
Verteidigung dieses Gebietes gegen eine feindliche Landung überhaupt aus¬
geschlossen und selbst auch dann noch sehr erschwert, wenn eine solche Verbindung
hergestellt ist. Um große Truppenmassen auf einer durch wüstenartiges Gebiet
führenden Bahnlinie zu befördern, sie während des Transportes und nach der
Entladung zu verpflegen und gefechtsfähig zu erhalten, bedarf es besonders
kostspieliger, schon im Frieden vorzubereitender Anordnungen, die man in
Australien kaum erwarten darf.

Immerhin ist durch Umwandlung des Nordterritoriunis in Bundesgebiet
ein weiterer Schritt für das Zustandekommen dieser strategisch so wichtigen und von
Lord Kitchener so dringend empfohlenen Bahn getan worden.

Aber auch in den übrigen Teilen Australiens fehlt es, wie ein Blick auf
die Karte ohne weiteres zeigt, an Querverbindungen zu den von der Küste nach
dem Inneren verlaufenden Eisenbahnen. Diese Erscheinung ist hauptsächlich
darauf zurückzuführen, daß die verschiedenen Staaten des Commonwealth ihre
Bahnlinien ganz unabhängig voneinander und ohne die gegenseitigen Verbin¬
dungen zu beachten, anlegen. Aber selbst innerhalb der einzelnen Staaten sind
sie nicht systematisch nach einem bestimmten Plan, sondern lediglich den jeweiligen


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[0216] Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidignng gegenüber, reichen sie aber trotzdem nicht aus, da die geringe Bevölkerungsstärke und die schlechte Finanzlage die Heeresstärke ungünstig beeinflussen. Die Einwohnerzahl des Commonwealth wird auf nur 5,3 Millionen ge¬ schätzt, von denen 4,7 Millionen Weiße sind. Neuseeland hat dagegen nur 1,05 Millionen Einwohner, darunter etwa nur eine Million Weiße. Bedenkt man, daß der Flächeninhalt Australiens vier Fünftel desjenigen von Europa, und derjenige Neuseelands die Hälfte des Flächeninhalts von Deutschland ist, so muß die geringe Bevölkerungszahl geradezu lächerlich erscheinen. Trotz aller Bemühungen gelingt es aber den Regierungen der beiden Dominien nicht, einen zahlreichen Aus¬ wandererstrom in diese menschenleeren Gebiete zu lenken, da das wirtschaftliche Leben durch den sozialistischen Absolutismus eingeschnürt wird. Noch weniger aber als die Arbeiter werden die Unternehmer angesichts der nur für die Arbeiter zugeschnittenen Gesetzgebung angelockt. Ausländische Kapitalisten legen daher nur ungern ihr Geld in australischen Unternehmungen an, wie z. B. folgende Zahlen zeigen: Von den in den Jahren 1909 bis 1911 auf dem Londoner Geldmarkt erhobenen 128 20 Millionen Mark gingen nur 560 Millionen nach Australien, dagegen 2100 Millionen Mark nach Kanada, das außerdem von anderen europäischen Gläubigern Geld erhält, während Australien hauptsächlich auf England angewiesen ist. Letzteres bedarf aber wegen seiner ungeheuren Schuldenlast dauernd fremden Kapitals. Ungünstig für die Verteidigung des Commonwealth ist ferner der Umstand, daß die Bevölkerung des Landes sich nur auf verhältnismäßig kleine Teile des Landes zusammendrängt, während fast das ganze mittlere Australien und der Norden noch unbesiedelt und unerschlossen sind. Solange das Nordterritorium mit dem Süden nicht durch eine Überlandbahn verbunden ist, ist eine wirksame Verteidigung dieses Gebietes gegen eine feindliche Landung überhaupt aus¬ geschlossen und selbst auch dann noch sehr erschwert, wenn eine solche Verbindung hergestellt ist. Um große Truppenmassen auf einer durch wüstenartiges Gebiet führenden Bahnlinie zu befördern, sie während des Transportes und nach der Entladung zu verpflegen und gefechtsfähig zu erhalten, bedarf es besonders kostspieliger, schon im Frieden vorzubereitender Anordnungen, die man in Australien kaum erwarten darf. Immerhin ist durch Umwandlung des Nordterritoriunis in Bundesgebiet ein weiterer Schritt für das Zustandekommen dieser strategisch so wichtigen und von Lord Kitchener so dringend empfohlenen Bahn getan worden. Aber auch in den übrigen Teilen Australiens fehlt es, wie ein Blick auf die Karte ohne weiteres zeigt, an Querverbindungen zu den von der Küste nach dem Inneren verlaufenden Eisenbahnen. Diese Erscheinung ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die verschiedenen Staaten des Commonwealth ihre Bahnlinien ganz unabhängig voneinander und ohne die gegenseitigen Verbin¬ dungen zu beachten, anlegen. Aber selbst innerhalb der einzelnen Staaten sind sie nicht systematisch nach einem bestimmten Plan, sondern lediglich den jeweiligen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/216>, abgerufen am 01.09.2024.