Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] mählich ein volkswirtschaftliches Übel zu be¬ DaS letzte hat seine Bedeutung nicht nur Dasz ferner auch die Enteignung auf die Auf die Notwendigkeit, sie durch ein Vor¬ ist nicht zu ersehen, was beim freihändigen Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß Sollte der Gedanke, den ich hier, von Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] mählich ein volkswirtschaftliches Übel zu be¬ DaS letzte hat seine Bedeutung nicht nur Dasz ferner auch die Enteignung auf die Auf die Notwendigkeit, sie durch ein Vor¬ ist nicht zu ersehen, was beim freihändigen Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß Sollte der Gedanke, den ich hier, von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328888"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_471" prev="#ID_470"> mählich ein volkswirtschaftliches Übel zu be¬<lb/> seitigen, sondern auch die Beträge zu ge¬<lb/> winnen, die ihm gebühren, und Grund und<lb/> Boden zum wahren Werte zu erwerben.</p> <p xml:id="ID_472"> DaS letzte hat seine Bedeutung nicht nur<lb/> für die Städte, sondern namentlich auch für<lb/> die innere Kolonisation. Die Berechtigung<lb/> des Staates, bei Zwangsversteigerungen an-<lb/> zubieten, führt leicht zu einer unangebrachter<lb/> Preissteigerung und ist wegen der Schwer¬<lb/> fälligkeit des Apparates in den seltensten Fällen<lb/> praktisch.</p> <p xml:id="ID_473"> Dasz ferner auch die Enteignung auf die<lb/> Dauer den Aufgaben der inneren Koloni¬<lb/> sation nicht gerecht zu werden vermag, braucht<lb/> den Lesern der Grenzboten nicht näher dar¬<lb/> gelegt zu werden. Sie ist und bleibt nur<lb/> für Ausnahmefälle anwendbar und wirkt<lb/> unter allen Umständen Politisch ungünstig.</p> <p xml:id="ID_474" next="#ID_475"> Auf die Notwendigkeit, sie durch ein Vor¬<lb/> kaufsrecht zu ersetzen, ist auch von anderer<lb/> Seite hingewiesen worden, vom Senatspräsi¬<lb/> denten Flügge im Tag. Sein Vorschlag geht<lb/> dahin, dem Staate ein ganz allgemeines<lb/> Vorkaufsrecht — also auch bei freiwilligen<lb/> Verkäufen — einzuräumen, und zwar nicht<lb/> zu dem vom Käufer gebotenen Preise, sondern<lb/> zum gemeinen Wert. Es soll nicht verkannt<lb/> werden, daß damit ein Mittel gewonnen<lb/> würde, das für die Zwecke der inneren Kolo¬<lb/> nisation von weitergehender Wirkung sein<lb/> würde als das von mir vorgeschlagene. Auf<lb/> der anderen Seite stehen ihm aber doch<lb/> schwere Bedenken entgegen: der Herr Ver¬<lb/> fasser will es selbst nur auf landwirtschaft¬<lb/> lich genutzte Grundstücke angewendet wissen.<lb/> Es fehlt ihm also jede Bedeutung für die<lb/> Stadt. Seine Ausdehnung auf diese würde<lb/> eine solche Erschwerung des Handels be¬<lb/> deuten, daß auf irgendwelche Bereitwilligkeit<lb/> bei den Parlamenten nicht zu rechnen wäre.<lb/> Eine verschiedenartige Behandlung von Stadt<lb/> und Land wirkt ferner in politischer Be¬<lb/> ziehung niemals förderlich und ihre Durch¬<lb/> führung würde zu vielen verstimmend<lb/> wirkenden Prozessen führen, in denen die<lb/> Entscheidung naturgemäß immer zu spät<lb/> kommen würde. Auch die Ermittlung des<lb/> gemeinen Wertes wird bei denen, die schon<lb/> hofften, teurer verkaufen zu können, selten<lb/> das Gefühl der Dankbarkeit erwecken. Endlich</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_475" prev="#ID_474"> ist nicht zu ersehen, was beim freihändigen<lb/> Verkaufe aus den HyPothekengläubigern werden<lb/> soll, wenn der gemeine Wert niedriger ist als<lb/> die Belastung.</p> <p xml:id="ID_476"> Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß<lb/> der hier vertretene Vorschlag den Vorzug<lb/> verdient. Bei seiner näheren Ausgestaltung<lb/> wird sich noch manche Frage ergeben, über<lb/> die sich streiten läßt. Einige wenige An¬<lb/> deutungen möchte ich nur noch geben, wie<lb/> ich mir die Sache denke: vor der Anberau¬<lb/> mung eines jeden Versteigerungstermins gibt<lb/> der Richter der zuständigen Behörde Nach¬<lb/> richt, so daß diese sich schon ein Bild von dem<lb/> Werte des Grundstücks machen und, wenn sie<lb/> dann das Höchstgebot erfährt, sofort sich über<lb/> den Eintritt erklären kann. Um diesem Er¬<lb/> fordernis gerecht werden zu können, nutz<lb/> eine Lokalbehörde zuständig und es muß eine<lb/> gewisse Summe verfügbar sein. Die ver¬<lb/> schiedenartigen Zwecke, die mein Vorschlag<lb/> verfolgt, lassen vielleicht nicht überall dieselbe<lb/> Instanz als geeignet erscheinen. Bald ist es<lb/> ein weiterer, bald ein engerer .Kreis von<lb/> Personen, der ein Interesse an dem Erwerbe<lb/> des Grundstücks durch den Staat hat. Dem<lb/> läßt sich auf zweierlei Weise Rechnung<lb/> tragen: entweder das Eintrittsrecht wird dem<lb/> Reiche, dem Staate und dem Kommunal¬<lb/> verbände nebeneinander verliehen, dergestalt,<lb/> daß sie, wo sie miteinander konkurrieren, in<lb/> der genannten Reihenfolge einander vorgehen,<lb/> oder auch das Recht wird dem Staate ver¬<lb/> liehen mit der Berechtigung, es für gewisse<lb/> Bezirke auf andere Körperschaften widerruflich<lb/> zu übertragen.</p> <p xml:id="ID_477"> Sollte der Gedanke, den ich hier, von<lb/> anderer Seite angeregt, veröffentlicht habe,<lb/> Anklang finden, so wäre zu wünschen, daß<lb/> das Reich ihn zum Gesetz erhöbe, nicht ein<lb/> Bundesstaat. Die Einheit des Reiches er¬<lb/> fordert es, daß eine so einschneidende Be¬<lb/> stimmung für alle Deutschen gleich sei, auch<lb/> wenn verfassungsmäßig die Möglichkeit eines<lb/> Partikulargesetzes gegeben und die Aussicht<lb/> auf Annahme im Preußischen Landtage<lb/> vielleicht größer wäre als im Reichstage.<lb/> Daneben würde den Bundesstcmien ein<lb/> breiter Raum für den Erlaß von AuSfüh-<lb/> rungsbestimmungcn verbleiben müssen.</p> <note type="byline"> Dr. Schäfer</note> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
mählich ein volkswirtschaftliches Übel zu be¬
seitigen, sondern auch die Beträge zu ge¬
winnen, die ihm gebühren, und Grund und
Boden zum wahren Werte zu erwerben.
DaS letzte hat seine Bedeutung nicht nur
für die Städte, sondern namentlich auch für
die innere Kolonisation. Die Berechtigung
des Staates, bei Zwangsversteigerungen an-
zubieten, führt leicht zu einer unangebrachter
Preissteigerung und ist wegen der Schwer¬
fälligkeit des Apparates in den seltensten Fällen
praktisch.
Dasz ferner auch die Enteignung auf die
Dauer den Aufgaben der inneren Koloni¬
sation nicht gerecht zu werden vermag, braucht
den Lesern der Grenzboten nicht näher dar¬
gelegt zu werden. Sie ist und bleibt nur
für Ausnahmefälle anwendbar und wirkt
unter allen Umständen Politisch ungünstig.
Auf die Notwendigkeit, sie durch ein Vor¬
kaufsrecht zu ersetzen, ist auch von anderer
Seite hingewiesen worden, vom Senatspräsi¬
denten Flügge im Tag. Sein Vorschlag geht
dahin, dem Staate ein ganz allgemeines
Vorkaufsrecht — also auch bei freiwilligen
Verkäufen — einzuräumen, und zwar nicht
zu dem vom Käufer gebotenen Preise, sondern
zum gemeinen Wert. Es soll nicht verkannt
werden, daß damit ein Mittel gewonnen
würde, das für die Zwecke der inneren Kolo¬
nisation von weitergehender Wirkung sein
würde als das von mir vorgeschlagene. Auf
der anderen Seite stehen ihm aber doch
schwere Bedenken entgegen: der Herr Ver¬
fasser will es selbst nur auf landwirtschaft¬
lich genutzte Grundstücke angewendet wissen.
Es fehlt ihm also jede Bedeutung für die
Stadt. Seine Ausdehnung auf diese würde
eine solche Erschwerung des Handels be¬
deuten, daß auf irgendwelche Bereitwilligkeit
bei den Parlamenten nicht zu rechnen wäre.
Eine verschiedenartige Behandlung von Stadt
und Land wirkt ferner in politischer Be¬
ziehung niemals förderlich und ihre Durch¬
führung würde zu vielen verstimmend
wirkenden Prozessen führen, in denen die
Entscheidung naturgemäß immer zu spät
kommen würde. Auch die Ermittlung des
gemeinen Wertes wird bei denen, die schon
hofften, teurer verkaufen zu können, selten
das Gefühl der Dankbarkeit erwecken. Endlich
ist nicht zu ersehen, was beim freihändigen
Verkaufe aus den HyPothekengläubigern werden
soll, wenn der gemeine Wert niedriger ist als
die Belastung.
Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß
der hier vertretene Vorschlag den Vorzug
verdient. Bei seiner näheren Ausgestaltung
wird sich noch manche Frage ergeben, über
die sich streiten läßt. Einige wenige An¬
deutungen möchte ich nur noch geben, wie
ich mir die Sache denke: vor der Anberau¬
mung eines jeden Versteigerungstermins gibt
der Richter der zuständigen Behörde Nach¬
richt, so daß diese sich schon ein Bild von dem
Werte des Grundstücks machen und, wenn sie
dann das Höchstgebot erfährt, sofort sich über
den Eintritt erklären kann. Um diesem Er¬
fordernis gerecht werden zu können, nutz
eine Lokalbehörde zuständig und es muß eine
gewisse Summe verfügbar sein. Die ver¬
schiedenartigen Zwecke, die mein Vorschlag
verfolgt, lassen vielleicht nicht überall dieselbe
Instanz als geeignet erscheinen. Bald ist es
ein weiterer, bald ein engerer .Kreis von
Personen, der ein Interesse an dem Erwerbe
des Grundstücks durch den Staat hat. Dem
läßt sich auf zweierlei Weise Rechnung
tragen: entweder das Eintrittsrecht wird dem
Reiche, dem Staate und dem Kommunal¬
verbände nebeneinander verliehen, dergestalt,
daß sie, wo sie miteinander konkurrieren, in
der genannten Reihenfolge einander vorgehen,
oder auch das Recht wird dem Staate ver¬
liehen mit der Berechtigung, es für gewisse
Bezirke auf andere Körperschaften widerruflich
zu übertragen.
Sollte der Gedanke, den ich hier, von
anderer Seite angeregt, veröffentlicht habe,
Anklang finden, so wäre zu wünschen, daß
das Reich ihn zum Gesetz erhöbe, nicht ein
Bundesstaat. Die Einheit des Reiches er¬
fordert es, daß eine so einschneidende Be¬
stimmung für alle Deutschen gleich sei, auch
wenn verfassungsmäßig die Möglichkeit eines
Partikulargesetzes gegeben und die Aussicht
auf Annahme im Preußischen Landtage
vielleicht größer wäre als im Reichstage.
Daneben würde den Bundesstcmien ein
breiter Raum für den Erlaß von AuSfüh-
rungsbestimmungcn verbleiben müssen.
Dr. Schäfer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |