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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

gerechnet) abwerfen. Die Erträge schwanken außerordentlich. Oftist die schlechteErnte
eines Jahres die Folge eines mangelhaften Pflückens des Vorjahres. Wenn
beim Pflücken die Knospen, die für das nächste Jahr bereits vorgebildet
sind, verletzt werden, ergibt sich daraus in vielen Fällen nachträglich
eine schlechte Ernte für das folgende Mal. Das schlechte Pflücken
wiederum steht außerordentlich oft in engstem Zusammenhang mit den Arbeiter¬
verhältnissen.

Die Arbeiterverhältnisse haben einen schweren Stoß erlitten durch die end¬
gültige Aufhebung der Skaverei. Gerade für die Pflege der Nelkeukultur, ins¬
besondere für das Nelkensammeln war diese von allergrößter Wichtigkeit. Die Er¬
trägnisse der Ernten von Sansibar und Pemba zusammen sind im Laufe der letzten
Jahre heruntergegangen. 190K ergab die Ernte 5,3 Millionen Rupien, 1907
fast 6 Millionen, 1908 dann aber nur 3,9 Millionen. 1909 4.9 Millionen,
1910 3,!-! Millionen Rupien. Dabei ist, da Sansibar auch dasür den Marktplatz
abgibt, die etwa von Ostafrika erfolgte Einfuhr mit eingerechnet, die z. B. im
Jahre 1910 sich auf etwa 1 Million Mark belaufen haben dürfte. Bemerkens¬
wert für den Handel der Gewürznelken in Europa ist besonders, daß der Ham¬
burger Markt für Gewürznelken bereits den Londoner zu überflügeln beginnt
und daß unter der wie erwähnt im wesentlichen von Ostafrika, Sansibar
und Pemba herrührenden Einfuhr ein großer Teil deutsch-ostafrikanischer
Herkunft ist.

Werfen wir nun rasch noch einen Überblick auf das, was wir als
Leistungen der Engländer auf der Insel zu verzeichnen haben, so sind das:
Übernahme und Neuanlage einer großen Zahl von Kulturen*) (der freilich
als Nachteil die schlechteren, durch Aushebung der Sklaverei entstandenen Arbeiter¬
verhältnisse entgegenstehen)- die vorzüglichen Straßen, die aber in erster Linie
den: Sultan, erst in zweiter Linie dein Verkehr dienen; drittens die Anlage der
großen Wasserleitung. Demgegenüber sind als Mängel zu verzeichnen: das,
nicht genügend verbotene, reichliche Baden in der Lagune unmittelbar bei
der Stadt; die Enge der Straßen im Eingeborenenviertel; die mangelnde
Anzeigepflicht -- wobei wohl auch die Verwendung indischer Beamten schuld hat
-- und die hieraus sich ergebende schwierige Gesundheitskontrolle für das gegen¬
überliegende Deutsch - Ostafrika.

Der Handel Sansibars hat mit den, Aufblühen der beiden deutschen Häfen
sichtlich abgenommen. Er kann niemals wieder die frühere Höhe erreichen.
Anderseits sind den deutschen Häfen durch die Existenz von Sansibar sowohl
Lasten erwachsen, die in Besonderheiten der dortigen Verwaltung (und zwar
entschieden solchen, die nicht gerade Vollkommenheiten sind) ihren Grund haben,
wie auch Hemmungen, eine herrschende Stellung an der Ostküste zu erreichen.



") Das Gouvernement ist nach gedruckten Mitteilungen durchaus bereit, Pflanzungen ab¬
zugeben, doch klagen Ansässige, daß daS Geschäftsverfahren dabei endlos sei.
Grenzboten II 1S14 5
Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

gerechnet) abwerfen. Die Erträge schwanken außerordentlich. Oftist die schlechteErnte
eines Jahres die Folge eines mangelhaften Pflückens des Vorjahres. Wenn
beim Pflücken die Knospen, die für das nächste Jahr bereits vorgebildet
sind, verletzt werden, ergibt sich daraus in vielen Fällen nachträglich
eine schlechte Ernte für das folgende Mal. Das schlechte Pflücken
wiederum steht außerordentlich oft in engstem Zusammenhang mit den Arbeiter¬
verhältnissen.

Die Arbeiterverhältnisse haben einen schweren Stoß erlitten durch die end¬
gültige Aufhebung der Skaverei. Gerade für die Pflege der Nelkeukultur, ins¬
besondere für das Nelkensammeln war diese von allergrößter Wichtigkeit. Die Er¬
trägnisse der Ernten von Sansibar und Pemba zusammen sind im Laufe der letzten
Jahre heruntergegangen. 190K ergab die Ernte 5,3 Millionen Rupien, 1907
fast 6 Millionen, 1908 dann aber nur 3,9 Millionen. 1909 4.9 Millionen,
1910 3,!-! Millionen Rupien. Dabei ist, da Sansibar auch dasür den Marktplatz
abgibt, die etwa von Ostafrika erfolgte Einfuhr mit eingerechnet, die z. B. im
Jahre 1910 sich auf etwa 1 Million Mark belaufen haben dürfte. Bemerkens¬
wert für den Handel der Gewürznelken in Europa ist besonders, daß der Ham¬
burger Markt für Gewürznelken bereits den Londoner zu überflügeln beginnt
und daß unter der wie erwähnt im wesentlichen von Ostafrika, Sansibar
und Pemba herrührenden Einfuhr ein großer Teil deutsch-ostafrikanischer
Herkunft ist.

Werfen wir nun rasch noch einen Überblick auf das, was wir als
Leistungen der Engländer auf der Insel zu verzeichnen haben, so sind das:
Übernahme und Neuanlage einer großen Zahl von Kulturen*) (der freilich
als Nachteil die schlechteren, durch Aushebung der Sklaverei entstandenen Arbeiter¬
verhältnisse entgegenstehen)- die vorzüglichen Straßen, die aber in erster Linie
den: Sultan, erst in zweiter Linie dein Verkehr dienen; drittens die Anlage der
großen Wasserleitung. Demgegenüber sind als Mängel zu verzeichnen: das,
nicht genügend verbotene, reichliche Baden in der Lagune unmittelbar bei
der Stadt; die Enge der Straßen im Eingeborenenviertel; die mangelnde
Anzeigepflicht — wobei wohl auch die Verwendung indischer Beamten schuld hat
— und die hieraus sich ergebende schwierige Gesundheitskontrolle für das gegen¬
überliegende Deutsch - Ostafrika.

Der Handel Sansibars hat mit den, Aufblühen der beiden deutschen Häfen
sichtlich abgenommen. Er kann niemals wieder die frühere Höhe erreichen.
Anderseits sind den deutschen Häfen durch die Existenz von Sansibar sowohl
Lasten erwachsen, die in Besonderheiten der dortigen Verwaltung (und zwar
entschieden solchen, die nicht gerade Vollkommenheiten sind) ihren Grund haben,
wie auch Hemmungen, eine herrschende Stellung an der Ostküste zu erreichen.



«) Das Gouvernement ist nach gedruckten Mitteilungen durchaus bereit, Pflanzungen ab¬
zugeben, doch klagen Ansässige, daß daS Geschäftsverfahren dabei endlos sei.
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[0077] Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung gerechnet) abwerfen. Die Erträge schwanken außerordentlich. Oftist die schlechteErnte eines Jahres die Folge eines mangelhaften Pflückens des Vorjahres. Wenn beim Pflücken die Knospen, die für das nächste Jahr bereits vorgebildet sind, verletzt werden, ergibt sich daraus in vielen Fällen nachträglich eine schlechte Ernte für das folgende Mal. Das schlechte Pflücken wiederum steht außerordentlich oft in engstem Zusammenhang mit den Arbeiter¬ verhältnissen. Die Arbeiterverhältnisse haben einen schweren Stoß erlitten durch die end¬ gültige Aufhebung der Skaverei. Gerade für die Pflege der Nelkeukultur, ins¬ besondere für das Nelkensammeln war diese von allergrößter Wichtigkeit. Die Er¬ trägnisse der Ernten von Sansibar und Pemba zusammen sind im Laufe der letzten Jahre heruntergegangen. 190K ergab die Ernte 5,3 Millionen Rupien, 1907 fast 6 Millionen, 1908 dann aber nur 3,9 Millionen. 1909 4.9 Millionen, 1910 3,!-! Millionen Rupien. Dabei ist, da Sansibar auch dasür den Marktplatz abgibt, die etwa von Ostafrika erfolgte Einfuhr mit eingerechnet, die z. B. im Jahre 1910 sich auf etwa 1 Million Mark belaufen haben dürfte. Bemerkens¬ wert für den Handel der Gewürznelken in Europa ist besonders, daß der Ham¬ burger Markt für Gewürznelken bereits den Londoner zu überflügeln beginnt und daß unter der wie erwähnt im wesentlichen von Ostafrika, Sansibar und Pemba herrührenden Einfuhr ein großer Teil deutsch-ostafrikanischer Herkunft ist. Werfen wir nun rasch noch einen Überblick auf das, was wir als Leistungen der Engländer auf der Insel zu verzeichnen haben, so sind das: Übernahme und Neuanlage einer großen Zahl von Kulturen*) (der freilich als Nachteil die schlechteren, durch Aushebung der Sklaverei entstandenen Arbeiter¬ verhältnisse entgegenstehen)- die vorzüglichen Straßen, die aber in erster Linie den: Sultan, erst in zweiter Linie dein Verkehr dienen; drittens die Anlage der großen Wasserleitung. Demgegenüber sind als Mängel zu verzeichnen: das, nicht genügend verbotene, reichliche Baden in der Lagune unmittelbar bei der Stadt; die Enge der Straßen im Eingeborenenviertel; die mangelnde Anzeigepflicht — wobei wohl auch die Verwendung indischer Beamten schuld hat — und die hieraus sich ergebende schwierige Gesundheitskontrolle für das gegen¬ überliegende Deutsch - Ostafrika. Der Handel Sansibars hat mit den, Aufblühen der beiden deutschen Häfen sichtlich abgenommen. Er kann niemals wieder die frühere Höhe erreichen. Anderseits sind den deutschen Häfen durch die Existenz von Sansibar sowohl Lasten erwachsen, die in Besonderheiten der dortigen Verwaltung (und zwar entschieden solchen, die nicht gerade Vollkommenheiten sind) ihren Grund haben, wie auch Hemmungen, eine herrschende Stellung an der Ostküste zu erreichen. «) Das Gouvernement ist nach gedruckten Mitteilungen durchaus bereit, Pflanzungen ab¬ zugeben, doch klagen Ansässige, daß daS Geschäftsverfahren dabei endlos sei. Grenzboten II 1S14 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/77>, abgerufen am 21.06.2024.