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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

darniederlag, Vermessungen vor, ohne indes die ernste Absicht der Engländer,
dort Fuß zu fassen, merkbar werden zu lassen, vielmehr, um lediglich die Wirk¬
samkeit des englischen Einflusses deutlich zu machen. Für Sansibar bekam er
vom Sultan von Maskat den Auftrag, den Einfluß seiner Herrschaft in Pemba
und an der Küste wieder zur Geltung zu bringen. Das geschah 1824 in der
Form, daß Pemba, Sansibar und die Küste zwischen Malindi und Pangani
unter britischen Schutz gestellt wurden, doch als ein Teil des Reiches von Oman.
Nur zugunsten der Ostindischen Kompagnie, die einen starken Handel von jenen
Gegenden aus trieb, zog sich dann später das englische Interesse zurück und es
begann nun wieder eine Zeit der Alleinherrschaft der Araber im tropischen
Ostafrika. Zu höchster Macht gedieh diese im Jahre 1840, in dem Said ben
Sultan. Fürst von Maskat (1806 bis 18S6), seine Residenz nach Sansibar
verlegte. Jetzt konnte die Insel und die durch ihn zur Blüte gebrachte Stadt
in ganzer Ausnützung ihrer günstigen Lage in vollem Maße das werden, was
sie schon lange Zeit zu sein begonnen hatte: ein Mittelpunkt des ostafrikanischen
Handels, ein Welthandelsplatz, ein Durchgangshafen für den gesamten an der
ostafrikanischen Küste oder nach Indien sich hinaufziehenden Verkehr. Nunmehr
wurde Ostafrika wirklich völlig von Sansibar aus in Besitz genommen. Die
Kenntnisse vom Innern, auch dem des heutigen Deutsch-Ostafrikas, kamen über
Sansebar zuerst zu uns, waren doch die arabischen Händler, deren Einfluß bis
an die ostafrikanischen Seen reichte, zugleich Forscher. Nach dem Tode des
Herrschers ini Jahre 1856 teilten seine Söhne sich das Reich von Oman, und
nun wurde Sansibar mit einem Teil der Ostküste selbständiges Gebiet unter
Sultanen, die als eine eigene Linie bis heute herrschen. Die Handelsbeziehungen
Sansibars zu England und Britisch - Indien nahmen allmählich eine neue und
festere Gestalt an. Zwar war bereits im Jahre 1839 ein besonderer Handels¬
vertrag mit England zustande gekommen, aber es wurden nun für eine gewisse
Zwischenzeit auch französische Einflüsse ans der Insel mächtig. 1862 schlössen
die beiden rivalisierenden Mächte, England und Frankreich, einen Vertrag, in
dem sie sich gegenseitig die Unabhängigkeit Sansibars verbürgten. Das gute
Verhältnis trübte sich aber, als die Engländer auf Abschaffung des Sklaven¬
handels drangen, Frankreich indessen dem diesem widerstrebenden Sultan in
seinen Absichten Vorschub leistete. Beruhte ja doch tatsächlich in der damaligen
Zeit ein ganz wesentlicher Teil des Handels von Sansibar nach der Ostküste
Afrikas eben auf dem Menschenhandel. Diese Umstände ebneten nun einer
Annäherung des Sultanats an Frankreich immer mehr die Wege, und im
Jahre 1872 wäre zweifellos Sansibar bereit gewesen, sich ganz unter fran¬
zösischen Schutz zu stellen, wenn nicht gerade im selben Jahre, nach Beendigung
des deutsch-französischen Krieges, Frankreich außerstande gewesen wäre, die daraus
möglicherweise folgenden politischen Verwicklungen auf sich zu nehmen. So
geschah es, daß England und seinen Absichten nunmehr durchdrang, daß der
Sultan zur Abschaffung des Sklavenhandels veranlaßt wurde. Mit dem Jahre


Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

darniederlag, Vermessungen vor, ohne indes die ernste Absicht der Engländer,
dort Fuß zu fassen, merkbar werden zu lassen, vielmehr, um lediglich die Wirk¬
samkeit des englischen Einflusses deutlich zu machen. Für Sansibar bekam er
vom Sultan von Maskat den Auftrag, den Einfluß seiner Herrschaft in Pemba
und an der Küste wieder zur Geltung zu bringen. Das geschah 1824 in der
Form, daß Pemba, Sansibar und die Küste zwischen Malindi und Pangani
unter britischen Schutz gestellt wurden, doch als ein Teil des Reiches von Oman.
Nur zugunsten der Ostindischen Kompagnie, die einen starken Handel von jenen
Gegenden aus trieb, zog sich dann später das englische Interesse zurück und es
begann nun wieder eine Zeit der Alleinherrschaft der Araber im tropischen
Ostafrika. Zu höchster Macht gedieh diese im Jahre 1840, in dem Said ben
Sultan. Fürst von Maskat (1806 bis 18S6), seine Residenz nach Sansibar
verlegte. Jetzt konnte die Insel und die durch ihn zur Blüte gebrachte Stadt
in ganzer Ausnützung ihrer günstigen Lage in vollem Maße das werden, was
sie schon lange Zeit zu sein begonnen hatte: ein Mittelpunkt des ostafrikanischen
Handels, ein Welthandelsplatz, ein Durchgangshafen für den gesamten an der
ostafrikanischen Küste oder nach Indien sich hinaufziehenden Verkehr. Nunmehr
wurde Ostafrika wirklich völlig von Sansibar aus in Besitz genommen. Die
Kenntnisse vom Innern, auch dem des heutigen Deutsch-Ostafrikas, kamen über
Sansebar zuerst zu uns, waren doch die arabischen Händler, deren Einfluß bis
an die ostafrikanischen Seen reichte, zugleich Forscher. Nach dem Tode des
Herrschers ini Jahre 1856 teilten seine Söhne sich das Reich von Oman, und
nun wurde Sansibar mit einem Teil der Ostküste selbständiges Gebiet unter
Sultanen, die als eine eigene Linie bis heute herrschen. Die Handelsbeziehungen
Sansibars zu England und Britisch - Indien nahmen allmählich eine neue und
festere Gestalt an. Zwar war bereits im Jahre 1839 ein besonderer Handels¬
vertrag mit England zustande gekommen, aber es wurden nun für eine gewisse
Zwischenzeit auch französische Einflüsse ans der Insel mächtig. 1862 schlössen
die beiden rivalisierenden Mächte, England und Frankreich, einen Vertrag, in
dem sie sich gegenseitig die Unabhängigkeit Sansibars verbürgten. Das gute
Verhältnis trübte sich aber, als die Engländer auf Abschaffung des Sklaven¬
handels drangen, Frankreich indessen dem diesem widerstrebenden Sultan in
seinen Absichten Vorschub leistete. Beruhte ja doch tatsächlich in der damaligen
Zeit ein ganz wesentlicher Teil des Handels von Sansibar nach der Ostküste
Afrikas eben auf dem Menschenhandel. Diese Umstände ebneten nun einer
Annäherung des Sultanats an Frankreich immer mehr die Wege, und im
Jahre 1872 wäre zweifellos Sansibar bereit gewesen, sich ganz unter fran¬
zösischen Schutz zu stellen, wenn nicht gerade im selben Jahre, nach Beendigung
des deutsch-französischen Krieges, Frankreich außerstande gewesen wäre, die daraus
möglicherweise folgenden politischen Verwicklungen auf sich zu nehmen. So
geschah es, daß England und seinen Absichten nunmehr durchdrang, daß der
Sultan zur Abschaffung des Sklavenhandels veranlaßt wurde. Mit dem Jahre


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[0072] Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung darniederlag, Vermessungen vor, ohne indes die ernste Absicht der Engländer, dort Fuß zu fassen, merkbar werden zu lassen, vielmehr, um lediglich die Wirk¬ samkeit des englischen Einflusses deutlich zu machen. Für Sansibar bekam er vom Sultan von Maskat den Auftrag, den Einfluß seiner Herrschaft in Pemba und an der Küste wieder zur Geltung zu bringen. Das geschah 1824 in der Form, daß Pemba, Sansibar und die Küste zwischen Malindi und Pangani unter britischen Schutz gestellt wurden, doch als ein Teil des Reiches von Oman. Nur zugunsten der Ostindischen Kompagnie, die einen starken Handel von jenen Gegenden aus trieb, zog sich dann später das englische Interesse zurück und es begann nun wieder eine Zeit der Alleinherrschaft der Araber im tropischen Ostafrika. Zu höchster Macht gedieh diese im Jahre 1840, in dem Said ben Sultan. Fürst von Maskat (1806 bis 18S6), seine Residenz nach Sansibar verlegte. Jetzt konnte die Insel und die durch ihn zur Blüte gebrachte Stadt in ganzer Ausnützung ihrer günstigen Lage in vollem Maße das werden, was sie schon lange Zeit zu sein begonnen hatte: ein Mittelpunkt des ostafrikanischen Handels, ein Welthandelsplatz, ein Durchgangshafen für den gesamten an der ostafrikanischen Küste oder nach Indien sich hinaufziehenden Verkehr. Nunmehr wurde Ostafrika wirklich völlig von Sansibar aus in Besitz genommen. Die Kenntnisse vom Innern, auch dem des heutigen Deutsch-Ostafrikas, kamen über Sansebar zuerst zu uns, waren doch die arabischen Händler, deren Einfluß bis an die ostafrikanischen Seen reichte, zugleich Forscher. Nach dem Tode des Herrschers ini Jahre 1856 teilten seine Söhne sich das Reich von Oman, und nun wurde Sansibar mit einem Teil der Ostküste selbständiges Gebiet unter Sultanen, die als eine eigene Linie bis heute herrschen. Die Handelsbeziehungen Sansibars zu England und Britisch - Indien nahmen allmählich eine neue und festere Gestalt an. Zwar war bereits im Jahre 1839 ein besonderer Handels¬ vertrag mit England zustande gekommen, aber es wurden nun für eine gewisse Zwischenzeit auch französische Einflüsse ans der Insel mächtig. 1862 schlössen die beiden rivalisierenden Mächte, England und Frankreich, einen Vertrag, in dem sie sich gegenseitig die Unabhängigkeit Sansibars verbürgten. Das gute Verhältnis trübte sich aber, als die Engländer auf Abschaffung des Sklaven¬ handels drangen, Frankreich indessen dem diesem widerstrebenden Sultan in seinen Absichten Vorschub leistete. Beruhte ja doch tatsächlich in der damaligen Zeit ein ganz wesentlicher Teil des Handels von Sansibar nach der Ostküste Afrikas eben auf dem Menschenhandel. Diese Umstände ebneten nun einer Annäherung des Sultanats an Frankreich immer mehr die Wege, und im Jahre 1872 wäre zweifellos Sansibar bereit gewesen, sich ganz unter fran¬ zösischen Schutz zu stellen, wenn nicht gerade im selben Jahre, nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges, Frankreich außerstande gewesen wäre, die daraus möglicherweise folgenden politischen Verwicklungen auf sich zu nehmen. So geschah es, daß England und seinen Absichten nunmehr durchdrang, daß der Sultan zur Abschaffung des Sklavenhandels veranlaßt wurde. Mit dem Jahre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/72>, abgerufen am 21.06.2024.