Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Böhme'riant Fortfortfort! Wege und Stege berußt! Kohlengruben und Schlot an Schlot! Was unter ihren Kesseln lobt. Wird nur zu Staub, um wieder Kohlen An eiserner Kette vom Schacht zu holen. Und was nicht zu Asche zerfällt, Drängt sich verzweifelt zur lichtern Welt, Kann nicht geschwind genug aus der Haft. Aber wo er befreit entquillt, Atmet der Rauch wie aus voller Brust, Bis er zu breiten Wolken schwillt: Raum, mehr Raum! -- Ach, die Brüder fraßen Schon die Sonne auf weiten Straßen! Raschraschrasch! Überall Arbeitsbienen! Wagen an Wagen reichlich beladen Mit schwarzen Demanten! Und rastlos rollen Weiber und Kinder die neuen vollen Lasten zu langen schweren Zügen. Weiter, nur weiter! Kein faules Genügen! Aschenhalden, halb rot, halb weiß, Rauchend und qualmend! Darüber Schienen! Und auf dem schmalen Wackelgleis Neue dürstende Massen! Schon balde Wachsen die Schienen auf wachsender Halde, Und der Himmel über den stinkenden Schwaden Hat in den Augen roten Brand. Langsamer! Felsen und Lehm! Baldbald Machen wir Halt, machen wir Halt! Abgegrabene Hügel! Wald! Graue und grüne behelmte Matten Steigen zur blauen Kuppel auf Über die Türme verschleierter Fernen. Windschiefe Zäune, Mietskasernen, Bleichende Wäsche! Der Gestank Rauchgeschwängerter Eisenhallen. "Packträger!" Klirrende Bremsen fallen: "Aussteigen! Karlsbad!" "Gott sei Dank!" Böhme'riant Fortfortfort! Wege und Stege berußt! Kohlengruben und Schlot an Schlot! Was unter ihren Kesseln lobt. Wird nur zu Staub, um wieder Kohlen An eiserner Kette vom Schacht zu holen. Und was nicht zu Asche zerfällt, Drängt sich verzweifelt zur lichtern Welt, Kann nicht geschwind genug aus der Haft. Aber wo er befreit entquillt, Atmet der Rauch wie aus voller Brust, Bis er zu breiten Wolken schwillt: Raum, mehr Raum! — Ach, die Brüder fraßen Schon die Sonne auf weiten Straßen! Raschraschrasch! Überall Arbeitsbienen! Wagen an Wagen reichlich beladen Mit schwarzen Demanten! Und rastlos rollen Weiber und Kinder die neuen vollen Lasten zu langen schweren Zügen. Weiter, nur weiter! Kein faules Genügen! Aschenhalden, halb rot, halb weiß, Rauchend und qualmend! Darüber Schienen! Und auf dem schmalen Wackelgleis Neue dürstende Massen! Schon balde Wachsen die Schienen auf wachsender Halde, Und der Himmel über den stinkenden Schwaden Hat in den Augen roten Brand. Langsamer! Felsen und Lehm! Baldbald Machen wir Halt, machen wir Halt! Abgegrabene Hügel! Wald! Graue und grüne behelmte Matten Steigen zur blauen Kuppel auf Über die Türme verschleierter Fernen. Windschiefe Zäune, Mietskasernen, Bleichende Wäsche! Der Gestank Rauchgeschwängerter Eisenhallen. „Packträger!" Klirrende Bremsen fallen: „Aussteigen! 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Böhme'riant
Fortfortfort!
Wege und Stege berußt!
Kohlengruben und Schlot an Schlot!
Was unter ihren Kesseln lobt.
Wird nur zu Staub, um wieder Kohlen
An eiserner Kette vom Schacht zu holen.
Und was nicht zu Asche zerfällt,
Drängt sich verzweifelt zur lichtern Welt,
Kann nicht geschwind genug aus der Haft.
Aber wo er befreit entquillt,
Atmet der Rauch wie aus voller Brust,
Bis er zu breiten Wolken schwillt:
Raum, mehr Raum! — Ach, die Brüder fraßen
Schon die Sonne auf weiten Straßen!
Raschraschrasch!
Überall Arbeitsbienen!
Wagen an Wagen reichlich beladen
Mit schwarzen Demanten! Und rastlos rollen
Weiber und Kinder die neuen vollen
Lasten zu langen schweren Zügen.
Weiter, nur weiter! Kein faules Genügen!
Aschenhalden, halb rot, halb weiß,
Rauchend und qualmend! Darüber Schienen!
Und auf dem schmalen Wackelgleis
Neue dürstende Massen! Schon balde
Wachsen die Schienen auf wachsender Halde,
Und der Himmel über den stinkenden Schwaden
Hat in den Augen roten Brand.
Langsamer!
Felsen und Lehm! Baldbald
Machen wir Halt, machen wir Halt!
Abgegrabene Hügel! Wald!
Graue und grüne behelmte Matten
Steigen zur blauen Kuppel auf
Über die Türme verschleierter Fernen.
Windschiefe Zäune, Mietskasernen,
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