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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Ilmßgcbliches und Unmaßgebliches

Gesetzgebertätigkeit wird aber mit der Gleich¬
setzung der Wirkungen verschiedenartiger
Gesetze und Rechtsprechung verschiedener
Länder auf die Dauer ebensowenig arbeiten
können, als mit einer unrichtigen Darstellung
und einer bedenklichen Beeinflussung unseres
geltenden Rechtes und der Rechtsprechung.

Lothringens in den Jahren 1814 und 1815.

Straßburg 1914. Preis 1V Mark. XV
und 232 S.). Das Buch ist ernste, historische
Arbeit, aufgebaut auf außerordentlich umfang¬
reichen Studium von gedruckten und nrchi-
valiscbem Material. Aber es ist nichts weniger
als trocken geschrieben und kann zur Lektüre
jedem empfohlen werden, der aus den
Kämpfen der Gegenwart ein berechtigtes
Interesse für das Reichsland gewonnen hat.
Er wird dabei die überraschende Entdeckung
machen, daß, was die vnlkerschaftlichen Be¬
ziehungen anlangt, zwischen damals und heute
viel Ähnlichkeit besteht. Freilich liegen die
staatlichen Verhältnisse in der Gegenwart ganz
anders, und was uni 1800 eine wirkliche
Tatsache war, nämlich, daß das Elsaß von
einer Vereinigung mit Deutschland nichts
wissen wollte, ist um 1900 eine, aus kleinen
Ursachen, die nichts weniger denn allgemein
charakteristisch sind, konstruierte "Tatsache"").
Niemand darf es den Elsaß-Lothringern
zur Zeit der Befreiungskriege verübeln,
daß sie treu um Frankreich festhielten.
Der durch das Genie Napoleons ge¬
schaffene glänzende Aufstieg Frankreichs war
vom Elsaß als Teil dieses einigen, fest-
gegründeten Staates miterlebt worden. Kein
Wunder, daß man sich bedankte zum Mutter¬
lande zurückzukehren, das in Partikularistischer
Zerrissenheit recht zweifelhafte Garantien für
die Zukunft bot. Und dann: weshalb forderte
man daS Elsaß zurück? Es war nur einer,
dem der ideelle Gedanke der Stammes¬
zugehörigkeit und Sprachgleichheit die Haupt¬
sache war: Ernst Moritz Arndt. Und auch
ihm, wie all denen, die ihm nahestanden,
vermischten sich deutsch-patriotische Wünsche
mit oft recht phantastischen Ideen**), die den

Wenn daher angesichts der neuerlichen
Vorkommnisse und Verhandlungen ein Satz
begründet ist, dann ist es der, das; jene
traurigen Fälle nicht das Recht geben, phari¬
säerhaft über Ehrenmänner den Stab zu
brechen, die in schwersten Gewissenkonfliklen
das geschriebene Juristenrecht verletzen, son¬
dern daß diese Ereignisse an die dringliche
Pflicht mahnen, die Ursachen derartiger Kon¬
flikte im Gesetze, die Antinomie, die im
Gesetze selbst infolge des mangelnden Ehren-
schuyeS vorhanden ist, endlich zu beseitigen,

Der an sich einen Fortschritt wohl be¬
deutende Antrag der Duellkommission auf
gerechte schärfere Bestrafung des freventlichen
Ehrverletzers und Duellveranlnssers entspricht
dieser cle leZe kersncia in erster Linie stehen¬
den Forderung nicht, da der Antrag grund¬
sätzlich den Ausbau der Duellselbsthilfenormen
und daher mittelbar eine weitere gesetzliche
Anerkennung der durch freventliche Hand¬
lung veranlaßten Duellselbsthilfe enthält.


Junius
Politik
Elsaß-Lothringen und das Deutsche Reich

vor hundert Indra".

Es ist leicht begreiflich,

daß wir heute im dankbaren Gliicksgefühl der
Folgen glorreicher Errungenschaften Anstand
nehmen, auch der Verlustkonten aus der Zeit
der Befreiungskriege zu gedenken. Und doch
steht aus diesem Konto ein Posten, der für
die Gegenwart von hoher Bedeutung ist, und
dessen genane Kenntnisnahme in mehrfacher
Richtung von Nutzen sein dürfte. Ich meine
das Diplomatenfinsko im ersten und zweiten
Pariser Frieden bezüglich der Annektivn Elsaß-
Lothringens durch Preußen - Deutschland.
Mit dieser Frage beschäftigt sich die neueste
Publikation der "Beiträge zur Landes- und
Volkeskunde von Elsaß-Lothringen und den




angrenzenden Gebieten" (


Dr. Robert Brendel,

Die Pläne einer Wiedergewinnung Elsaß-

") Ich erinnere um die "Elsaß-lothrin¬
gische Vereinigung", die so zielbewußt für den
Anschluß an Deutschland eintritt; ihre Mit¬
glieder sind überwiegend Elsässerl Und sie
hat seinerzeit mit einer Versammlung von
mehr als zweitausend Teilnehmern dem
Frcmzösling Wetters ein gründliches, ein¬
stimmiges Mißtrauensvotum zukommen lassen!
""
) So träumte Arndt von einem neuen
Ritterstaat an den Ufern des Rheins, der
Mosel und der Surr, dessen Zweck "Belebung
Ilmßgcbliches und Unmaßgebliches

Gesetzgebertätigkeit wird aber mit der Gleich¬
setzung der Wirkungen verschiedenartiger
Gesetze und Rechtsprechung verschiedener
Länder auf die Dauer ebensowenig arbeiten
können, als mit einer unrichtigen Darstellung
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Lothringens in den Jahren 1814 und 1815.

Straßburg 1914. Preis 1V Mark. XV
und 232 S.). Das Buch ist ernste, historische
Arbeit, aufgebaut auf außerordentlich umfang¬
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valiscbem Material. Aber es ist nichts weniger
als trocken geschrieben und kann zur Lektüre
jedem empfohlen werden, der aus den
Kämpfen der Gegenwart ein berechtigtes
Interesse für das Reichsland gewonnen hat.
Er wird dabei die überraschende Entdeckung
machen, daß, was die vnlkerschaftlichen Be¬
ziehungen anlangt, zwischen damals und heute
viel Ähnlichkeit besteht. Freilich liegen die
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anders, und was uni 1800 eine wirkliche
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wissen wollte, ist um 1900 eine, aus kleinen
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charakteristisch sind, konstruierte „Tatsache"").
Niemand darf es den Elsaß-Lothringern
zur Zeit der Befreiungskriege verübeln,
daß sie treu um Frankreich festhielten.
Der durch das Genie Napoleons ge¬
schaffene glänzende Aufstieg Frankreichs war
vom Elsaß als Teil dieses einigen, fest-
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lande zurückzukehren, das in Partikularistischer
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die Zukunft bot. Und dann: weshalb forderte
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dem der ideelle Gedanke der Stammes¬
zugehörigkeit und Sprachgleichheit die Haupt¬
sache war: Ernst Moritz Arndt. Und auch
ihm, wie all denen, die ihm nahestanden,
vermischten sich deutsch-patriotische Wünsche
mit oft recht phantastischen Ideen**), die den

Wenn daher angesichts der neuerlichen
Vorkommnisse und Verhandlungen ein Satz
begründet ist, dann ist es der, das; jene
traurigen Fälle nicht das Recht geben, phari¬
säerhaft über Ehrenmänner den Stab zu
brechen, die in schwersten Gewissenkonfliklen
das geschriebene Juristenrecht verletzen, son¬
dern daß diese Ereignisse an die dringliche
Pflicht mahnen, die Ursachen derartiger Kon¬
flikte im Gesetze, die Antinomie, die im
Gesetze selbst infolge des mangelnden Ehren-
schuyeS vorhanden ist, endlich zu beseitigen,

Der an sich einen Fortschritt wohl be¬
deutende Antrag der Duellkommission auf
gerechte schärfere Bestrafung des freventlichen
Ehrverletzers und Duellveranlnssers entspricht
dieser cle leZe kersncia in erster Linie stehen¬
den Forderung nicht, da der Antrag grund¬
sätzlich den Ausbau der Duellselbsthilfenormen
und daher mittelbar eine weitere gesetzliche
Anerkennung der durch freventliche Hand¬
lung veranlaßten Duellselbsthilfe enthält.


Junius
Politik
Elsaß-Lothringen und das Deutsche Reich

vor hundert Indra».

Es ist leicht begreiflich,

daß wir heute im dankbaren Gliicksgefühl der
Folgen glorreicher Errungenschaften Anstand
nehmen, auch der Verlustkonten aus der Zeit
der Befreiungskriege zu gedenken. Und doch
steht aus diesem Konto ein Posten, der für
die Gegenwart von hoher Bedeutung ist, und
dessen genane Kenntnisnahme in mehrfacher
Richtung von Nutzen sein dürfte. Ich meine
das Diplomatenfinsko im ersten und zweiten
Pariser Frieden bezüglich der Annektivn Elsaß-
Lothringens durch Preußen - Deutschland.
Mit dieser Frage beschäftigt sich die neueste
Publikation der „Beiträge zur Landes- und
Volkeskunde von Elsaß-Lothringen und den




angrenzenden Gebieten" (


Dr. Robert Brendel,

Die Pläne einer Wiedergewinnung Elsaß-

") Ich erinnere um die „Elsaß-lothrin¬
gische Vereinigung", die so zielbewußt für den
Anschluß an Deutschland eintritt; ihre Mit¬
glieder sind überwiegend Elsässerl Und sie
hat seinerzeit mit einer Versammlung von
mehr als zweitausend Teilnehmern dem
Frcmzösling Wetters ein gründliches, ein¬
stimmiges Mißtrauensvotum zukommen lassen!
""
) So träumte Arndt von einem neuen
Ritterstaat an den Ufern des Rheins, der
Mosel und der Surr, dessen Zweck „Belebung
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[0054] Ilmßgcbliches und Unmaßgebliches Gesetzgebertätigkeit wird aber mit der Gleich¬ setzung der Wirkungen verschiedenartiger Gesetze und Rechtsprechung verschiedener Länder auf die Dauer ebensowenig arbeiten können, als mit einer unrichtigen Darstellung und einer bedenklichen Beeinflussung unseres geltenden Rechtes und der Rechtsprechung. Lothringens in den Jahren 1814 und 1815. Straßburg 1914. Preis 1V Mark. XV und 232 S.). Das Buch ist ernste, historische Arbeit, aufgebaut auf außerordentlich umfang¬ reichen Studium von gedruckten und nrchi- valiscbem Material. Aber es ist nichts weniger als trocken geschrieben und kann zur Lektüre jedem empfohlen werden, der aus den Kämpfen der Gegenwart ein berechtigtes Interesse für das Reichsland gewonnen hat. Er wird dabei die überraschende Entdeckung machen, daß, was die vnlkerschaftlichen Be¬ ziehungen anlangt, zwischen damals und heute viel Ähnlichkeit besteht. Freilich liegen die staatlichen Verhältnisse in der Gegenwart ganz anders, und was uni 1800 eine wirkliche Tatsache war, nämlich, daß das Elsaß von einer Vereinigung mit Deutschland nichts wissen wollte, ist um 1900 eine, aus kleinen Ursachen, die nichts weniger denn allgemein charakteristisch sind, konstruierte „Tatsache""). Niemand darf es den Elsaß-Lothringern zur Zeit der Befreiungskriege verübeln, daß sie treu um Frankreich festhielten. Der durch das Genie Napoleons ge¬ schaffene glänzende Aufstieg Frankreichs war vom Elsaß als Teil dieses einigen, fest- gegründeten Staates miterlebt worden. Kein Wunder, daß man sich bedankte zum Mutter¬ lande zurückzukehren, das in Partikularistischer Zerrissenheit recht zweifelhafte Garantien für die Zukunft bot. Und dann: weshalb forderte man daS Elsaß zurück? Es war nur einer, dem der ideelle Gedanke der Stammes¬ zugehörigkeit und Sprachgleichheit die Haupt¬ sache war: Ernst Moritz Arndt. Und auch ihm, wie all denen, die ihm nahestanden, vermischten sich deutsch-patriotische Wünsche mit oft recht phantastischen Ideen**), die den Wenn daher angesichts der neuerlichen Vorkommnisse und Verhandlungen ein Satz begründet ist, dann ist es der, das; jene traurigen Fälle nicht das Recht geben, phari¬ säerhaft über Ehrenmänner den Stab zu brechen, die in schwersten Gewissenkonfliklen das geschriebene Juristenrecht verletzen, son¬ dern daß diese Ereignisse an die dringliche Pflicht mahnen, die Ursachen derartiger Kon¬ flikte im Gesetze, die Antinomie, die im Gesetze selbst infolge des mangelnden Ehren- schuyeS vorhanden ist, endlich zu beseitigen, Der an sich einen Fortschritt wohl be¬ deutende Antrag der Duellkommission auf gerechte schärfere Bestrafung des freventlichen Ehrverletzers und Duellveranlnssers entspricht dieser cle leZe kersncia in erster Linie stehen¬ den Forderung nicht, da der Antrag grund¬ sätzlich den Ausbau der Duellselbsthilfenormen und daher mittelbar eine weitere gesetzliche Anerkennung der durch freventliche Hand¬ lung veranlaßten Duellselbsthilfe enthält. Junius Politik Elsaß-Lothringen und das Deutsche Reich vor hundert Indra». Es ist leicht begreiflich, daß wir heute im dankbaren Gliicksgefühl der Folgen glorreicher Errungenschaften Anstand nehmen, auch der Verlustkonten aus der Zeit der Befreiungskriege zu gedenken. Und doch steht aus diesem Konto ein Posten, der für die Gegenwart von hoher Bedeutung ist, und dessen genane Kenntnisnahme in mehrfacher Richtung von Nutzen sein dürfte. Ich meine das Diplomatenfinsko im ersten und zweiten Pariser Frieden bezüglich der Annektivn Elsaß- Lothringens durch Preußen - Deutschland. Mit dieser Frage beschäftigt sich die neueste Publikation der „Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsaß-Lothringen und den angrenzenden Gebieten" ( Dr. Robert Brendel, Die Pläne einer Wiedergewinnung Elsaß- ") Ich erinnere um die „Elsaß-lothrin¬ gische Vereinigung", die so zielbewußt für den Anschluß an Deutschland eintritt; ihre Mit¬ glieder sind überwiegend Elsässerl Und sie hat seinerzeit mit einer Versammlung von mehr als zweitausend Teilnehmern dem Frcmzösling Wetters ein gründliches, ein¬ stimmiges Mißtrauensvotum zukommen lassen! "" ) So träumte Arndt von einem neuen Ritterstaat an den Ufern des Rheins, der Mosel und der Surr, dessen Zweck „Belebung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/54>, abgerufen am 21.06.2024.