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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Dann kommt der Schüler, der ein Meister
geworden ist, Guy de Maupassant. Er be¬
währt sich auch hier, als Psycholog, als Er¬
zähler, als Fachmann, kollegial eingeweiht in
alle Kunstgriffe und vor allein -- in die
Qualen des Schaffens. Denn dieses Schaffen
war Qual. Flaubert hat einmal acht Stun¬
den gebraucht, um fünf Seiten zu korrigieren,
und fünf Tage, um eine einzige zu schreiben.
Er ärgert sich über ein einziges schiefes Wort
mehr, als er sich über eine ganze gute Seite
freut, wirbt um ein schönes Adjektiv mit
allen Sehnsuchten eines verliebten Toren,
vermeidet dasselbe Wort auf derselben Seite,
und eine Wendung wie "sur les iiumicles
dorcls des ro^aunes ein vent" ist für ihn
nicht französisch, weil sie einen fil' doppelte"
Genitiv enthält.

[Spaltenumbruch]

Edmond und Jules de Goncourt treten
auf mit der Schilderung eines Besuches im
Landhause zu Croisset, und ihre geschulten
Jmpressionistencrugen haben das mit grellen
orientalischen Requisiten ausgestattete Gemach
gut festgehalten, in dem der Dichter mit
Salammbo rang.

Den Schluß macht Emile Zola mit einer
ein wenig elegischen Schilderung von Flau¬
berts Beerdigung, wie der dunkle Leichenzug
stundenlang durch das Grün der normannischen
Landschaft schwankt, die Stadt Rouen aber
teilnamslos bleibt bei der Bestattung ihres
größten Sohnes. Doch der Tote nimmt eine
sublime Rache: für diesen Riesen, von dem
Körperwuchse eines alten gallischen Kriegers,
hatte man das Grab zu klein gemacht. Es
war, als ob auch noch der tote Bourgeois-

[Ende Spaltensatz]



Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Dann kommt der Schüler, der ein Meister
geworden ist, Guy de Maupassant. Er be¬
währt sich auch hier, als Psycholog, als Er¬
zähler, als Fachmann, kollegial eingeweiht in
alle Kunstgriffe und vor allein — in die
Qualen des Schaffens. Denn dieses Schaffen
war Qual. Flaubert hat einmal acht Stun¬
den gebraucht, um fünf Seiten zu korrigieren,
und fünf Tage, um eine einzige zu schreiben.
Er ärgert sich über ein einziges schiefes Wort
mehr, als er sich über eine ganze gute Seite
freut, wirbt um ein schönes Adjektiv mit
allen Sehnsuchten eines verliebten Toren,
vermeidet dasselbe Wort auf derselben Seite,
und eine Wendung wie „sur les iiumicles
dorcls des ro^aunes ein vent" ist für ihn
nicht französisch, weil sie einen fil' doppelte»
Genitiv enthält.

[Spaltenumbruch]

Edmond und Jules de Goncourt treten
auf mit der Schilderung eines Besuches im
Landhause zu Croisset, und ihre geschulten
Jmpressionistencrugen haben das mit grellen
orientalischen Requisiten ausgestattete Gemach
gut festgehalten, in dem der Dichter mit
Salammbo rang.

Den Schluß macht Emile Zola mit einer
ein wenig elegischen Schilderung von Flau¬
berts Beerdigung, wie der dunkle Leichenzug
stundenlang durch das Grün der normannischen
Landschaft schwankt, die Stadt Rouen aber
teilnamslos bleibt bei der Bestattung ihres
größten Sohnes. Doch der Tote nimmt eine
sublime Rache: für diesen Riesen, von dem
Körperwuchse eines alten gallischen Kriegers,
hatte man das Grab zu klein gemacht. Es
war, als ob auch noch der tote Bourgeois-

[Ende Spaltensatz]



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[0443] Maßgebliches und Unmaßgebliches Dann kommt der Schüler, der ein Meister geworden ist, Guy de Maupassant. Er be¬ währt sich auch hier, als Psycholog, als Er¬ zähler, als Fachmann, kollegial eingeweiht in alle Kunstgriffe und vor allein — in die Qualen des Schaffens. Denn dieses Schaffen war Qual. Flaubert hat einmal acht Stun¬ den gebraucht, um fünf Seiten zu korrigieren, und fünf Tage, um eine einzige zu schreiben. Er ärgert sich über ein einziges schiefes Wort mehr, als er sich über eine ganze gute Seite freut, wirbt um ein schönes Adjektiv mit allen Sehnsuchten eines verliebten Toren, vermeidet dasselbe Wort auf derselben Seite, und eine Wendung wie „sur les iiumicles dorcls des ro^aunes ein vent" ist für ihn nicht französisch, weil sie einen fil' doppelte» Genitiv enthält. Edmond und Jules de Goncourt treten auf mit der Schilderung eines Besuches im Landhause zu Croisset, und ihre geschulten Jmpressionistencrugen haben das mit grellen orientalischen Requisiten ausgestattete Gemach gut festgehalten, in dem der Dichter mit Salammbo rang. Den Schluß macht Emile Zola mit einer ein wenig elegischen Schilderung von Flau¬ berts Beerdigung, wie der dunkle Leichenzug stundenlang durch das Grün der normannischen Landschaft schwankt, die Stadt Rouen aber teilnamslos bleibt bei der Bestattung ihres größten Sohnes. Doch der Tote nimmt eine sublime Rache: für diesen Riesen, von dem Körperwuchse eines alten gallischen Kriegers, hatte man das Grab zu klein gemacht. Es war, als ob auch noch der tote Bourgeois- [Abbildung]

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/443>, abgerufen am 04.07.2024.