Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Line Wanderung zur Gralsburg entziehen könnte und wir bei unserer Wanderung ins Land der Legende in Jetzt sahen wir sie ohne Bangen, denn wir sahen auch, daß sie nicht Eine Zahnradbahn sührt von hier ins Tal hinab und in anderthalb Je höher man steigt, um so weiter wird das Panorama. In breiten Immer näher, immer höher führte uns die gewundene Straße hinan an 18
Line Wanderung zur Gralsburg entziehen könnte und wir bei unserer Wanderung ins Land der Legende in Jetzt sahen wir sie ohne Bangen, denn wir sahen auch, daß sie nicht Eine Zahnradbahn sührt von hier ins Tal hinab und in anderthalb Je höher man steigt, um so weiter wird das Panorama. In breiten Immer näher, immer höher führte uns die gewundene Straße hinan an 18
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328387"/> <fw type="header" place="top"> Line Wanderung zur Gralsburg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1220" prev="#ID_1219"> entziehen könnte und wir bei unserer Wanderung ins Land der Legende in<lb/> düsteren Nebel gerieten. Die Furcht war unbegründet; je weiter uns der spanische<lb/> Frühzug ins Innere Kataloniens hineintrug, um so weiter erblaute der Himmel,<lb/> und zuletzt blieb nur eine einzige, mächtige, haltige und doch auch vielfach schon<lb/> zerrissene Wolke übrig, und je näher wir kamen, um so klarer wurde es uns:<lb/> sie umhüllt den Gipfel des Gralsberges.</p><lb/> <p xml:id="ID_1221"> Jetzt sahen wir sie ohne Bangen, denn wir sahen auch, daß sie nicht<lb/> dauern konnte; denn schon bot sich uns der seltsame Anblick, daß die riesen¬<lb/> hafte Felswand, deren steile, himmelanstrebende, turmartig zerklüftete Gebilde<lb/> überall hervortauchten aus dem weißen Gedünst, eben darum noch geheimnis¬<lb/> voller und unnahbarer erscheinend, und wir konnten schon begreifen, wie ein<lb/> solcher Anblick der Phantasie der Umwohnenden den Berg als etwas Über¬<lb/> irdisches und Mystisches erscheinen lassen mußte. Wie eine erhabene Kathedrale<lb/> über die Dächer und niederen Türme einer Stadt baut sich der gewaltige,<lb/> unendlich zerrissene Felsblock empor über dem mittleren Bergland Kataloniens,<lb/> allein von allen Gipfeln der Runde in den Wolken sich verlierend, und ein<lb/> wenig feierlich wurde es uns bereits zumute, als wir von der hochgelegenen<lb/> Bahnstation Montrisol aus über dem weiten Flußtal des Llobregat drüben die<lb/> bizarren Gipfelformen des Gebirgsstocks im Nebel mehr ahnten als genau<lb/> erblickten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1222"> Eine Zahnradbahn sührt von hier ins Tal hinab und in anderthalb<lb/> Stunden zum Kloster. Wir ließen sie fahren. „Ein rechter Gralspilger geht<lb/> zu Fuß," entschieden wir. So stiegen wir, immer den Montserrat vor Augen,<lb/> zunächst auf vielen Serpentinen hinab in das Tal des wasserarmen Flusses,<lb/> zwischen grauen, nur hier und dort von Ölbäumen spärlich bewunderten Fels¬<lb/> halden, dann entlang am Wasser, durch katalanische Dörfer über eine hohe<lb/> Brücke und dann erst begann der Aufstieg. Der Weg ist schattenlos, wie alle<lb/> Wege in Spanien, aber zuweilen löste sich eine Wolke vom Gipfel des Grals¬<lb/> berges und hemmte die Strahlen der Sonne, zugleich die Formen des Berges<lb/> immer deutlicher enthüllend. Wirklich, wie von Titanen aus ungeheueren<lb/> Blöcken erbaut, erhoben sich vor uns die Sandsteingebilde, manchmal wirklich<lb/> so rund, wie sonst nur die Menschenhand Steine formt, und mit vollem Rechte<lb/> die Bezeichnung „Türme" führend, die ihnen die Umwohner geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1223"> Je höher man steigt, um so weiter wird das Panorama. In breiten<lb/> Stufen und Böschungen hebt sich das Land vom Llobregat aus. In halber<lb/> Höhe zieht sich drüben die Bahn hin. Weiter hinaus, in lichtem Grau, über<lb/> das nur zuweilen tiefere Wolkenschatten zogen, Hügel um Hügel, Berg um<lb/> Berg, bis ganz im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen das<lb/> Bild umsäumen. Gerne nahmen wir um solchen Anblicks willen das bißchen<lb/> Sonnenglut in Kauf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1224" next="#ID_1225"> Immer näher, immer höher führte uns die gewundene Straße hinan an<lb/> die Türme des Gralsgebirgcs, so nahe, daß uns zuletzt die gewaltigen Wände<lb/> *</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 18</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0287]
Line Wanderung zur Gralsburg
entziehen könnte und wir bei unserer Wanderung ins Land der Legende in
düsteren Nebel gerieten. Die Furcht war unbegründet; je weiter uns der spanische
Frühzug ins Innere Kataloniens hineintrug, um so weiter erblaute der Himmel,
und zuletzt blieb nur eine einzige, mächtige, haltige und doch auch vielfach schon
zerrissene Wolke übrig, und je näher wir kamen, um so klarer wurde es uns:
sie umhüllt den Gipfel des Gralsberges.
Jetzt sahen wir sie ohne Bangen, denn wir sahen auch, daß sie nicht
dauern konnte; denn schon bot sich uns der seltsame Anblick, daß die riesen¬
hafte Felswand, deren steile, himmelanstrebende, turmartig zerklüftete Gebilde
überall hervortauchten aus dem weißen Gedünst, eben darum noch geheimnis¬
voller und unnahbarer erscheinend, und wir konnten schon begreifen, wie ein
solcher Anblick der Phantasie der Umwohnenden den Berg als etwas Über¬
irdisches und Mystisches erscheinen lassen mußte. Wie eine erhabene Kathedrale
über die Dächer und niederen Türme einer Stadt baut sich der gewaltige,
unendlich zerrissene Felsblock empor über dem mittleren Bergland Kataloniens,
allein von allen Gipfeln der Runde in den Wolken sich verlierend, und ein
wenig feierlich wurde es uns bereits zumute, als wir von der hochgelegenen
Bahnstation Montrisol aus über dem weiten Flußtal des Llobregat drüben die
bizarren Gipfelformen des Gebirgsstocks im Nebel mehr ahnten als genau
erblickten.
Eine Zahnradbahn sührt von hier ins Tal hinab und in anderthalb
Stunden zum Kloster. Wir ließen sie fahren. „Ein rechter Gralspilger geht
zu Fuß," entschieden wir. So stiegen wir, immer den Montserrat vor Augen,
zunächst auf vielen Serpentinen hinab in das Tal des wasserarmen Flusses,
zwischen grauen, nur hier und dort von Ölbäumen spärlich bewunderten Fels¬
halden, dann entlang am Wasser, durch katalanische Dörfer über eine hohe
Brücke und dann erst begann der Aufstieg. Der Weg ist schattenlos, wie alle
Wege in Spanien, aber zuweilen löste sich eine Wolke vom Gipfel des Grals¬
berges und hemmte die Strahlen der Sonne, zugleich die Formen des Berges
immer deutlicher enthüllend. Wirklich, wie von Titanen aus ungeheueren
Blöcken erbaut, erhoben sich vor uns die Sandsteingebilde, manchmal wirklich
so rund, wie sonst nur die Menschenhand Steine formt, und mit vollem Rechte
die Bezeichnung „Türme" führend, die ihnen die Umwohner geben.
Je höher man steigt, um so weiter wird das Panorama. In breiten
Stufen und Böschungen hebt sich das Land vom Llobregat aus. In halber
Höhe zieht sich drüben die Bahn hin. Weiter hinaus, in lichtem Grau, über
das nur zuweilen tiefere Wolkenschatten zogen, Hügel um Hügel, Berg um
Berg, bis ganz im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen das
Bild umsäumen. Gerne nahmen wir um solchen Anblicks willen das bißchen
Sonnenglut in Kauf.
Immer näher, immer höher führte uns die gewundene Straße hinan an
die Türme des Gralsgebirgcs, so nahe, daß uns zuletzt die gewaltigen Wände
*
18
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |