Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Dit' Mejikofrage Mexiko nachher, wie etwa der Insel Kuba, eine gewisse formale Selbständigkeit Dit' Mejikofrage Mexiko nachher, wie etwa der Insel Kuba, eine gewisse formale Selbständigkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328334"/> <fw type="header" place="top"> Dit' Mejikofrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_990" prev="#ID_989" next="#ID_991"> Mexiko nachher, wie etwa der Insel Kuba, eine gewisse formale Selbständigkeit<lb/> ließe oder nicht. Es mag sein, daß Wilson und ebenso Bryan die radikale<lb/> Methode, gewaltsame Eroberung des Landes, aufrichtig und aus Prinzip nicht<lb/> wollen, weil sie Kriegführen für unmoralisch halten und Gebietserwerb<lb/> ebenfalls. Wie diese beiden Männer und die sonst maßgebenden Politiker<lb/> und Militäre über die militärische Möglichkeit einer solchen Eroberung denken,<lb/> wissen wir nicht, das heißt, wie sie wirklich darüber denken. Öffentlich ist<lb/> schon unzählige Male von ihnen geschrieben worden: die Machtmittel der<lb/> Vereinigten Staaten seien so groß, daß die Eroberung Mexikos und die<lb/> Vernichtung jedes bewaffneten Widerstandes, auch der Räuberbanden usw.,<lb/> leicht und eine Sache kurzer Zeit sein würde. Die ganz Vorsichtigen gehen<lb/> soweit, zuzugeben: so einfach sei vielleicht das Unternehmen nicht, aber um<lb/> seine Schwierigkeiten zu ermessen, müsse man erst einmal anfangen, aus<lb/> etwaigen Mißerfolgen lernen und die Sache dann durchführen, einerlei, wie<lb/> lange es dauern möge. Daß die Vereinigten Staaten auf diesem letztgenannten<lb/> Wege schließlich zum Ziele gelangen würden, ist anzunehmen, denn Geld ist im<lb/> Überfluß vorhanden und Massen, die sich für einen Mexikokrieg anwerben<lb/> ließen, sicherlich auch genug. Aber — der Weg würde viel Zeit brauchen.<lb/> Während dieser Zeit wären die Vereinigten Staaten nach allen anderen Seiten<lb/> hin annähernd lahmgelegt und andere Mächte, in erster Linie wohl Japan,<lb/> würden ohne Zweifel die Gelegenheit benutzen, eigene Wünsche auf Kosten der<lb/> Vereinigten Staaten zu befriedigen. Das japanische Gespenst beunruhigt die<lb/> amerikanischen Politiker schon jetzt in hohem Grade; es hat tatsächlich den<lb/> Anschein, als ob man eine derartige Festlegung der Kräfte in Mexiko durch<lb/> einen mexikanischen Eroberungsfeldzug als eine Gefahr ernsten Charakters<lb/> betrachtet. Das ist freilich Sache persönlicher Ansicht, und es ließe sich wohl<lb/> denken, daß in Washington plötzlich Männer an das Ruder kämen, die<lb/> mit der ganzen amerikanischen Überschätzung der eigenen Machtmittel und<lb/> Kräfte daraufloshandeln würden. Irgendwelche Voraussagen sind also auch<lb/> hier unmöglich. Auf der anderen Seite wird die Beurteilung der Lage ganz<lb/> ungemein erschwert, ja beinahe unmöglich gemacht durch den Schleier, der über<lb/> den mexikanischen Verhältnissen liegt. Nicht nur ist man nicht darüber<lb/> unterrichtet, ob Huerta Truppen in genügender Menge wie in genügender<lb/> Qualität zur Verfügung stehe«, um wenigstens die Möglichkeit eines<lb/> Gelingens zu verbürgen, fondern auch über seine finanzielle Lage und deren<lb/> Aussichten, über seine persönliche Stellung und die seiner Regierung weiß man<lb/> seit Monaten nichts zuverlässiges, außer daß sie sich trotz aller gegenteiligen<lb/> Voraussagen amerikanischerseits immer noch gehalten haben. Unmöglich ist<lb/> ferner, zu beurteilen, wie sich die Lage gestalten würde, wenn die Vereinigten<lb/> Staaten sich trotz aller Grundsätze und Bedenken gezwungen sähen, Mexiko zu<lb/> erobern, oder, wenn man will, „militärisch zu durchdringen". Möglicherweise<lb/> würde dann die jetzige Nevolutionspartei sich gleich oder später ebenfalls gegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Dit' Mejikofrage
Mexiko nachher, wie etwa der Insel Kuba, eine gewisse formale Selbständigkeit
ließe oder nicht. Es mag sein, daß Wilson und ebenso Bryan die radikale
Methode, gewaltsame Eroberung des Landes, aufrichtig und aus Prinzip nicht
wollen, weil sie Kriegführen für unmoralisch halten und Gebietserwerb
ebenfalls. Wie diese beiden Männer und die sonst maßgebenden Politiker
und Militäre über die militärische Möglichkeit einer solchen Eroberung denken,
wissen wir nicht, das heißt, wie sie wirklich darüber denken. Öffentlich ist
schon unzählige Male von ihnen geschrieben worden: die Machtmittel der
Vereinigten Staaten seien so groß, daß die Eroberung Mexikos und die
Vernichtung jedes bewaffneten Widerstandes, auch der Räuberbanden usw.,
leicht und eine Sache kurzer Zeit sein würde. Die ganz Vorsichtigen gehen
soweit, zuzugeben: so einfach sei vielleicht das Unternehmen nicht, aber um
seine Schwierigkeiten zu ermessen, müsse man erst einmal anfangen, aus
etwaigen Mißerfolgen lernen und die Sache dann durchführen, einerlei, wie
lange es dauern möge. Daß die Vereinigten Staaten auf diesem letztgenannten
Wege schließlich zum Ziele gelangen würden, ist anzunehmen, denn Geld ist im
Überfluß vorhanden und Massen, die sich für einen Mexikokrieg anwerben
ließen, sicherlich auch genug. Aber — der Weg würde viel Zeit brauchen.
Während dieser Zeit wären die Vereinigten Staaten nach allen anderen Seiten
hin annähernd lahmgelegt und andere Mächte, in erster Linie wohl Japan,
würden ohne Zweifel die Gelegenheit benutzen, eigene Wünsche auf Kosten der
Vereinigten Staaten zu befriedigen. Das japanische Gespenst beunruhigt die
amerikanischen Politiker schon jetzt in hohem Grade; es hat tatsächlich den
Anschein, als ob man eine derartige Festlegung der Kräfte in Mexiko durch
einen mexikanischen Eroberungsfeldzug als eine Gefahr ernsten Charakters
betrachtet. Das ist freilich Sache persönlicher Ansicht, und es ließe sich wohl
denken, daß in Washington plötzlich Männer an das Ruder kämen, die
mit der ganzen amerikanischen Überschätzung der eigenen Machtmittel und
Kräfte daraufloshandeln würden. Irgendwelche Voraussagen sind also auch
hier unmöglich. Auf der anderen Seite wird die Beurteilung der Lage ganz
ungemein erschwert, ja beinahe unmöglich gemacht durch den Schleier, der über
den mexikanischen Verhältnissen liegt. Nicht nur ist man nicht darüber
unterrichtet, ob Huerta Truppen in genügender Menge wie in genügender
Qualität zur Verfügung stehe«, um wenigstens die Möglichkeit eines
Gelingens zu verbürgen, fondern auch über seine finanzielle Lage und deren
Aussichten, über seine persönliche Stellung und die seiner Regierung weiß man
seit Monaten nichts zuverlässiges, außer daß sie sich trotz aller gegenteiligen
Voraussagen amerikanischerseits immer noch gehalten haben. Unmöglich ist
ferner, zu beurteilen, wie sich die Lage gestalten würde, wenn die Vereinigten
Staaten sich trotz aller Grundsätze und Bedenken gezwungen sähen, Mexiko zu
erobern, oder, wenn man will, „militärisch zu durchdringen". Möglicherweise
würde dann die jetzige Nevolutionspartei sich gleich oder später ebenfalls gegen
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