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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Adolph und Wallenstein der Welt gestellt
hatten. Aber ich kann mich jetzt dem Ein¬
druck nicht entziehen, als habe hier die Kraft
auch der Künstlerin ein wenig versagt. Selbst
Wallenstein, dessen mystisches Geschick sie
offenbar ganz besonders angezogen hat, ver¬
schwindet schließlich ein wenig unvermittelt,
ungesehen in dem großen Nebel. Nur zwei
Episoden des dritten Bandes zeugen noch von
ganz starker Bildnerkrafl. Das ist jenes Ka¬
pitel, das vom Pesttod des Grafen Hotel
handelt und der Schluß, in dem sich noch
einmal das Blutmotiv des großen Krieges
mit den Münsterer Friedensklängen mischt.
Das alles hat mir freilich den Wert des
Ganzen nicht gemindert und ich denke, es wird
auch anderen so ergehen.

Nun bleibt mir noch eins zu rühmen:
ich meine die Sprache der Huch. Die hat
in anderen Werken --ich denke an den Band

[Spaltenumbruch]

ihrer Liebesgeschichte -- oft zum Widerspruch
gereizt, weil sie nicht immer frei war von
jenem Vielfachen, das schließlich Barock be¬
deutet. Hier ist nun das Seltsame geschehen,
daß sie zu einer Kunst kommt, die frei ist
von dem allen, von dem Impressionismus
selbst, der uns doch einstweilen allen gemein
ist und von dem wir alle uns gern zu ein¬
facheren Formen retteten. Diese Erzählungen
fließen ganz ruhig dahin, so schlicht wie die
Legenden der Lagerlöf. Und so gewinnen
sie etwas von der seltsamen Durchsichtigkeit
und Schlichtheit Breughelscher Bilder. Das
ist es, was das Buch als Kunstwerk weit
über den Durchschnitt dessen erhebt, was
wir seit Jahren empfingen. So gehört
dieses Werk zu dem Edelsten und Kühnsten,
was an erzählender Kunst deutscher Sprache
im letzten halben Jahrhundert geschaffen ist.

Fritz Reck-Malleczeroen [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlans arstattet.
Verantwortlich- der Herausgeber Georg" Eleinow w Berlin - Schöneberg. -- Manuslriptsendungen und Brief"
werden erbeten unter der Adresse:
An den Heremsaedrr der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hedwizstr. 1".
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Ilhland ZLM, de" Verlag": Amt Lützo" SS">.
Verlag: Verlag der Brenzboten S. in. b. H. in Berlin S>V. 11.
Druck: .Der N-ichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11. Dessauer Ser-sze SS/S7.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Adolph und Wallenstein der Welt gestellt
hatten. Aber ich kann mich jetzt dem Ein¬
druck nicht entziehen, als habe hier die Kraft
auch der Künstlerin ein wenig versagt. Selbst
Wallenstein, dessen mystisches Geschick sie
offenbar ganz besonders angezogen hat, ver¬
schwindet schließlich ein wenig unvermittelt,
ungesehen in dem großen Nebel. Nur zwei
Episoden des dritten Bandes zeugen noch von
ganz starker Bildnerkrafl. Das ist jenes Ka¬
pitel, das vom Pesttod des Grafen Hotel
handelt und der Schluß, in dem sich noch
einmal das Blutmotiv des großen Krieges
mit den Münsterer Friedensklängen mischt.
Das alles hat mir freilich den Wert des
Ganzen nicht gemindert und ich denke, es wird
auch anderen so ergehen.

Nun bleibt mir noch eins zu rühmen:
ich meine die Sprache der Huch. Die hat
in anderen Werken —ich denke an den Band

[Spaltenumbruch]

ihrer Liebesgeschichte — oft zum Widerspruch
gereizt, weil sie nicht immer frei war von
jenem Vielfachen, das schließlich Barock be¬
deutet. Hier ist nun das Seltsame geschehen,
daß sie zu einer Kunst kommt, die frei ist
von dem allen, von dem Impressionismus
selbst, der uns doch einstweilen allen gemein
ist und von dem wir alle uns gern zu ein¬
facheren Formen retteten. Diese Erzählungen
fließen ganz ruhig dahin, so schlicht wie die
Legenden der Lagerlöf. Und so gewinnen
sie etwas von der seltsamen Durchsichtigkeit
und Schlichtheit Breughelscher Bilder. Das
ist es, was das Buch als Kunstwerk weit
über den Durchschnitt dessen erhebt, was
wir seit Jahren empfingen. So gehört
dieses Werk zu dem Edelsten und Kühnsten,
was an erzählender Kunst deutscher Sprache
im letzten halben Jahrhundert geschaffen ist.

Fritz Reck-Malleczeroen [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlans arstattet.
Verantwortlich- der Herausgeber Georg« Eleinow w Berlin - Schöneberg. — Manuslriptsendungen und Brief«
werden erbeten unter der Adresse:
An den Heremsaedrr der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hedwizstr. 1».
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Ilhland ZLM, de« Verlag«: Amt Lützo« SS«>.
Verlag: Verlag der Brenzboten S. in. b. H. in Berlin S>V. 11.
Druck: .Der N-ichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11. Dessauer Ser-sze SS/S7.


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[0108] Maßgebliches und Unmaßgebliches Adolph und Wallenstein der Welt gestellt hatten. Aber ich kann mich jetzt dem Ein¬ druck nicht entziehen, als habe hier die Kraft auch der Künstlerin ein wenig versagt. Selbst Wallenstein, dessen mystisches Geschick sie offenbar ganz besonders angezogen hat, ver¬ schwindet schließlich ein wenig unvermittelt, ungesehen in dem großen Nebel. Nur zwei Episoden des dritten Bandes zeugen noch von ganz starker Bildnerkrafl. Das ist jenes Ka¬ pitel, das vom Pesttod des Grafen Hotel handelt und der Schluß, in dem sich noch einmal das Blutmotiv des großen Krieges mit den Münsterer Friedensklängen mischt. Das alles hat mir freilich den Wert des Ganzen nicht gemindert und ich denke, es wird auch anderen so ergehen. Nun bleibt mir noch eins zu rühmen: ich meine die Sprache der Huch. Die hat in anderen Werken —ich denke an den Band ihrer Liebesgeschichte — oft zum Widerspruch gereizt, weil sie nicht immer frei war von jenem Vielfachen, das schließlich Barock be¬ deutet. Hier ist nun das Seltsame geschehen, daß sie zu einer Kunst kommt, die frei ist von dem allen, von dem Impressionismus selbst, der uns doch einstweilen allen gemein ist und von dem wir alle uns gern zu ein¬ facheren Formen retteten. Diese Erzählungen fließen ganz ruhig dahin, so schlicht wie die Legenden der Lagerlöf. Und so gewinnen sie etwas von der seltsamen Durchsichtigkeit und Schlichtheit Breughelscher Bilder. Das ist es, was das Buch als Kunstwerk weit über den Durchschnitt dessen erhebt, was wir seit Jahren empfingen. So gehört dieses Werk zu dem Edelsten und Kühnsten, was an erzählender Kunst deutscher Sprache im letzten halben Jahrhundert geschaffen ist. Fritz Reck-Malleczeroen Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlans arstattet. Verantwortlich- der Herausgeber Georg« Eleinow w Berlin - Schöneberg. — Manuslriptsendungen und Brief« werden erbeten unter der Adresse: An den Heremsaedrr der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hedwizstr. 1». Fernsprecher der Schristleitung: Amt Ilhland ZLM, de« Verlag«: Amt Lützo« SS«>. Verlag: Verlag der Brenzboten S. in. b. H. in Berlin S>V. 11. Druck: .Der N-ichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11. Dessauer Ser-sze SS/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/108>, abgerufen am 04.07.2024.