Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspiegk!

anderes ist es aber mit den Ortszulagen. Wenn der Generalkonsul von Se.
Petersburg bei 12000 Mark pensionsberechtigtem Höchstgehalt 24000 Mark
Ortszulage bekommt, so sind das zwar 36000 Mark Jahreseinkommen, aber
nur etwa 15500 Rubel, und ein Rubel in Petersburg entspricht vielleicht dem
Werte von einem Frank oder achtzig Pfennigen in Deutschland. Vergleicht man
daneben die Einkommen der Direktoren, sagen wir der deutschen Elektrizitäts¬
gesellschaften in Petersburg, so wird man finden, daß diese das doppelte und
dreifache dieser Summe betragen. Sollte nicht hier der Reichstag von
sich aus Schritte unternehmen können und für den Osten ganz allgemein eine
Erhöhung der Ortszulagen vornehmen? Tut er das, so wird er auch junge
Leute aus Handel und Industrie, die sich gegenwärtig vom Staatsdienst im
Auslande zurückhalten, anziehen und uns eine Menge tüchtiger Kräfte aus den
hervorragend bewährten Familien von Industrie und Handel zuführen. Was
ich wegen des Gehalts des Generalkonsuls von Petersburg sagte, bezieht sich
ebenso auf die ersten Botschaftssekretäre von Konstantinopel und Petersburg,
wie auf die Generalkonsuln und Konsuln von Moskau, Shanghai, Wladiwostok
und anderen Orten, die gewissermaßen Schmerzenskinder des Etats sind.

Die Behandlung der Regierungsvorlage im Haushaltungsausschuß des
Reichstages entsprach nicht ganz der Haltung der Parteien im vorigen Jahr.
Die Hergäbe der benötigten Summen wurde vielmehr an Bedingungen geknüpft,
die gar nichts mit dem Ziel der Besoldungsreform zu tun hatten, wie Schaffung
einer Auslandshochschule und Verschärfung der Examina. So will man ein
Konsulatsexamen einführen, das sich besonders auf volkswirtschaftliches Wissen
erstrecken soll, so daß die Anwärter für den Konsulatsdienst fortan außer dem
Referendar- und Assessorexamen noch ein drittes würden ablegen müssen, wenn
nicht der Reichstag sich eines besseren besinnen sollte. Ich kann mir nicht denken,
daß dies dritte Examen einen besonderen Anreiz zum Konsulatsdienst bilden
wird, und gerade diejenigen Kreise aus Handel und Industrie, die man gern
im auswärtigen Dienst sehen möchte, werden sich durch das dritte Examen noch
mehr abgestoßen fühlen, als schon jetzt.

Meines Erachtens liegt in dem Vorschlage eines dritten Examens
eine ungesunde Überschätzung des Wissens als solchem, während doch
politische Charakterbildung in diesem Falle viel wichtiger ist. In der
gleichen Richtung scheinen nur auch die Vorschläge oder Pläne der Er¬
richtung einer Auslandshochschule als eines Instituts zu liegen, durch das
d?r Nachwuchs für den diplomatischen und konsularischen Dienst besonders in
Volks- und Weltwirtschaft herangebildet werden soll. Wem soll durch ein solches
Institut genutzt werden? Das was der junge Diplomat und Konsul über
das Ausland wissen muß, kann er schon heute fast auf allen Universitäten
lernen; wünscht er sich in orientalischen Dingen zu vervollkommnen, so steht das
Orientalische Seminar zur Verfügung; ferner ist das Kolonialmstitut in Hamburg
vorhanden. Wenn etwas geschehen muß, so sollte man den Ausbau des


Reichsspiegk!

anderes ist es aber mit den Ortszulagen. Wenn der Generalkonsul von Se.
Petersburg bei 12000 Mark pensionsberechtigtem Höchstgehalt 24000 Mark
Ortszulage bekommt, so sind das zwar 36000 Mark Jahreseinkommen, aber
nur etwa 15500 Rubel, und ein Rubel in Petersburg entspricht vielleicht dem
Werte von einem Frank oder achtzig Pfennigen in Deutschland. Vergleicht man
daneben die Einkommen der Direktoren, sagen wir der deutschen Elektrizitäts¬
gesellschaften in Petersburg, so wird man finden, daß diese das doppelte und
dreifache dieser Summe betragen. Sollte nicht hier der Reichstag von
sich aus Schritte unternehmen können und für den Osten ganz allgemein eine
Erhöhung der Ortszulagen vornehmen? Tut er das, so wird er auch junge
Leute aus Handel und Industrie, die sich gegenwärtig vom Staatsdienst im
Auslande zurückhalten, anziehen und uns eine Menge tüchtiger Kräfte aus den
hervorragend bewährten Familien von Industrie und Handel zuführen. Was
ich wegen des Gehalts des Generalkonsuls von Petersburg sagte, bezieht sich
ebenso auf die ersten Botschaftssekretäre von Konstantinopel und Petersburg,
wie auf die Generalkonsuln und Konsuln von Moskau, Shanghai, Wladiwostok
und anderen Orten, die gewissermaßen Schmerzenskinder des Etats sind.

Die Behandlung der Regierungsvorlage im Haushaltungsausschuß des
Reichstages entsprach nicht ganz der Haltung der Parteien im vorigen Jahr.
Die Hergäbe der benötigten Summen wurde vielmehr an Bedingungen geknüpft,
die gar nichts mit dem Ziel der Besoldungsreform zu tun hatten, wie Schaffung
einer Auslandshochschule und Verschärfung der Examina. So will man ein
Konsulatsexamen einführen, das sich besonders auf volkswirtschaftliches Wissen
erstrecken soll, so daß die Anwärter für den Konsulatsdienst fortan außer dem
Referendar- und Assessorexamen noch ein drittes würden ablegen müssen, wenn
nicht der Reichstag sich eines besseren besinnen sollte. Ich kann mir nicht denken,
daß dies dritte Examen einen besonderen Anreiz zum Konsulatsdienst bilden
wird, und gerade diejenigen Kreise aus Handel und Industrie, die man gern
im auswärtigen Dienst sehen möchte, werden sich durch das dritte Examen noch
mehr abgestoßen fühlen, als schon jetzt.

Meines Erachtens liegt in dem Vorschlage eines dritten Examens
eine ungesunde Überschätzung des Wissens als solchem, während doch
politische Charakterbildung in diesem Falle viel wichtiger ist. In der
gleichen Richtung scheinen nur auch die Vorschläge oder Pläne der Er¬
richtung einer Auslandshochschule als eines Instituts zu liegen, durch das
d?r Nachwuchs für den diplomatischen und konsularischen Dienst besonders in
Volks- und Weltwirtschaft herangebildet werden soll. Wem soll durch ein solches
Institut genutzt werden? Das was der junge Diplomat und Konsul über
das Ausland wissen muß, kann er schon heute fast auf allen Universitäten
lernen; wünscht er sich in orientalischen Dingen zu vervollkommnen, so steht das
Orientalische Seminar zur Verfügung; ferner ist das Kolonialmstitut in Hamburg
vorhanden. Wenn etwas geschehen muß, so sollte man den Ausbau des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0626" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328092"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspiegk!</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2974" prev="#ID_2973"> anderes ist es aber mit den Ortszulagen. Wenn der Generalkonsul von Se.<lb/>
Petersburg bei 12000 Mark pensionsberechtigtem Höchstgehalt 24000 Mark<lb/>
Ortszulage bekommt, so sind das zwar 36000 Mark Jahreseinkommen, aber<lb/>
nur etwa 15500 Rubel, und ein Rubel in Petersburg entspricht vielleicht dem<lb/>
Werte von einem Frank oder achtzig Pfennigen in Deutschland. Vergleicht man<lb/>
daneben die Einkommen der Direktoren, sagen wir der deutschen Elektrizitäts¬<lb/>
gesellschaften in Petersburg, so wird man finden, daß diese das doppelte und<lb/>
dreifache dieser Summe betragen. Sollte nicht hier der Reichstag von<lb/>
sich aus Schritte unternehmen können und für den Osten ganz allgemein eine<lb/>
Erhöhung der Ortszulagen vornehmen? Tut er das, so wird er auch junge<lb/>
Leute aus Handel und Industrie, die sich gegenwärtig vom Staatsdienst im<lb/>
Auslande zurückhalten, anziehen und uns eine Menge tüchtiger Kräfte aus den<lb/>
hervorragend bewährten Familien von Industrie und Handel zuführen. Was<lb/>
ich wegen des Gehalts des Generalkonsuls von Petersburg sagte, bezieht sich<lb/>
ebenso auf die ersten Botschaftssekretäre von Konstantinopel und Petersburg,<lb/>
wie auf die Generalkonsuln und Konsuln von Moskau, Shanghai, Wladiwostok<lb/>
und anderen Orten, die gewissermaßen Schmerzenskinder des Etats sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2975"> Die Behandlung der Regierungsvorlage im Haushaltungsausschuß des<lb/>
Reichstages entsprach nicht ganz der Haltung der Parteien im vorigen Jahr.<lb/>
Die Hergäbe der benötigten Summen wurde vielmehr an Bedingungen geknüpft,<lb/>
die gar nichts mit dem Ziel der Besoldungsreform zu tun hatten, wie Schaffung<lb/>
einer Auslandshochschule und Verschärfung der Examina. So will man ein<lb/>
Konsulatsexamen einführen, das sich besonders auf volkswirtschaftliches Wissen<lb/>
erstrecken soll, so daß die Anwärter für den Konsulatsdienst fortan außer dem<lb/>
Referendar- und Assessorexamen noch ein drittes würden ablegen müssen, wenn<lb/>
nicht der Reichstag sich eines besseren besinnen sollte. Ich kann mir nicht denken,<lb/>
daß dies dritte Examen einen besonderen Anreiz zum Konsulatsdienst bilden<lb/>
wird, und gerade diejenigen Kreise aus Handel und Industrie, die man gern<lb/>
im auswärtigen Dienst sehen möchte, werden sich durch das dritte Examen noch<lb/>
mehr abgestoßen fühlen, als schon jetzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2976" next="#ID_2977"> Meines Erachtens liegt in dem Vorschlage eines dritten Examens<lb/>
eine ungesunde Überschätzung des Wissens als solchem, während doch<lb/>
politische Charakterbildung in diesem Falle viel wichtiger ist. In der<lb/>
gleichen Richtung scheinen nur auch die Vorschläge oder Pläne der Er¬<lb/>
richtung einer Auslandshochschule als eines Instituts zu liegen, durch das<lb/>
d?r Nachwuchs für den diplomatischen und konsularischen Dienst besonders in<lb/>
Volks- und Weltwirtschaft herangebildet werden soll. Wem soll durch ein solches<lb/>
Institut genutzt werden? Das was der junge Diplomat und Konsul über<lb/>
das Ausland wissen muß, kann er schon heute fast auf allen Universitäten<lb/>
lernen; wünscht er sich in orientalischen Dingen zu vervollkommnen, so steht das<lb/>
Orientalische Seminar zur Verfügung; ferner ist das Kolonialmstitut in Hamburg<lb/>
vorhanden.  Wenn etwas geschehen muß, so sollte man den Ausbau des</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0626] Reichsspiegk! anderes ist es aber mit den Ortszulagen. Wenn der Generalkonsul von Se. Petersburg bei 12000 Mark pensionsberechtigtem Höchstgehalt 24000 Mark Ortszulage bekommt, so sind das zwar 36000 Mark Jahreseinkommen, aber nur etwa 15500 Rubel, und ein Rubel in Petersburg entspricht vielleicht dem Werte von einem Frank oder achtzig Pfennigen in Deutschland. Vergleicht man daneben die Einkommen der Direktoren, sagen wir der deutschen Elektrizitäts¬ gesellschaften in Petersburg, so wird man finden, daß diese das doppelte und dreifache dieser Summe betragen. Sollte nicht hier der Reichstag von sich aus Schritte unternehmen können und für den Osten ganz allgemein eine Erhöhung der Ortszulagen vornehmen? Tut er das, so wird er auch junge Leute aus Handel und Industrie, die sich gegenwärtig vom Staatsdienst im Auslande zurückhalten, anziehen und uns eine Menge tüchtiger Kräfte aus den hervorragend bewährten Familien von Industrie und Handel zuführen. Was ich wegen des Gehalts des Generalkonsuls von Petersburg sagte, bezieht sich ebenso auf die ersten Botschaftssekretäre von Konstantinopel und Petersburg, wie auf die Generalkonsuln und Konsuln von Moskau, Shanghai, Wladiwostok und anderen Orten, die gewissermaßen Schmerzenskinder des Etats sind. Die Behandlung der Regierungsvorlage im Haushaltungsausschuß des Reichstages entsprach nicht ganz der Haltung der Parteien im vorigen Jahr. Die Hergäbe der benötigten Summen wurde vielmehr an Bedingungen geknüpft, die gar nichts mit dem Ziel der Besoldungsreform zu tun hatten, wie Schaffung einer Auslandshochschule und Verschärfung der Examina. So will man ein Konsulatsexamen einführen, das sich besonders auf volkswirtschaftliches Wissen erstrecken soll, so daß die Anwärter für den Konsulatsdienst fortan außer dem Referendar- und Assessorexamen noch ein drittes würden ablegen müssen, wenn nicht der Reichstag sich eines besseren besinnen sollte. Ich kann mir nicht denken, daß dies dritte Examen einen besonderen Anreiz zum Konsulatsdienst bilden wird, und gerade diejenigen Kreise aus Handel und Industrie, die man gern im auswärtigen Dienst sehen möchte, werden sich durch das dritte Examen noch mehr abgestoßen fühlen, als schon jetzt. Meines Erachtens liegt in dem Vorschlage eines dritten Examens eine ungesunde Überschätzung des Wissens als solchem, während doch politische Charakterbildung in diesem Falle viel wichtiger ist. In der gleichen Richtung scheinen nur auch die Vorschläge oder Pläne der Er¬ richtung einer Auslandshochschule als eines Instituts zu liegen, durch das d?r Nachwuchs für den diplomatischen und konsularischen Dienst besonders in Volks- und Weltwirtschaft herangebildet werden soll. Wem soll durch ein solches Institut genutzt werden? Das was der junge Diplomat und Konsul über das Ausland wissen muß, kann er schon heute fast auf allen Universitäten lernen; wünscht er sich in orientalischen Dingen zu vervollkommnen, so steht das Orientalische Seminar zur Verfügung; ferner ist das Kolonialmstitut in Hamburg vorhanden. Wenn etwas geschehen muß, so sollte man den Ausbau des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/626
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/626>, abgerufen am 29.12.2024.