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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Gnuidfragen des Kinderschugos

Wo immer man diese Entwicklung abbrechen mag, wo mau den augen¬
blicklichen oder den endgültigen Schlußpunkt für sie suchen mag, überall bleibt
als wesentliches Stück des Kinderschutzes bestehen, daß er die von ihm ergriffenen,
von ihm versorgten Kinder besser stellt, als andere Kinder derselben Schicht, die
aus die Fürsorge ihrer Familie allein angewiesen bleiben. Die Kinder der
Waisenhäuser waren es, die sich längst eines regelmäßigen Schulunterrichtes
erfreuten, als von allgemeinem Volksschulunterricht noch keine Rede war, als die
Gründung von Volksschulen noch ein wichtiger Programmpunkt der privaten
Fürsorgevereine war. Die Kinderfürsorge ist der allgemeinen Entwicklung der
Erziehungsleistungen innerhalb weiter Familienkreise voraus, nicht nur weil sie
mehr Mittel hat, sondern weil sie von der höheren Einsicht und dem starken
Verantwortlichkeitsgefühl der Gesellschaft getragen wird. Überall in der Geschichte
des Unterrichtswesens und der Erziehung stoßen wir auf den starken Einfluß
von Anstalten und Einrichtungen der Fürsorge, die vielfach geradezu der Ursprung
neuerer Bewegungen geworden sind. Je mehr sich heute dieses besondere Wesen
der Kiuderfürsorge ausbildet, um so bedeutsamer wird ihre ganze Arbeit. Es
handelt sich gar nicht bloß darum, arme Kiuder zu versorgen, oder die wirt¬
schaftliche Leistungsunfähigkeit armer Familien zu ersetzen, sondern die Kinder¬
fürsorge will in weitem Maße modernen Erziehungsproblemen die Bahn brechen.
Daß sich vielfach gerade die privaten Organisationen dieser Aufgaben nicht
oder nicht genug bewußt sind, daß sie in ihrem Wohltätigkeitsgetriebe leider
oft aufgehen, und statt von tieferer Einsicht in die Erziehungsfragen und höherem
Verantwortlichkeitsgefühl von kleinlichen Gesichtspunkten geleitet werden, ändert
nichts an der grundsätzlichen Stellung und an der schweren Verantwortung, die
auf ihren Leitern liegt. Ein kurzer Gang durch einige der wichtigsten Fürsorge¬
gebiete unserer Tage wird diesen Sätzen erst den richtigen Inhalt geben.




(Entsprechende Aufsätze des Herrn Professor Dr. Klunker werden in zwangloser Folge
in den Grenzboten veröffentlicht werden.)




Gnuidfragen des Kinderschugos

Wo immer man diese Entwicklung abbrechen mag, wo mau den augen¬
blicklichen oder den endgültigen Schlußpunkt für sie suchen mag, überall bleibt
als wesentliches Stück des Kinderschutzes bestehen, daß er die von ihm ergriffenen,
von ihm versorgten Kinder besser stellt, als andere Kinder derselben Schicht, die
aus die Fürsorge ihrer Familie allein angewiesen bleiben. Die Kinder der
Waisenhäuser waren es, die sich längst eines regelmäßigen Schulunterrichtes
erfreuten, als von allgemeinem Volksschulunterricht noch keine Rede war, als die
Gründung von Volksschulen noch ein wichtiger Programmpunkt der privaten
Fürsorgevereine war. Die Kinderfürsorge ist der allgemeinen Entwicklung der
Erziehungsleistungen innerhalb weiter Familienkreise voraus, nicht nur weil sie
mehr Mittel hat, sondern weil sie von der höheren Einsicht und dem starken
Verantwortlichkeitsgefühl der Gesellschaft getragen wird. Überall in der Geschichte
des Unterrichtswesens und der Erziehung stoßen wir auf den starken Einfluß
von Anstalten und Einrichtungen der Fürsorge, die vielfach geradezu der Ursprung
neuerer Bewegungen geworden sind. Je mehr sich heute dieses besondere Wesen
der Kiuderfürsorge ausbildet, um so bedeutsamer wird ihre ganze Arbeit. Es
handelt sich gar nicht bloß darum, arme Kiuder zu versorgen, oder die wirt¬
schaftliche Leistungsunfähigkeit armer Familien zu ersetzen, sondern die Kinder¬
fürsorge will in weitem Maße modernen Erziehungsproblemen die Bahn brechen.
Daß sich vielfach gerade die privaten Organisationen dieser Aufgaben nicht
oder nicht genug bewußt sind, daß sie in ihrem Wohltätigkeitsgetriebe leider
oft aufgehen, und statt von tieferer Einsicht in die Erziehungsfragen und höherem
Verantwortlichkeitsgefühl von kleinlichen Gesichtspunkten geleitet werden, ändert
nichts an der grundsätzlichen Stellung und an der schweren Verantwortung, die
auf ihren Leitern liegt. Ein kurzer Gang durch einige der wichtigsten Fürsorge¬
gebiete unserer Tage wird diesen Sätzen erst den richtigen Inhalt geben.




(Entsprechende Aufsätze des Herrn Professor Dr. Klunker werden in zwangloser Folge
in den Grenzboten veröffentlicht werden.)




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[0521] Gnuidfragen des Kinderschugos Wo immer man diese Entwicklung abbrechen mag, wo mau den augen¬ blicklichen oder den endgültigen Schlußpunkt für sie suchen mag, überall bleibt als wesentliches Stück des Kinderschutzes bestehen, daß er die von ihm ergriffenen, von ihm versorgten Kinder besser stellt, als andere Kinder derselben Schicht, die aus die Fürsorge ihrer Familie allein angewiesen bleiben. Die Kinder der Waisenhäuser waren es, die sich längst eines regelmäßigen Schulunterrichtes erfreuten, als von allgemeinem Volksschulunterricht noch keine Rede war, als die Gründung von Volksschulen noch ein wichtiger Programmpunkt der privaten Fürsorgevereine war. Die Kinderfürsorge ist der allgemeinen Entwicklung der Erziehungsleistungen innerhalb weiter Familienkreise voraus, nicht nur weil sie mehr Mittel hat, sondern weil sie von der höheren Einsicht und dem starken Verantwortlichkeitsgefühl der Gesellschaft getragen wird. Überall in der Geschichte des Unterrichtswesens und der Erziehung stoßen wir auf den starken Einfluß von Anstalten und Einrichtungen der Fürsorge, die vielfach geradezu der Ursprung neuerer Bewegungen geworden sind. Je mehr sich heute dieses besondere Wesen der Kiuderfürsorge ausbildet, um so bedeutsamer wird ihre ganze Arbeit. Es handelt sich gar nicht bloß darum, arme Kiuder zu versorgen, oder die wirt¬ schaftliche Leistungsunfähigkeit armer Familien zu ersetzen, sondern die Kinder¬ fürsorge will in weitem Maße modernen Erziehungsproblemen die Bahn brechen. Daß sich vielfach gerade die privaten Organisationen dieser Aufgaben nicht oder nicht genug bewußt sind, daß sie in ihrem Wohltätigkeitsgetriebe leider oft aufgehen, und statt von tieferer Einsicht in die Erziehungsfragen und höherem Verantwortlichkeitsgefühl von kleinlichen Gesichtspunkten geleitet werden, ändert nichts an der grundsätzlichen Stellung und an der schweren Verantwortung, die auf ihren Leitern liegt. Ein kurzer Gang durch einige der wichtigsten Fürsorge¬ gebiete unserer Tage wird diesen Sätzen erst den richtigen Inhalt geben. (Entsprechende Aufsätze des Herrn Professor Dr. Klunker werden in zwangloser Folge in den Grenzboten veröffentlicht werden.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/521>, abgerufen am 29.12.2024.