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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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keit und Zuverlässigkeit des augeführten
wissenschaftlichen Apparates, der in keinem
anderen Goethe - Werk so reichlich zu Gebote
steht, beruht im wesentlichen der Hauptwert
der kritischen Studie. In der Auswahl und
Beurteilung der ausgehobenen Stellen freilich
blickt überall die Grundauffassung des Ver¬
fassers durch. Ist das Ganze seiner Grund¬
richtung nach auch als "verzeichnet" zu be¬
trachten, so behält es doch seinen Wert in
der Geschichte der Goethe-Kritik.

Gürtler
Die Gesamtausgabe der Werke Wilhelm

Raabes.

Seit dem trüben Novembertage des
Jahres 1910, da Wilhelm Raabe von uns
ging, haben sich die Erben und Freunde des
Dichters unaufhörlich beniüht, eine würdige
Gesamtausgabe der Werke zustande zu bringen.
Wegen der zahlreichen technischen wie wirt¬
schaftlichen Schwierigkeiten, die ein etwa
sechzig Bände umfassendes Lebenswerk eines
Dichters mit sich führt, war es lange Zeit
hindurch unmöglich, einen Verleger zu finden.
Erst im vergangenen Sommer fand sich der
tatkräftige Unternehmer in Hermann Klemm,
der die Verlagsanstalt für Kunst und Literatur
A.-G. in Berlin-Grünewald leitet. Er hatte
schon bei den großen Gesamtausgaben der
Werke Felix Dcchns und Gustav Freytags
Fühlung mit dem Publikum gewonnen, das
solche Reihenbände kauft und das für einen
so spezifisch "deutschen" Dichter wie Wilhelm
Raabe in Betracht kommt.

Wilhelm Brandes, Raabes Freund, über¬
nahm die Leitung und Herausgabe der Samm¬
lung. Sie wurde ganz im Sinne einer
Volksausgabe angelegt. Keine Einleitungen,
keine Anmerkungen I Nicht das ganze Werk
auf einmal, sondern in drei "Serien" ein¬
geteilt, deren jede sechs Bände umfaßt und
nicht zum Kauf der anderen verpflichtet. Der
Preis für die Serie recht billig: sechs ge¬
bundene Bände mit etwa zwölf Werken
Raabes, da jeder Band zwei Dichtungen
bringt, für 24 Mark. Die Ausstattung ein¬
fach, aber geschmackvoll, eine gute Zweckan¬
ordnung, eine leserliche Letter, haltbares
Papier, feste Einbände.

Wer alle Werke von Raabe besitzen möchte,
wird um so lieber uach einer Ausgabe wie

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der Kiemenfaden greifen, weil sie einmal den
Text ohne jene zahllosen Druck- und Lese¬
fehler, wie in den Einzelausgaben besonders
des einen Verlages, tadellos darbietet, sodann
das ganze Schaffen des Dichters um die Hälfte
billiger gibt, als in den Einzelbauten.

Die erste Serie enthält nun: Band 1
"Chronik der Sperlingsgasse" und "Hunger-
Pastor"; Band 2 "Ein Frühling" (in der
ersten Fassung) und "Halb Mär, halb mehr";
Band 3 "Der heilige Born" und "Nach dem
großen Kriege"; Band 4 "Unsers Herrgotts
Kanzlei" und "Verworrenes Leben"; Band 5
"Die Leute aus dem Walde" und "Ferne
Stimmen"; Band 6 "Drei Federn" und
"Der Regenbogen". Man steht, in den ein¬
zelnen Bänden sind Romane und Novellen
aus ganz verschiedenen Schafsensperioden zu¬
sammengekoppelt. Das war geboten in Rück¬
sicht auf die Einzelverleger und auf den
Gedanken "Volksausgabe": deren Charakter
mußte vor allem Zugkraft sein; berühmte
Werke, wie die "Chronik", der "Hungerpastor"
Wurden vorangestellt, die Novellen wurden
wieder in der Anordnung gegeben, die Raabe
ihnen bei ihrem ersten Erscheinen zugeteilt
hatte: daher also die Rebeuschriften "Ver¬
worrenes Leben", "Ferne Stimmen"; schlie߬
lich: schon eine Serie mußte ein umfassendes
Bild von des Dichters Eigenart und Größe
bieten, also wesensverschiedene Werke, historische
und freierfundene, philosophische und rein
humoristische, phantastische und realistische zu¬
sammen verbinden, damit der Raabefremde
durch die Lektüre nur einer Serie schon seinen
Weg zum Dichter finden mochte.

So ist denn die Ausgabe als durchaus
gelungen anzusprechen. Möge der Erfolg der
ersten Serie, der die kurze Autobiographie
Raabes aus dem "Heidjer" - Kalender und
ein Altersporträt des Dichters als Einleitung
enthält, dazu beitragen, daß das Erscheinen
der zweiten und dritten Serie im Herbst 1914
und 1916 keine Hemmnisse vorfinde.

Hanns Martin Elster
Adolf Frey: Festspiele, 4. Aufl. Verlag
H. R. Sauerlander u. Co., Aarau.

Diese vaterländischen Festspiele spannen
keinen großen Rahmen, in dem das Werden
und Sein eines Volkes zum Sinnbild der-

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keit und Zuverlässigkeit des augeführten
wissenschaftlichen Apparates, der in keinem
anderen Goethe - Werk so reichlich zu Gebote
steht, beruht im wesentlichen der Hauptwert
der kritischen Studie. In der Auswahl und
Beurteilung der ausgehobenen Stellen freilich
blickt überall die Grundauffassung des Ver¬
fassers durch. Ist das Ganze seiner Grund¬
richtung nach auch als „verzeichnet" zu be¬
trachten, so behält es doch seinen Wert in
der Geschichte der Goethe-Kritik.

Gürtler
Die Gesamtausgabe der Werke Wilhelm

Raabes.

Seit dem trüben Novembertage des
Jahres 1910, da Wilhelm Raabe von uns
ging, haben sich die Erben und Freunde des
Dichters unaufhörlich beniüht, eine würdige
Gesamtausgabe der Werke zustande zu bringen.
Wegen der zahlreichen technischen wie wirt¬
schaftlichen Schwierigkeiten, die ein etwa
sechzig Bände umfassendes Lebenswerk eines
Dichters mit sich führt, war es lange Zeit
hindurch unmöglich, einen Verleger zu finden.
Erst im vergangenen Sommer fand sich der
tatkräftige Unternehmer in Hermann Klemm,
der die Verlagsanstalt für Kunst und Literatur
A.-G. in Berlin-Grünewald leitet. Er hatte
schon bei den großen Gesamtausgaben der
Werke Felix Dcchns und Gustav Freytags
Fühlung mit dem Publikum gewonnen, das
solche Reihenbände kauft und das für einen
so spezifisch „deutschen" Dichter wie Wilhelm
Raabe in Betracht kommt.

Wilhelm Brandes, Raabes Freund, über¬
nahm die Leitung und Herausgabe der Samm¬
lung. Sie wurde ganz im Sinne einer
Volksausgabe angelegt. Keine Einleitungen,
keine Anmerkungen I Nicht das ganze Werk
auf einmal, sondern in drei „Serien" ein¬
geteilt, deren jede sechs Bände umfaßt und
nicht zum Kauf der anderen verpflichtet. Der
Preis für die Serie recht billig: sechs ge¬
bundene Bände mit etwa zwölf Werken
Raabes, da jeder Band zwei Dichtungen
bringt, für 24 Mark. Die Ausstattung ein¬
fach, aber geschmackvoll, eine gute Zweckan¬
ordnung, eine leserliche Letter, haltbares
Papier, feste Einbände.

Wer alle Werke von Raabe besitzen möchte,
wird um so lieber uach einer Ausgabe wie

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der Kiemenfaden greifen, weil sie einmal den
Text ohne jene zahllosen Druck- und Lese¬
fehler, wie in den Einzelausgaben besonders
des einen Verlages, tadellos darbietet, sodann
das ganze Schaffen des Dichters um die Hälfte
billiger gibt, als in den Einzelbauten.

Die erste Serie enthält nun: Band 1
„Chronik der Sperlingsgasse" und „Hunger-
Pastor"; Band 2 „Ein Frühling" (in der
ersten Fassung) und „Halb Mär, halb mehr";
Band 3 „Der heilige Born" und „Nach dem
großen Kriege"; Band 4 „Unsers Herrgotts
Kanzlei" und „Verworrenes Leben"; Band 5
„Die Leute aus dem Walde" und „Ferne
Stimmen"; Band 6 „Drei Federn" und
„Der Regenbogen". Man steht, in den ein¬
zelnen Bänden sind Romane und Novellen
aus ganz verschiedenen Schafsensperioden zu¬
sammengekoppelt. Das war geboten in Rück¬
sicht auf die Einzelverleger und auf den
Gedanken „Volksausgabe": deren Charakter
mußte vor allem Zugkraft sein; berühmte
Werke, wie die „Chronik", der „Hungerpastor"
Wurden vorangestellt, die Novellen wurden
wieder in der Anordnung gegeben, die Raabe
ihnen bei ihrem ersten Erscheinen zugeteilt
hatte: daher also die Rebeuschriften „Ver¬
worrenes Leben", „Ferne Stimmen"; schlie߬
lich: schon eine Serie mußte ein umfassendes
Bild von des Dichters Eigenart und Größe
bieten, also wesensverschiedene Werke, historische
und freierfundene, philosophische und rein
humoristische, phantastische und realistische zu¬
sammen verbinden, damit der Raabefremde
durch die Lektüre nur einer Serie schon seinen
Weg zum Dichter finden mochte.

So ist denn die Ausgabe als durchaus
gelungen anzusprechen. Möge der Erfolg der
ersten Serie, der die kurze Autobiographie
Raabes aus dem „Heidjer" - Kalender und
ein Altersporträt des Dichters als Einleitung
enthält, dazu beitragen, daß das Erscheinen
der zweiten und dritten Serie im Herbst 1914
und 1916 keine Hemmnisse vorfinde.

Hanns Martin Elster
Adolf Frey: Festspiele, 4. Aufl. Verlag
H. R. Sauerlander u. Co., Aarau.

Diese vaterländischen Festspiele spannen
keinen großen Rahmen, in dem das Werden
und Sein eines Volkes zum Sinnbild der-

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[0490] keit und Zuverlässigkeit des augeführten wissenschaftlichen Apparates, der in keinem anderen Goethe - Werk so reichlich zu Gebote steht, beruht im wesentlichen der Hauptwert der kritischen Studie. In der Auswahl und Beurteilung der ausgehobenen Stellen freilich blickt überall die Grundauffassung des Ver¬ fassers durch. Ist das Ganze seiner Grund¬ richtung nach auch als „verzeichnet" zu be¬ trachten, so behält es doch seinen Wert in der Geschichte der Goethe-Kritik. Gürtler Die Gesamtausgabe der Werke Wilhelm Raabes. Seit dem trüben Novembertage des Jahres 1910, da Wilhelm Raabe von uns ging, haben sich die Erben und Freunde des Dichters unaufhörlich beniüht, eine würdige Gesamtausgabe der Werke zustande zu bringen. Wegen der zahlreichen technischen wie wirt¬ schaftlichen Schwierigkeiten, die ein etwa sechzig Bände umfassendes Lebenswerk eines Dichters mit sich führt, war es lange Zeit hindurch unmöglich, einen Verleger zu finden. Erst im vergangenen Sommer fand sich der tatkräftige Unternehmer in Hermann Klemm, der die Verlagsanstalt für Kunst und Literatur A.-G. in Berlin-Grünewald leitet. Er hatte schon bei den großen Gesamtausgaben der Werke Felix Dcchns und Gustav Freytags Fühlung mit dem Publikum gewonnen, das solche Reihenbände kauft und das für einen so spezifisch „deutschen" Dichter wie Wilhelm Raabe in Betracht kommt. Wilhelm Brandes, Raabes Freund, über¬ nahm die Leitung und Herausgabe der Samm¬ lung. Sie wurde ganz im Sinne einer Volksausgabe angelegt. Keine Einleitungen, keine Anmerkungen I Nicht das ganze Werk auf einmal, sondern in drei „Serien" ein¬ geteilt, deren jede sechs Bände umfaßt und nicht zum Kauf der anderen verpflichtet. Der Preis für die Serie recht billig: sechs ge¬ bundene Bände mit etwa zwölf Werken Raabes, da jeder Band zwei Dichtungen bringt, für 24 Mark. Die Ausstattung ein¬ fach, aber geschmackvoll, eine gute Zweckan¬ ordnung, eine leserliche Letter, haltbares Papier, feste Einbände. Wer alle Werke von Raabe besitzen möchte, wird um so lieber uach einer Ausgabe wie der Kiemenfaden greifen, weil sie einmal den Text ohne jene zahllosen Druck- und Lese¬ fehler, wie in den Einzelausgaben besonders des einen Verlages, tadellos darbietet, sodann das ganze Schaffen des Dichters um die Hälfte billiger gibt, als in den Einzelbauten. Die erste Serie enthält nun: Band 1 „Chronik der Sperlingsgasse" und „Hunger- Pastor"; Band 2 „Ein Frühling" (in der ersten Fassung) und „Halb Mär, halb mehr"; Band 3 „Der heilige Born" und „Nach dem großen Kriege"; Band 4 „Unsers Herrgotts Kanzlei" und „Verworrenes Leben"; Band 5 „Die Leute aus dem Walde" und „Ferne Stimmen"; Band 6 „Drei Federn" und „Der Regenbogen". Man steht, in den ein¬ zelnen Bänden sind Romane und Novellen aus ganz verschiedenen Schafsensperioden zu¬ sammengekoppelt. Das war geboten in Rück¬ sicht auf die Einzelverleger und auf den Gedanken „Volksausgabe": deren Charakter mußte vor allem Zugkraft sein; berühmte Werke, wie die „Chronik", der „Hungerpastor" Wurden vorangestellt, die Novellen wurden wieder in der Anordnung gegeben, die Raabe ihnen bei ihrem ersten Erscheinen zugeteilt hatte: daher also die Rebeuschriften „Ver¬ worrenes Leben", „Ferne Stimmen"; schlie߬ lich: schon eine Serie mußte ein umfassendes Bild von des Dichters Eigenart und Größe bieten, also wesensverschiedene Werke, historische und freierfundene, philosophische und rein humoristische, phantastische und realistische zu¬ sammen verbinden, damit der Raabefremde durch die Lektüre nur einer Serie schon seinen Weg zum Dichter finden mochte. So ist denn die Ausgabe als durchaus gelungen anzusprechen. Möge der Erfolg der ersten Serie, der die kurze Autobiographie Raabes aus dem „Heidjer" - Kalender und ein Altersporträt des Dichters als Einleitung enthält, dazu beitragen, daß das Erscheinen der zweiten und dritten Serie im Herbst 1914 und 1916 keine Hemmnisse vorfinde. Hanns Martin Elster Adolf Frey: Festspiele, 4. Aufl. Verlag H. R. Sauerlander u. Co., Aarau. Diese vaterländischen Festspiele spannen keinen großen Rahmen, in dem das Werden und Sein eines Volkes zum Sinnbild der-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/490>, abgerufen am 29.12.2024.