Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Der Angelpunkt des österreichisch-russischen Gegensatzes machen, stets auf eine Schwächung Österreichs hinarbeiten, ob es mit ihm in die Äußerungen des österreichischen Thronfolgers <?) werfen die Frage auf, was ärger sei,
die süßen Worte der österreichischen Regierung oder die gerade, brutale Sprache Rußlands. Die Absicht Österreichs ist es, die im ruthenischen Volke schlummernde Energie wieder ein¬ zulullen. Der Unterschied ist bloß der, daß die österreichische Regierung uns den Polen aus¬ liefert und die russische Regierung den Russen." Dazu wurde begreiflicherweise von einem polnischen Blatte in Lemberg bemerkt: "Die Fragestellung des ukrainischen Organs zeigt deutlich, daß den Ruthenen in Rußland die moskowitische Faust sympathischer wäre, wenn sie etwas weniger brutal sein wollte, daß sie instinktiv nach Rußland gravitieren und daß der Antagonismus gegen das russische Reich bloß in den Köpfen eines minimalen Prozentsatzes der dortigen Ruthenen spukt. Bei der geringsten Milderung der russischen Unterdrückung werden die dortigen Ukrainer bereit sein, mit Nußland in einer Front zu kämpfen. Dann werden sich die österreichischen Kalkulationen als falsch erweisen, noch mehr, Osterreich wird dort einen heftigen Gegner finden, wo es einen Freund und Verbündeten zu finden hoffte." Der Angelpunkt des österreichisch-russischen Gegensatzes machen, stets auf eine Schwächung Österreichs hinarbeiten, ob es mit ihm in die Äußerungen des österreichischen Thronfolgers <?) werfen die Frage auf, was ärger sei,
die süßen Worte der österreichischen Regierung oder die gerade, brutale Sprache Rußlands. Die Absicht Österreichs ist es, die im ruthenischen Volke schlummernde Energie wieder ein¬ zulullen. Der Unterschied ist bloß der, daß die österreichische Regierung uns den Polen aus¬ liefert und die russische Regierung den Russen." Dazu wurde begreiflicherweise von einem polnischen Blatte in Lemberg bemerkt: „Die Fragestellung des ukrainischen Organs zeigt deutlich, daß den Ruthenen in Rußland die moskowitische Faust sympathischer wäre, wenn sie etwas weniger brutal sein wollte, daß sie instinktiv nach Rußland gravitieren und daß der Antagonismus gegen das russische Reich bloß in den Köpfen eines minimalen Prozentsatzes der dortigen Ruthenen spukt. Bei der geringsten Milderung der russischen Unterdrückung werden die dortigen Ukrainer bereit sein, mit Nußland in einer Front zu kämpfen. Dann werden sich die österreichischen Kalkulationen als falsch erweisen, noch mehr, Osterreich wird dort einen heftigen Gegner finden, wo es einen Freund und Verbündeten zu finden hoffte." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327509"/> <fw type="header" place="top"> Der Angelpunkt des österreichisch-russischen Gegensatzes</fw><lb/> <p xml:id="ID_87" prev="#ID_86"> machen, stets auf eine Schwächung Österreichs hinarbeiten, ob es mit ihm in<lb/> Freundschaft lebt oder nicht. Mag Österreich, verärgert über die gescheiterte<lb/> Revision des Bukarester Friedensvertrages, neue Wege seiner auswärtigen Politik<lb/> suchen, es bleibt auch 1913 wahr, was Fürst Bismarck 1889 ausgeführt hatte:<lb/> „Bulgarien, das Ländchen zwischen Donau und Balkan, ist überhaupt kein<lb/> Objekt von hinreichender Größe, um daran die Konsequenzen zu knüpfen, um<lb/> seinetwillen Europa von Moskau bis an die Pyrenäen und von der Nordsee<lb/> bis Palermo hin in einen Krieg zu stürzen, dessen Ausgang kein Mensch voraus¬<lb/> sehen kann; man würde am Ende nach dem Kriege kaum mehr wissen, warum<lb/> man sich geschlagen hat." Und ebenso wahr ist es, daß Österreich den vollen<lb/> Schutz seiner großmächtigen Existenz nur im Bündnisse mit dem Deutschen Reiche<lb/> finden kann, das allein den Frieden zwischen den drei Kaisermächten zu sichern<lb/> vermag. So gewiß Österreich sich in Widerspruch mit den Grundlagen seines<lb/> Daseins setzt, wenn es sich vom Dreibund ab und Rußland oder den West¬<lb/> mächten zuwendet, so gewiß wird Österreich seine Politik auf den Dreibund<lb/> stützen oder — es wird nicht sein.</p><lb/> <note xml:id="FID_10" prev="#FID_9" place="foot"> die Äußerungen des österreichischen Thronfolgers <?) werfen die Frage auf, was ärger sei,<lb/> die süßen Worte der österreichischen Regierung oder die gerade, brutale Sprache Rußlands.<lb/> Die Absicht Österreichs ist es, die im ruthenischen Volke schlummernde Energie wieder ein¬<lb/> zulullen. Der Unterschied ist bloß der, daß die österreichische Regierung uns den Polen aus¬<lb/> liefert und die russische Regierung den Russen." Dazu wurde begreiflicherweise von einem<lb/> polnischen Blatte in Lemberg bemerkt: „Die Fragestellung des ukrainischen Organs zeigt<lb/> deutlich, daß den Ruthenen in Rußland die moskowitische Faust sympathischer wäre, wenn<lb/> sie etwas weniger brutal sein wollte, daß sie instinktiv nach Rußland gravitieren und<lb/> daß der Antagonismus gegen das russische Reich bloß in den Köpfen eines minimalen<lb/> Prozentsatzes der dortigen Ruthenen spukt. Bei der geringsten Milderung der russischen<lb/> Unterdrückung werden die dortigen Ukrainer bereit sein, mit Nußland in einer Front zu<lb/> kämpfen. Dann werden sich die österreichischen Kalkulationen als falsch erweisen, noch mehr,<lb/> Osterreich wird dort einen heftigen Gegner finden, wo es einen Freund und Verbündeten<lb/> zu finden hoffte."</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
Der Angelpunkt des österreichisch-russischen Gegensatzes
machen, stets auf eine Schwächung Österreichs hinarbeiten, ob es mit ihm in
Freundschaft lebt oder nicht. Mag Österreich, verärgert über die gescheiterte
Revision des Bukarester Friedensvertrages, neue Wege seiner auswärtigen Politik
suchen, es bleibt auch 1913 wahr, was Fürst Bismarck 1889 ausgeführt hatte:
„Bulgarien, das Ländchen zwischen Donau und Balkan, ist überhaupt kein
Objekt von hinreichender Größe, um daran die Konsequenzen zu knüpfen, um
seinetwillen Europa von Moskau bis an die Pyrenäen und von der Nordsee
bis Palermo hin in einen Krieg zu stürzen, dessen Ausgang kein Mensch voraus¬
sehen kann; man würde am Ende nach dem Kriege kaum mehr wissen, warum
man sich geschlagen hat." Und ebenso wahr ist es, daß Österreich den vollen
Schutz seiner großmächtigen Existenz nur im Bündnisse mit dem Deutschen Reiche
finden kann, das allein den Frieden zwischen den drei Kaisermächten zu sichern
vermag. So gewiß Österreich sich in Widerspruch mit den Grundlagen seines
Daseins setzt, wenn es sich vom Dreibund ab und Rußland oder den West¬
mächten zuwendet, so gewiß wird Österreich seine Politik auf den Dreibund
stützen oder — es wird nicht sein.
die Äußerungen des österreichischen Thronfolgers <?) werfen die Frage auf, was ärger sei,
die süßen Worte der österreichischen Regierung oder die gerade, brutale Sprache Rußlands.
Die Absicht Österreichs ist es, die im ruthenischen Volke schlummernde Energie wieder ein¬
zulullen. Der Unterschied ist bloß der, daß die österreichische Regierung uns den Polen aus¬
liefert und die russische Regierung den Russen." Dazu wurde begreiflicherweise von einem
polnischen Blatte in Lemberg bemerkt: „Die Fragestellung des ukrainischen Organs zeigt
deutlich, daß den Ruthenen in Rußland die moskowitische Faust sympathischer wäre, wenn
sie etwas weniger brutal sein wollte, daß sie instinktiv nach Rußland gravitieren und
daß der Antagonismus gegen das russische Reich bloß in den Köpfen eines minimalen
Prozentsatzes der dortigen Ruthenen spukt. Bei der geringsten Milderung der russischen
Unterdrückung werden die dortigen Ukrainer bereit sein, mit Nußland in einer Front zu
kämpfen. Dann werden sich die österreichischen Kalkulationen als falsch erweisen, noch mehr,
Osterreich wird dort einen heftigen Gegner finden, wo es einen Freund und Verbündeten
zu finden hoffte."
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