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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliche- und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

sollen vermutlich der Arbeit einen gelehrten
Hauch verleihen. Unerträglich wirkt das
Moralisieren des Verfassers; was er über
Philomöne und Eugönie sagt, ist nur Geschwätz.
Oder Stenzel erklärt: "So leid es mir tut,
und so ungern ich es sage, ich kann nur
wiederholen, Verlaine hat klein, oft beinahe
kleinlich-kläglich gelebt." Er redet über die
Liebschaft (I> des siebenjährigen Knaben mit
der achtjährigen Mathilde und fügt die
Bemerkung hinzu: "daß das Liebes¬
verhältnis rein Platonisch blieb, versteht
sich von selbstl" Was der Verfnsser an
ästhetischen Belehrungen von sich gibt, ist
nicht minder unwertig. "Unsern Dichter" hat
er jedenfalls nicht im entferntesten verstanden.

[Spaltenumbruch]

Ich müßte das ganze Heft widerlegen, wenn
der Platz nicht besser zu verwenden wäre.
Entweder beweist Stenzel den Mangel jeg¬
lichen Tiesblicks, oder er behandelt den Dichter
wie ein Aufsatzthema für Bürgerschulen. Ein
Beispiel genüge: "Man nehme Byron oder
Lenau; man wird einräumen, daß sie, nicht
im Besitze jener unendlichen Schwermut (der
Still), nicht so bedeutende Dichter gewesen
wären." Man muß auch einräumen, daß
Wilhelm Stenzel, nicht im Besitze jener er¬
schreckenden Unfähigkeit, nicht ein so miserabler
Schriftsteller gewesen wäre. -- Mit diesem
Buche, das mit einem Bilde des armen, ge¬
mißhandelten Verlaine geziert ist, hat der
Verlag sich keine Ehren erworben.

Ernst Ludwig Schrllenberg [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsatz- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis "e" "erlag" gestattet.
Berantworllich: der Herausgeber "eorge Cleinow in Berlin-Schineberg. -- Manustriptseutuni"" "t vrtes"
"erden erbeten unter der Adresse: M" den Herausgeber der Srr""l>"tru in peril" - Friede""", Hrd"iiftr. t".
Fernsprecher der Schnstleitung: Amt Uhland 3K30, de" "erlag": "me Lutz"" SK10.
B-rlag: "erlag der "r-nzboten ". in. S. H. tu Berlin SV. 11.
Druck: .Der Reich"b-te" ". in. b. H. tu Berlin SV. II. Dessau" Strafe "SM.


Maßgebliche- und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

sollen vermutlich der Arbeit einen gelehrten
Hauch verleihen. Unerträglich wirkt das
Moralisieren des Verfassers; was er über
Philomöne und Eugönie sagt, ist nur Geschwätz.
Oder Stenzel erklärt: „So leid es mir tut,
und so ungern ich es sage, ich kann nur
wiederholen, Verlaine hat klein, oft beinahe
kleinlich-kläglich gelebt." Er redet über die
Liebschaft (I> des siebenjährigen Knaben mit
der achtjährigen Mathilde und fügt die
Bemerkung hinzu: „daß das Liebes¬
verhältnis rein Platonisch blieb, versteht
sich von selbstl" Was der Verfnsser an
ästhetischen Belehrungen von sich gibt, ist
nicht minder unwertig. „Unsern Dichter" hat
er jedenfalls nicht im entferntesten verstanden.

[Spaltenumbruch]

Ich müßte das ganze Heft widerlegen, wenn
der Platz nicht besser zu verwenden wäre.
Entweder beweist Stenzel den Mangel jeg¬
lichen Tiesblicks, oder er behandelt den Dichter
wie ein Aufsatzthema für Bürgerschulen. Ein
Beispiel genüge: „Man nehme Byron oder
Lenau; man wird einräumen, daß sie, nicht
im Besitze jener unendlichen Schwermut (der
Still), nicht so bedeutende Dichter gewesen
wären." Man muß auch einräumen, daß
Wilhelm Stenzel, nicht im Besitze jener er¬
schreckenden Unfähigkeit, nicht ein so miserabler
Schriftsteller gewesen wäre. — Mit diesem
Buche, das mit einem Bilde des armen, ge¬
mißhandelten Verlaine geziert ist, hat der
Verlag sich keine Ehren erworben.

Ernst Ludwig Schrllenberg [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsatz- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis »e» «erlag« gestattet.
Berantworllich: der Herausgeber »eorge Cleinow in Berlin-Schineberg. — Manustriptseutuni«« »t vrtes»
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[0348] Maßgebliche- und Unmaßgebliches sollen vermutlich der Arbeit einen gelehrten Hauch verleihen. Unerträglich wirkt das Moralisieren des Verfassers; was er über Philomöne und Eugönie sagt, ist nur Geschwätz. Oder Stenzel erklärt: „So leid es mir tut, und so ungern ich es sage, ich kann nur wiederholen, Verlaine hat klein, oft beinahe kleinlich-kläglich gelebt." Er redet über die Liebschaft (I> des siebenjährigen Knaben mit der achtjährigen Mathilde und fügt die Bemerkung hinzu: „daß das Liebes¬ verhältnis rein Platonisch blieb, versteht sich von selbstl" Was der Verfnsser an ästhetischen Belehrungen von sich gibt, ist nicht minder unwertig. „Unsern Dichter" hat er jedenfalls nicht im entferntesten verstanden. Ich müßte das ganze Heft widerlegen, wenn der Platz nicht besser zu verwenden wäre. Entweder beweist Stenzel den Mangel jeg¬ lichen Tiesblicks, oder er behandelt den Dichter wie ein Aufsatzthema für Bürgerschulen. Ein Beispiel genüge: „Man nehme Byron oder Lenau; man wird einräumen, daß sie, nicht im Besitze jener unendlichen Schwermut (der Still), nicht so bedeutende Dichter gewesen wären." Man muß auch einräumen, daß Wilhelm Stenzel, nicht im Besitze jener er¬ schreckenden Unfähigkeit, nicht ein so miserabler Schriftsteller gewesen wäre. — Mit diesem Buche, das mit einem Bilde des armen, ge¬ mißhandelten Verlaine geziert ist, hat der Verlag sich keine Ehren erworben. Ernst Ludwig Schrllenberg Nachdruck sämtlicher Aufsatz- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis »e» «erlag« gestattet. Berantworllich: der Herausgeber »eorge Cleinow in Berlin-Schineberg. — Manustriptseutuni«« »t vrtes» «erden erbeten unter der Adresse: M» den Herausgeber der Srr»»l>»tru in peril» - Friede»««, Hrd»iiftr. t». Fernsprecher der Schnstleitung: Amt Uhland 3K30, de« »erlag»: «me Lutz»» SK10. B-rlag: «erlag der »r-nzboten ». in. S. H. tu Berlin SV. 11. Druck: .Der Reich»b-te" ». in. b. H. tu Berlin SV. II. Dessau« Strafe »SM.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/348>, abgerufen am 29.12.2024.