Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Neugestaltung des deutschen Iivilprszesses vorgebeugt. Auf der anderen Seite könnte man vielleicht der Tatsache Rechnung Im Anschluß hieran mag ein Vorschlag Lobes erwähnt werden, der die Die Neugestaltung des deutschen Iivilprszesses vorgebeugt. Auf der anderen Seite könnte man vielleicht der Tatsache Rechnung Im Anschluß hieran mag ein Vorschlag Lobes erwähnt werden, der die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327787"/> <fw type="header" place="top"> Die Neugestaltung des deutschen Iivilprszesses</fw><lb/> <p xml:id="ID_1501" prev="#ID_1500"> vorgebeugt. Auf der anderen Seite könnte man vielleicht der Tatsache Rechnung<lb/> tragen, daß derjenige, der einen Prozeß führt, oft in der Bearbeitung des<lb/> Prozesses durch ein Kollegium eine bessere Gewähr für eine zutreffende Entscheidung<lb/> finden wird, als wenn ein Einzelrichter sich damit zu befassen hat. Deshalb<lb/> wäre es zweckmäßig, wenn unter Aufnahme und teilweiser Umkehrung eines<lb/> weiteren Vorschlages Jastrows auf dem Richtertage alle Prozesse dem Amts¬<lb/> gericht übertragen würden, daß aber den Parteien die Möglichkeit eröffnet wird,<lb/> ihren Prozeß ans Landgericht überweisen zu lassen, falls sie dies beantragen.<lb/> Dabei wäre eine Grenze festzusetzen, bis zu welcher ausschließlich das Amts¬<lb/> gericht zuständig ist. Diese Grenze könnte bei einer solchen Regelung unter<lb/> Rückkehr zu dem alten Zustand vor 1909 wieder auf 300 Mark festgesetzt<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1502"> Im Anschluß hieran mag ein Vorschlag Lobes erwähnt werden, der die<lb/> Zusammensetzung der erkennenden Gerichte betrifft. Es handelt sich um die<lb/> Zuziehung von Sachverständigen zur Verstärkung der Richterbank in Fällen, die<lb/> besondere Sachkunde zur Feststellung tatsächlicher Vorgänge erfordern. Der<lb/> Vorschlag hat wenig Gegenliebe beim Nichtertage gefunden. Und doch wäre<lb/> durch Bestreitung dieses Weges die Möglichkeit gegeben, die gewerblichen und<lb/> kaufmännischen Sondergerichte, deren Daseinsberechtigung bei einer zweckmäßigen<lb/> Neugestaltung des Zivilprozesses ohnehin nicht mehr allzugroß wäre, als solche<lb/> wieder zu beseitigen. Ob die nötigen und geeigneten Kräfte hierzu überall<lb/> werden zu finden sein, muß freilich bezweifelt werden. Denn oft genug wird<lb/> der einzige Sachverständige gerade die eine Prozeßpartei sein. Es müßte dann<lb/> der Sachverständige von weither geholt werden, damit die Nichterbank vervoll¬<lb/> ständigt werden kann, oder aber auch in Fällen, wo man gern einen Sach¬<lb/> verständigen zuziehen möchte, auf Mitwirkung eines solchen verzichten werden.<lb/> Im ersteren Falle ist die Folge eine erhebliche Verteuerung des Prozesses, der<lb/> Verzicht auf den Sachverständigen bedeutet, den Willen des Gesetzgebers außer<lb/> Kraft setzen. Beides kann nicht befriedigen. Deshalb empfiehlt sich lediglich<lb/> eine Änderung der Vorschriften über den Beweis durch Sachverständige. Das<lb/> einmal eingeholte Gutachten eines Sachverständigen muß größere Bedeutung<lb/> erlangen. Es sollte nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen von<lb/> den Parteien angefochten werden dürfen und muß gleichsam die Stelle eines<lb/> auch für den Richter verbindlichen Urteilsspruchs über die Fragen, deren Fest¬<lb/> stellung es dienen soll, vertreten. Der Beweis durch Sachverständige<lb/> würde also der freien Beweiswürdigung des Richters entzogen. Allerdings<lb/> müßte die Anhörung mehrerer Sachverständigen zulässig sein, deren Gutachten<lb/> im, Falle von Meinungsverschiedenheiten einem Obergutachter zu unterbreiten<lb/> wären. Bei genügend sorgfältiger Auswahl der Sachverständigen, die nötigenfalls<lb/> nach Anhörung geeigneter Körperschaften zu erfolgen hätte, wäre eine derartige<lb/> Regelung des Sachverständigenbeweises, die gleichfalls dazu beitragen würde,<lb/> die Sondergerichte überflüssig zu machen, frei von Bedenken.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0321]
Die Neugestaltung des deutschen Iivilprszesses
vorgebeugt. Auf der anderen Seite könnte man vielleicht der Tatsache Rechnung
tragen, daß derjenige, der einen Prozeß führt, oft in der Bearbeitung des
Prozesses durch ein Kollegium eine bessere Gewähr für eine zutreffende Entscheidung
finden wird, als wenn ein Einzelrichter sich damit zu befassen hat. Deshalb
wäre es zweckmäßig, wenn unter Aufnahme und teilweiser Umkehrung eines
weiteren Vorschlages Jastrows auf dem Richtertage alle Prozesse dem Amts¬
gericht übertragen würden, daß aber den Parteien die Möglichkeit eröffnet wird,
ihren Prozeß ans Landgericht überweisen zu lassen, falls sie dies beantragen.
Dabei wäre eine Grenze festzusetzen, bis zu welcher ausschließlich das Amts¬
gericht zuständig ist. Diese Grenze könnte bei einer solchen Regelung unter
Rückkehr zu dem alten Zustand vor 1909 wieder auf 300 Mark festgesetzt
werden.
Im Anschluß hieran mag ein Vorschlag Lobes erwähnt werden, der die
Zusammensetzung der erkennenden Gerichte betrifft. Es handelt sich um die
Zuziehung von Sachverständigen zur Verstärkung der Richterbank in Fällen, die
besondere Sachkunde zur Feststellung tatsächlicher Vorgänge erfordern. Der
Vorschlag hat wenig Gegenliebe beim Nichtertage gefunden. Und doch wäre
durch Bestreitung dieses Weges die Möglichkeit gegeben, die gewerblichen und
kaufmännischen Sondergerichte, deren Daseinsberechtigung bei einer zweckmäßigen
Neugestaltung des Zivilprozesses ohnehin nicht mehr allzugroß wäre, als solche
wieder zu beseitigen. Ob die nötigen und geeigneten Kräfte hierzu überall
werden zu finden sein, muß freilich bezweifelt werden. Denn oft genug wird
der einzige Sachverständige gerade die eine Prozeßpartei sein. Es müßte dann
der Sachverständige von weither geholt werden, damit die Nichterbank vervoll¬
ständigt werden kann, oder aber auch in Fällen, wo man gern einen Sach¬
verständigen zuziehen möchte, auf Mitwirkung eines solchen verzichten werden.
Im ersteren Falle ist die Folge eine erhebliche Verteuerung des Prozesses, der
Verzicht auf den Sachverständigen bedeutet, den Willen des Gesetzgebers außer
Kraft setzen. Beides kann nicht befriedigen. Deshalb empfiehlt sich lediglich
eine Änderung der Vorschriften über den Beweis durch Sachverständige. Das
einmal eingeholte Gutachten eines Sachverständigen muß größere Bedeutung
erlangen. Es sollte nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen von
den Parteien angefochten werden dürfen und muß gleichsam die Stelle eines
auch für den Richter verbindlichen Urteilsspruchs über die Fragen, deren Fest¬
stellung es dienen soll, vertreten. Der Beweis durch Sachverständige
würde also der freien Beweiswürdigung des Richters entzogen. Allerdings
müßte die Anhörung mehrerer Sachverständigen zulässig sein, deren Gutachten
im, Falle von Meinungsverschiedenheiten einem Obergutachter zu unterbreiten
wären. Bei genügend sorgfältiger Auswahl der Sachverständigen, die nötigenfalls
nach Anhörung geeigneter Körperschaften zu erfolgen hätte, wäre eine derartige
Regelung des Sachverständigenbeweises, die gleichfalls dazu beitragen würde,
die Sondergerichte überflüssig zu machen, frei von Bedenken.
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