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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Kexe von Mayen

"Bei Andernach liegen sie? Ist das nicht ganz nahe? Bei den Braun¬
schweigern ist der Herzog Hans Adolf von Holstein-Plön, und auch . . ."

Sie hielt inne, und über ihr blasses Gesicht ging ein feines Rot. Junker
Wiltberg sah es und ihn überkam eine Unruhe.

"Wer ist sonst noch dabei?" forschte er, aber das Fräulein hatte sich
schon gesaßt.

"Der Herzog Hans Adolf ist ein großer Feldherr und er würde mir
helfen, wenn er mich auch nicht kennt. Er hilft allen Landsleuten I"

"Ich hörte, daß er ein großer Zauberer ist!"

Sebastian war steif und argwöhnisch geworden.

Heilwig faltete die Hände. "Ach, könnte er doch zaubern und vermöchte
ich es nur! Keine Stunde mehr säße ich hier im Turm!"

Sebastian wollte etwas erwidern, da aber rasselte es an der Tür und der
Stadtschreiber trat ein. Mit einem spöttischen Blick streifte er den Junker und
verbeugte sich dann artig vor Heilwig.

"Nun, Fräulein, gefällt Euch der geistliche Zuspruch des Junkers? Er
hat zwar die Weihen noch nicht empfangen, aber sobald die Zeiten besser
werden, wird er sich die Tonsur scheren lassen. Ihr könnt ihn: dann später
alle Sünden getrost beichten!"

"Ihr vergeßt, daß ich lutherisch bin und keine Ohrenbeichte kenne!" ant¬
wortete Heilwig, während sie einen halb hilfeflehenden Blick auf Sebastian warf,
der vor Zorn nichts erwidern konnte.

"Ach ja, Ihr seid eine Ketzerin, Gott sei es geklagt!" Der Schreiber
schüttelte betrübt den Kopf. "Wie wäre es, Fräulein, wenn Ihr den
ketzerischen Glauben abschwörtet und in den Schoß unserer Kirche zurückkehrtet?
Ich hoffe, Euch dann aus diesem häßlichen Turm befreien zu können!"

"Das werdet Ihr nie tun, wenn dies die Bedingung ist!"

Heilwigs Augen flammten den Sprecher zornig an und er zuckte die
Achseln.

"Euer Eigensinn ist mir leid! Nun, ich hoffe, daß der Bürgermeister und
der Stadtpfarrer auch dann noch Milde üben werden, wenn Ihr halsstarrig
bleibt. Sicher kann ich es nicht versprechen. Nicht wahr, Junker? Wir sind
strenggläubig hier in Manen, und wer sich eines anderen Glaubens vermißt,
der erregt Ärgernis. Es soll aber dem, der Ärgernis erregt, ein Mühlstein
um den Hals gebunden werden und er soll ertränkt werden, wo es am tiefsten
ist. So steht es in dem heiligen Gotteswort, nicht wahr, Herr von Wiltberg?"

Sebastian hatte sich gefaßt.

"Es steht in der Heiligen Schrift auch viel von der Barmherzigkeit!" ent¬
gegnen er, und Lambert Wendemut lächelte giftig.

"Sicherlich, Junker. Daher will ich den gestrengen Herren Langmut
empfehlen, so lange es geht. Aber das Volk ist erregt. Der armen Grill ist
mitten auf der Straße ein Packen mit guten Sachen abhanden gekommen,


Die Kexe von Mayen

„Bei Andernach liegen sie? Ist das nicht ganz nahe? Bei den Braun¬
schweigern ist der Herzog Hans Adolf von Holstein-Plön, und auch . . ."

Sie hielt inne, und über ihr blasses Gesicht ging ein feines Rot. Junker
Wiltberg sah es und ihn überkam eine Unruhe.

„Wer ist sonst noch dabei?" forschte er, aber das Fräulein hatte sich
schon gesaßt.

„Der Herzog Hans Adolf ist ein großer Feldherr und er würde mir
helfen, wenn er mich auch nicht kennt. Er hilft allen Landsleuten I"

„Ich hörte, daß er ein großer Zauberer ist!"

Sebastian war steif und argwöhnisch geworden.

Heilwig faltete die Hände. „Ach, könnte er doch zaubern und vermöchte
ich es nur! Keine Stunde mehr säße ich hier im Turm!"

Sebastian wollte etwas erwidern, da aber rasselte es an der Tür und der
Stadtschreiber trat ein. Mit einem spöttischen Blick streifte er den Junker und
verbeugte sich dann artig vor Heilwig.

„Nun, Fräulein, gefällt Euch der geistliche Zuspruch des Junkers? Er
hat zwar die Weihen noch nicht empfangen, aber sobald die Zeiten besser
werden, wird er sich die Tonsur scheren lassen. Ihr könnt ihn: dann später
alle Sünden getrost beichten!"

„Ihr vergeßt, daß ich lutherisch bin und keine Ohrenbeichte kenne!" ant¬
wortete Heilwig, während sie einen halb hilfeflehenden Blick auf Sebastian warf,
der vor Zorn nichts erwidern konnte.

„Ach ja, Ihr seid eine Ketzerin, Gott sei es geklagt!" Der Schreiber
schüttelte betrübt den Kopf. „Wie wäre es, Fräulein, wenn Ihr den
ketzerischen Glauben abschwörtet und in den Schoß unserer Kirche zurückkehrtet?
Ich hoffe, Euch dann aus diesem häßlichen Turm befreien zu können!"

„Das werdet Ihr nie tun, wenn dies die Bedingung ist!"

Heilwigs Augen flammten den Sprecher zornig an und er zuckte die
Achseln.

„Euer Eigensinn ist mir leid! Nun, ich hoffe, daß der Bürgermeister und
der Stadtpfarrer auch dann noch Milde üben werden, wenn Ihr halsstarrig
bleibt. Sicher kann ich es nicht versprechen. Nicht wahr, Junker? Wir sind
strenggläubig hier in Manen, und wer sich eines anderen Glaubens vermißt,
der erregt Ärgernis. Es soll aber dem, der Ärgernis erregt, ein Mühlstein
um den Hals gebunden werden und er soll ertränkt werden, wo es am tiefsten
ist. So steht es in dem heiligen Gotteswort, nicht wahr, Herr von Wiltberg?"

Sebastian hatte sich gefaßt.

„Es steht in der Heiligen Schrift auch viel von der Barmherzigkeit!" ent¬
gegnen er, und Lambert Wendemut lächelte giftig.

„Sicherlich, Junker. Daher will ich den gestrengen Herren Langmut
empfehlen, so lange es geht. Aber das Volk ist erregt. Der armen Grill ist
mitten auf der Straße ein Packen mit guten Sachen abhanden gekommen,


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[0286] Die Kexe von Mayen „Bei Andernach liegen sie? Ist das nicht ganz nahe? Bei den Braun¬ schweigern ist der Herzog Hans Adolf von Holstein-Plön, und auch . . ." Sie hielt inne, und über ihr blasses Gesicht ging ein feines Rot. Junker Wiltberg sah es und ihn überkam eine Unruhe. „Wer ist sonst noch dabei?" forschte er, aber das Fräulein hatte sich schon gesaßt. „Der Herzog Hans Adolf ist ein großer Feldherr und er würde mir helfen, wenn er mich auch nicht kennt. Er hilft allen Landsleuten I" „Ich hörte, daß er ein großer Zauberer ist!" Sebastian war steif und argwöhnisch geworden. Heilwig faltete die Hände. „Ach, könnte er doch zaubern und vermöchte ich es nur! Keine Stunde mehr säße ich hier im Turm!" Sebastian wollte etwas erwidern, da aber rasselte es an der Tür und der Stadtschreiber trat ein. Mit einem spöttischen Blick streifte er den Junker und verbeugte sich dann artig vor Heilwig. „Nun, Fräulein, gefällt Euch der geistliche Zuspruch des Junkers? Er hat zwar die Weihen noch nicht empfangen, aber sobald die Zeiten besser werden, wird er sich die Tonsur scheren lassen. Ihr könnt ihn: dann später alle Sünden getrost beichten!" „Ihr vergeßt, daß ich lutherisch bin und keine Ohrenbeichte kenne!" ant¬ wortete Heilwig, während sie einen halb hilfeflehenden Blick auf Sebastian warf, der vor Zorn nichts erwidern konnte. „Ach ja, Ihr seid eine Ketzerin, Gott sei es geklagt!" Der Schreiber schüttelte betrübt den Kopf. „Wie wäre es, Fräulein, wenn Ihr den ketzerischen Glauben abschwörtet und in den Schoß unserer Kirche zurückkehrtet? Ich hoffe, Euch dann aus diesem häßlichen Turm befreien zu können!" „Das werdet Ihr nie tun, wenn dies die Bedingung ist!" Heilwigs Augen flammten den Sprecher zornig an und er zuckte die Achseln. „Euer Eigensinn ist mir leid! Nun, ich hoffe, daß der Bürgermeister und der Stadtpfarrer auch dann noch Milde üben werden, wenn Ihr halsstarrig bleibt. Sicher kann ich es nicht versprechen. Nicht wahr, Junker? Wir sind strenggläubig hier in Manen, und wer sich eines anderen Glaubens vermißt, der erregt Ärgernis. Es soll aber dem, der Ärgernis erregt, ein Mühlstein um den Hals gebunden werden und er soll ertränkt werden, wo es am tiefsten ist. So steht es in dem heiligen Gotteswort, nicht wahr, Herr von Wiltberg?" Sebastian hatte sich gefaßt. „Es steht in der Heiligen Schrift auch viel von der Barmherzigkeit!" ent¬ gegnen er, und Lambert Wendemut lächelte giftig. „Sicherlich, Junker. Daher will ich den gestrengen Herren Langmut empfehlen, so lange es geht. Aber das Volk ist erregt. Der armen Grill ist mitten auf der Straße ein Packen mit guten Sachen abhanden gekommen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/286>, abgerufen am 04.01.2025.