Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegel Noch ist die schwere innerpolitische Krise in Preußen und Deutschland nicht Reichsspiegel Noch ist die schwere innerpolitische Krise in Preußen und Deutschland nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327709"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_327465/figures/grenzboten_341899_327465_327709_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <p xml:id="ID_1123" next="#ID_1124"> Noch ist die schwere innerpolitische Krise in Preußen und Deutschland nicht<lb/> überwunden und schon werden Sturmzeichen am internationalen Horizont sichtbar.<lb/> Griechenland und die Türkei können oder wollen sich nicht über die Erledigung<lb/> der Jnselfrage einigen, und Rußland scheint es darauf anzulegen, alles zu ver¬<lb/> hindern, was zu einer Genesung und Wiedererstarkung der Türkei führen<lb/> könnte. Die Politik der Türkei aber ist nicht ganz durchsichtig. Sie erscheint<lb/> anmaßend nach der einen, nachgiebig auf der anderen Seite; im Innern wird,<lb/> wie die Verabschiedung von rund zweihundert höheren Offizieren beweist, mit<lb/> einer Schroffheit vorgegangen, die sich wohl Despoten oder Nevolutionstribunale<lb/> erlauben können, nicht aber konstitutionell begründete Regierungen. Doch Enver<lb/> Pascha, der neue Kriegsminister, auf dessen Willen jene Maßregeln zurück¬<lb/> zuführen sind, wird seine Landsleute kennen und wissen, was er ihnen zumuten<lb/> darf. Mit gleicher Rücksichtslosigkeit hat Enver Pascha sich über die Gefühle<lb/> der deutschen Offiziere hinweggesetzt, die die türkische Regierung im Herbst<lb/> vorigen Jahres zur Reorganisation des Heeres berufen hatte. Die allmähliche<lb/> Umwandlung der Stellung des Generals von Liman - Sanders aus einer<lb/> befehlenden in eine beratende war wohl geeignet, das Selbstgefühl der davon<lb/> betroffenen Offiziere zu berühren, doppelt, weil sie auf den Druck Ru߬<lb/> lands hin erfolgte, und die russische Orientpolitik heute offenkundiger als<lb/> sonst ihre Spitze gegen Deutschland und Österreich-Ungarn richtet. Dennoch<lb/> wird man die äußere Zurücksetzung der deutschen Militärmission nicht gar so<lb/> tragisch nehmen dürfen, wie es hier und da geschehen ist, und allein die Tat¬<lb/> sache, daß Liman - Sanders nicht kurzerhand darauf verzichtet hat, unter den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
[Abbildung]
Reichsspiegel
Noch ist die schwere innerpolitische Krise in Preußen und Deutschland nicht
überwunden und schon werden Sturmzeichen am internationalen Horizont sichtbar.
Griechenland und die Türkei können oder wollen sich nicht über die Erledigung
der Jnselfrage einigen, und Rußland scheint es darauf anzulegen, alles zu ver¬
hindern, was zu einer Genesung und Wiedererstarkung der Türkei führen
könnte. Die Politik der Türkei aber ist nicht ganz durchsichtig. Sie erscheint
anmaßend nach der einen, nachgiebig auf der anderen Seite; im Innern wird,
wie die Verabschiedung von rund zweihundert höheren Offizieren beweist, mit
einer Schroffheit vorgegangen, die sich wohl Despoten oder Nevolutionstribunale
erlauben können, nicht aber konstitutionell begründete Regierungen. Doch Enver
Pascha, der neue Kriegsminister, auf dessen Willen jene Maßregeln zurück¬
zuführen sind, wird seine Landsleute kennen und wissen, was er ihnen zumuten
darf. Mit gleicher Rücksichtslosigkeit hat Enver Pascha sich über die Gefühle
der deutschen Offiziere hinweggesetzt, die die türkische Regierung im Herbst
vorigen Jahres zur Reorganisation des Heeres berufen hatte. Die allmähliche
Umwandlung der Stellung des Generals von Liman - Sanders aus einer
befehlenden in eine beratende war wohl geeignet, das Selbstgefühl der davon
betroffenen Offiziere zu berühren, doppelt, weil sie auf den Druck Ru߬
lands hin erfolgte, und die russische Orientpolitik heute offenkundiger als
sonst ihre Spitze gegen Deutschland und Österreich-Ungarn richtet. Dennoch
wird man die äußere Zurücksetzung der deutschen Militärmission nicht gar so
tragisch nehmen dürfen, wie es hier und da geschehen ist, und allein die Tat¬
sache, daß Liman - Sanders nicht kurzerhand darauf verzichtet hat, unter den
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