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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Neugestaltung des deutschen Iivilprozesses

Als das grundsätzlich ausschließliche staatliche Mittel, unstreitigen Forde¬
rungen zur Befriedigung zu verhelfen, will Lobe das Mahnverfahren angesehen
wissen. Dieses spielt sich ohne Rücksicht auf den Streitwert vor dem Amtsgericht
ab. Es bedarf aber kaum einer Erörterung, daß dem heutigen Mahnverfahren eine
Neugestaltung dringend not tut. Die Gründe, die aus den weiteren Aus¬
führungen ersichtlich sein werden, lassen es zunächst zweckmäßig erscheinen,
daß der Zahlungsbefehl nicht sofort und ohne Gehör des Schuldners auf den
Antrag des Gläubigers, der etwa den gleichen Erfordernissen wie heute
entsprechen müßte, erlassen wird. Vielmehr wäre der Antrag, falls dem Erlaß
des Zahlungsbefehls nicht an sich schon Bedenken entgegenstehen, zunächst dem
Schuldner zur Erklärung mitzuteilen. Die Frist hierzu könnte dem innerhalb
des Amtsgerichtsbezirks aufhaltsamen Schuldner auf drei, dem außerhalb des
Bezirks wohnhaften Schuldner auf fünf bis sieben Tage bemessen werden,
ohne daß dadurch der Promptheit des Verfahrens Abbruch geschähe.

Läßt der Schuldner die Frist verstreichen, ohne daß er eine Erklärung,
abgibt, so wäre der Zahlungsbefehl zu erlassen. Dem Zahlungsbefehl müßten
dann die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils zukommen.

Diese Forderung erscheint für den ersten Blick etwas hart, ist aber doch
gerecht. Denn das Gericht darf von dem Schuldner erwarten, daß er auf
seine Schreiben antworte, zumal dies nicht in des Staates, sondern ausschließlich
in des Schuldners eigenem Interesse liegt. Wird die Frist versäumt, so muß der
Schuldner die Folgen seiner Säumnis tragen. Diese Regelung des Verfahrens
wäre nicht härter für den Schuldner als die von Lobe vorgeschlagene. Aller¬
dings wäre dem Schuldner, der in entschuldbarer Säumnis sich befindet, das
Recht zuzubilligen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verlangen.
Damit der Schuldner nicht in Unkenntnis seiner Rechte den Widerspruch oder
den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt, müßte er
alsbald bei Zustellung des Antrages des Gläubigers nicht nur auf die Folgen
etwaiger Fristversäumung, sondern auch auf die Mittel, wie diese zu beseitigen
sind, hingewiesen werden. Solche Belehrungen sollten, um dies hier mit zu
erwähnen, überhaupt bei allen Zustellungen erfolgen.

Wenn sich der Schuldner darauf beschränkt, um Stundung zu bitten, so ist zwar
der Zahlungsbefehl alsbald zu erlassen, dem Schuldner aber die Befugnis vor¬
zubehalten, durch Zahlung eines angemessenen Teilbetrages die Vollstreckung
abzuwenden. Über das Stundungsgesuch ist nach Anhörung des Gläubigers
definitiv in gleicher Weise zu entscheiden wie oben geschildert. Um Stundung
kann auch nachträglich gebeten werden, solange der Gläubiger noch nicht voll¬
ständig befriedigt ist.

Widerspricht der Schuldner dem Erlaß des Zahlungsbefehls innerhalb der
ihm gewährten Frist, so wird von Amtswegen ein Termin zur mündlichen Ver¬
handlung anberaumt. Der Termin ist den Parteien bekannt zu geben, unter
der Verwarnung, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten Be-


Die Neugestaltung des deutschen Iivilprozesses

Als das grundsätzlich ausschließliche staatliche Mittel, unstreitigen Forde¬
rungen zur Befriedigung zu verhelfen, will Lobe das Mahnverfahren angesehen
wissen. Dieses spielt sich ohne Rücksicht auf den Streitwert vor dem Amtsgericht
ab. Es bedarf aber kaum einer Erörterung, daß dem heutigen Mahnverfahren eine
Neugestaltung dringend not tut. Die Gründe, die aus den weiteren Aus¬
führungen ersichtlich sein werden, lassen es zunächst zweckmäßig erscheinen,
daß der Zahlungsbefehl nicht sofort und ohne Gehör des Schuldners auf den
Antrag des Gläubigers, der etwa den gleichen Erfordernissen wie heute
entsprechen müßte, erlassen wird. Vielmehr wäre der Antrag, falls dem Erlaß
des Zahlungsbefehls nicht an sich schon Bedenken entgegenstehen, zunächst dem
Schuldner zur Erklärung mitzuteilen. Die Frist hierzu könnte dem innerhalb
des Amtsgerichtsbezirks aufhaltsamen Schuldner auf drei, dem außerhalb des
Bezirks wohnhaften Schuldner auf fünf bis sieben Tage bemessen werden,
ohne daß dadurch der Promptheit des Verfahrens Abbruch geschähe.

Läßt der Schuldner die Frist verstreichen, ohne daß er eine Erklärung,
abgibt, so wäre der Zahlungsbefehl zu erlassen. Dem Zahlungsbefehl müßten
dann die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils zukommen.

Diese Forderung erscheint für den ersten Blick etwas hart, ist aber doch
gerecht. Denn das Gericht darf von dem Schuldner erwarten, daß er auf
seine Schreiben antworte, zumal dies nicht in des Staates, sondern ausschließlich
in des Schuldners eigenem Interesse liegt. Wird die Frist versäumt, so muß der
Schuldner die Folgen seiner Säumnis tragen. Diese Regelung des Verfahrens
wäre nicht härter für den Schuldner als die von Lobe vorgeschlagene. Aller¬
dings wäre dem Schuldner, der in entschuldbarer Säumnis sich befindet, das
Recht zuzubilligen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verlangen.
Damit der Schuldner nicht in Unkenntnis seiner Rechte den Widerspruch oder
den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt, müßte er
alsbald bei Zustellung des Antrages des Gläubigers nicht nur auf die Folgen
etwaiger Fristversäumung, sondern auch auf die Mittel, wie diese zu beseitigen
sind, hingewiesen werden. Solche Belehrungen sollten, um dies hier mit zu
erwähnen, überhaupt bei allen Zustellungen erfolgen.

Wenn sich der Schuldner darauf beschränkt, um Stundung zu bitten, so ist zwar
der Zahlungsbefehl alsbald zu erlassen, dem Schuldner aber die Befugnis vor¬
zubehalten, durch Zahlung eines angemessenen Teilbetrages die Vollstreckung
abzuwenden. Über das Stundungsgesuch ist nach Anhörung des Gläubigers
definitiv in gleicher Weise zu entscheiden wie oben geschildert. Um Stundung
kann auch nachträglich gebeten werden, solange der Gläubiger noch nicht voll¬
ständig befriedigt ist.

Widerspricht der Schuldner dem Erlaß des Zahlungsbefehls innerhalb der
ihm gewährten Frist, so wird von Amtswegen ein Termin zur mündlichen Ver¬
handlung anberaumt. Der Termin ist den Parteien bekannt zu geben, unter
der Verwarnung, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten Be-


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[0226] Die Neugestaltung des deutschen Iivilprozesses Als das grundsätzlich ausschließliche staatliche Mittel, unstreitigen Forde¬ rungen zur Befriedigung zu verhelfen, will Lobe das Mahnverfahren angesehen wissen. Dieses spielt sich ohne Rücksicht auf den Streitwert vor dem Amtsgericht ab. Es bedarf aber kaum einer Erörterung, daß dem heutigen Mahnverfahren eine Neugestaltung dringend not tut. Die Gründe, die aus den weiteren Aus¬ führungen ersichtlich sein werden, lassen es zunächst zweckmäßig erscheinen, daß der Zahlungsbefehl nicht sofort und ohne Gehör des Schuldners auf den Antrag des Gläubigers, der etwa den gleichen Erfordernissen wie heute entsprechen müßte, erlassen wird. Vielmehr wäre der Antrag, falls dem Erlaß des Zahlungsbefehls nicht an sich schon Bedenken entgegenstehen, zunächst dem Schuldner zur Erklärung mitzuteilen. Die Frist hierzu könnte dem innerhalb des Amtsgerichtsbezirks aufhaltsamen Schuldner auf drei, dem außerhalb des Bezirks wohnhaften Schuldner auf fünf bis sieben Tage bemessen werden, ohne daß dadurch der Promptheit des Verfahrens Abbruch geschähe. Läßt der Schuldner die Frist verstreichen, ohne daß er eine Erklärung, abgibt, so wäre der Zahlungsbefehl zu erlassen. Dem Zahlungsbefehl müßten dann die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils zukommen. Diese Forderung erscheint für den ersten Blick etwas hart, ist aber doch gerecht. Denn das Gericht darf von dem Schuldner erwarten, daß er auf seine Schreiben antworte, zumal dies nicht in des Staates, sondern ausschließlich in des Schuldners eigenem Interesse liegt. Wird die Frist versäumt, so muß der Schuldner die Folgen seiner Säumnis tragen. Diese Regelung des Verfahrens wäre nicht härter für den Schuldner als die von Lobe vorgeschlagene. Aller¬ dings wäre dem Schuldner, der in entschuldbarer Säumnis sich befindet, das Recht zuzubilligen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verlangen. Damit der Schuldner nicht in Unkenntnis seiner Rechte den Widerspruch oder den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt, müßte er alsbald bei Zustellung des Antrages des Gläubigers nicht nur auf die Folgen etwaiger Fristversäumung, sondern auch auf die Mittel, wie diese zu beseitigen sind, hingewiesen werden. Solche Belehrungen sollten, um dies hier mit zu erwähnen, überhaupt bei allen Zustellungen erfolgen. Wenn sich der Schuldner darauf beschränkt, um Stundung zu bitten, so ist zwar der Zahlungsbefehl alsbald zu erlassen, dem Schuldner aber die Befugnis vor¬ zubehalten, durch Zahlung eines angemessenen Teilbetrages die Vollstreckung abzuwenden. Über das Stundungsgesuch ist nach Anhörung des Gläubigers definitiv in gleicher Weise zu entscheiden wie oben geschildert. Um Stundung kann auch nachträglich gebeten werden, solange der Gläubiger noch nicht voll¬ ständig befriedigt ist. Widerspricht der Schuldner dem Erlaß des Zahlungsbefehls innerhalb der ihm gewährten Frist, so wird von Amtswegen ein Termin zur mündlichen Ver¬ handlung anberaumt. Der Termin ist den Parteien bekannt zu geben, unter der Verwarnung, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/226>, abgerufen am 01.01.2025.