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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Posener Akademie

noch leidenschaftlicher bekämpft und abgewiesen worden. Unter denjenigen, die
ihn außerhalb des zunächst interessierten Profesforenkollegiums nachhaltig und
energisch in der Öffentlichkeit vertreten, verdienen der Kieler Universitätsprofessor
Eugen Wolff und der Posener Oberlehrer Prof. Szymank besonders genannt zu
werden. In der Tat ist die Universität die einzige Form der Hochschule, welche
in vollem Matze die Aufgabe erfüllen könnte, der belebende Mittelpunkt für das
geistige Leben der Provinz zu werden, und der gleichzeitig ihren realpolitischen
und wirtschaftlichen Interessen am vielseitigsten zu dienen vermöchte, vor allem
indem sie einen einheimischen im Boden der Provinz wurzelnden Bestand von
Beamten und Richtern, Oberlehrern und Ärzten sichern würde. Daher erscheint
es gerechtfertigt, daß der Wunsch des Oberpräsidenten Dr. Schwartzkopff, wie
bekannt, auf die Erweiterung der Akademie zur Universität hinausgeht. Daß
von diesem Gesichtspunkte betrachtet die östlichen Provinzen einer neuen Universität
bedürfen, welche die weiten Lücken zwischen Königsberg und Greifswald ergänzt,
daran kann trotz aller Bedenken, welche man gegen die Vermehrung der Uni¬
versitäten im allgemeinen erhoben hat, kein Zweifel sein. Auch ist es mehr als
wahrscheinlich, daß, wenn Posen den Schritt zur Universität nicht in absehbarer
Zeit tut. die sehr energischen Bestrebungen Danzigs zu dem gleichen Zweck
von Erfolg gekrönt sein werden. So sind es denn nicht sowohl finan¬
zielle Rücksichten, sondern fast ausschließlich politische Bedenken, welche dem
Universitätsgedanken in Posen entgegentreten. Eine Ostmarkenpolitik freilich, wie
sie in jüngster Zeit immer nachdrücklicher gefordert wird, welche nicht mehr
einseitig Agrarpolitik wäre, sondern die Hebung des Deutschtums in den Städten
kräftig ins Auge faßt, würde hier ihren natürlichen Ausgangspunkt finden.
Bisher aber ist der Gedanke bei den leitenden Persönlichkeiten im Staatsministe¬
rium und im Parlament nicht durchgedrungen, und es ist fraglich, ob das über¬
haupt noch rechtzeitig geschehen wird.

Inzwischen hat ein vermittelnder Plan, besonders unter den Professoren
der Akademie, aber vielfach auch sonst in akademischen Kreisen Anklang gefunden.
Es ist der, der Akademie zunächst einmal die Vorbildung der Oberlehrer im
ganzen Umfang zu übertragen und gleichzeitig die Fortbildung der Volksschul¬
lehrer, sei es in freiem Studium, sei es wie bisher unter Leitung der Provinzial-
schulkollegien, daran anzuschließen, eine philosophische Fakultät also, wenn man
sich der herkömmlichen Ausdrucksweise bedienen will. Freilich eine solche, die
nach mancher Richtung erweitert wäre, und vor allem durch einen starken
pädagogischen Einschlag, der bisher an den preußischen Universitäten völlig fehlt,
einer immer dringenderen allgemeinen Forderung gerecht würde. Vorlesungen
über Schulhygiene, Schulverwaltungsrecht und ähnliches, wie sie zum Teil jetzt
schon an der Akademie gehalten werden, würden sich zwanglos anschließen. Eine
solche Organisation würde einmal für die Schulen der Provinz, welcher Kategorie
sie auch angehören, und somit für die wichtigste Grundlage einer nationalen
Politik von unschätzbarem Wert sein und sie würde zugleich eine Art von Prüf-


Die Posener Akademie

noch leidenschaftlicher bekämpft und abgewiesen worden. Unter denjenigen, die
ihn außerhalb des zunächst interessierten Profesforenkollegiums nachhaltig und
energisch in der Öffentlichkeit vertreten, verdienen der Kieler Universitätsprofessor
Eugen Wolff und der Posener Oberlehrer Prof. Szymank besonders genannt zu
werden. In der Tat ist die Universität die einzige Form der Hochschule, welche
in vollem Matze die Aufgabe erfüllen könnte, der belebende Mittelpunkt für das
geistige Leben der Provinz zu werden, und der gleichzeitig ihren realpolitischen
und wirtschaftlichen Interessen am vielseitigsten zu dienen vermöchte, vor allem
indem sie einen einheimischen im Boden der Provinz wurzelnden Bestand von
Beamten und Richtern, Oberlehrern und Ärzten sichern würde. Daher erscheint
es gerechtfertigt, daß der Wunsch des Oberpräsidenten Dr. Schwartzkopff, wie
bekannt, auf die Erweiterung der Akademie zur Universität hinausgeht. Daß
von diesem Gesichtspunkte betrachtet die östlichen Provinzen einer neuen Universität
bedürfen, welche die weiten Lücken zwischen Königsberg und Greifswald ergänzt,
daran kann trotz aller Bedenken, welche man gegen die Vermehrung der Uni¬
versitäten im allgemeinen erhoben hat, kein Zweifel sein. Auch ist es mehr als
wahrscheinlich, daß, wenn Posen den Schritt zur Universität nicht in absehbarer
Zeit tut. die sehr energischen Bestrebungen Danzigs zu dem gleichen Zweck
von Erfolg gekrönt sein werden. So sind es denn nicht sowohl finan¬
zielle Rücksichten, sondern fast ausschließlich politische Bedenken, welche dem
Universitätsgedanken in Posen entgegentreten. Eine Ostmarkenpolitik freilich, wie
sie in jüngster Zeit immer nachdrücklicher gefordert wird, welche nicht mehr
einseitig Agrarpolitik wäre, sondern die Hebung des Deutschtums in den Städten
kräftig ins Auge faßt, würde hier ihren natürlichen Ausgangspunkt finden.
Bisher aber ist der Gedanke bei den leitenden Persönlichkeiten im Staatsministe¬
rium und im Parlament nicht durchgedrungen, und es ist fraglich, ob das über¬
haupt noch rechtzeitig geschehen wird.

Inzwischen hat ein vermittelnder Plan, besonders unter den Professoren
der Akademie, aber vielfach auch sonst in akademischen Kreisen Anklang gefunden.
Es ist der, der Akademie zunächst einmal die Vorbildung der Oberlehrer im
ganzen Umfang zu übertragen und gleichzeitig die Fortbildung der Volksschul¬
lehrer, sei es in freiem Studium, sei es wie bisher unter Leitung der Provinzial-
schulkollegien, daran anzuschließen, eine philosophische Fakultät also, wenn man
sich der herkömmlichen Ausdrucksweise bedienen will. Freilich eine solche, die
nach mancher Richtung erweitert wäre, und vor allem durch einen starken
pädagogischen Einschlag, der bisher an den preußischen Universitäten völlig fehlt,
einer immer dringenderen allgemeinen Forderung gerecht würde. Vorlesungen
über Schulhygiene, Schulverwaltungsrecht und ähnliches, wie sie zum Teil jetzt
schon an der Akademie gehalten werden, würden sich zwanglos anschließen. Eine
solche Organisation würde einmal für die Schulen der Provinz, welcher Kategorie
sie auch angehören, und somit für die wichtigste Grundlage einer nationalen
Politik von unschätzbarem Wert sein und sie würde zugleich eine Art von Prüf-


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[0022] Die Posener Akademie noch leidenschaftlicher bekämpft und abgewiesen worden. Unter denjenigen, die ihn außerhalb des zunächst interessierten Profesforenkollegiums nachhaltig und energisch in der Öffentlichkeit vertreten, verdienen der Kieler Universitätsprofessor Eugen Wolff und der Posener Oberlehrer Prof. Szymank besonders genannt zu werden. In der Tat ist die Universität die einzige Form der Hochschule, welche in vollem Matze die Aufgabe erfüllen könnte, der belebende Mittelpunkt für das geistige Leben der Provinz zu werden, und der gleichzeitig ihren realpolitischen und wirtschaftlichen Interessen am vielseitigsten zu dienen vermöchte, vor allem indem sie einen einheimischen im Boden der Provinz wurzelnden Bestand von Beamten und Richtern, Oberlehrern und Ärzten sichern würde. Daher erscheint es gerechtfertigt, daß der Wunsch des Oberpräsidenten Dr. Schwartzkopff, wie bekannt, auf die Erweiterung der Akademie zur Universität hinausgeht. Daß von diesem Gesichtspunkte betrachtet die östlichen Provinzen einer neuen Universität bedürfen, welche die weiten Lücken zwischen Königsberg und Greifswald ergänzt, daran kann trotz aller Bedenken, welche man gegen die Vermehrung der Uni¬ versitäten im allgemeinen erhoben hat, kein Zweifel sein. Auch ist es mehr als wahrscheinlich, daß, wenn Posen den Schritt zur Universität nicht in absehbarer Zeit tut. die sehr energischen Bestrebungen Danzigs zu dem gleichen Zweck von Erfolg gekrönt sein werden. So sind es denn nicht sowohl finan¬ zielle Rücksichten, sondern fast ausschließlich politische Bedenken, welche dem Universitätsgedanken in Posen entgegentreten. Eine Ostmarkenpolitik freilich, wie sie in jüngster Zeit immer nachdrücklicher gefordert wird, welche nicht mehr einseitig Agrarpolitik wäre, sondern die Hebung des Deutschtums in den Städten kräftig ins Auge faßt, würde hier ihren natürlichen Ausgangspunkt finden. Bisher aber ist der Gedanke bei den leitenden Persönlichkeiten im Staatsministe¬ rium und im Parlament nicht durchgedrungen, und es ist fraglich, ob das über¬ haupt noch rechtzeitig geschehen wird. Inzwischen hat ein vermittelnder Plan, besonders unter den Professoren der Akademie, aber vielfach auch sonst in akademischen Kreisen Anklang gefunden. Es ist der, der Akademie zunächst einmal die Vorbildung der Oberlehrer im ganzen Umfang zu übertragen und gleichzeitig die Fortbildung der Volksschul¬ lehrer, sei es in freiem Studium, sei es wie bisher unter Leitung der Provinzial- schulkollegien, daran anzuschließen, eine philosophische Fakultät also, wenn man sich der herkömmlichen Ausdrucksweise bedienen will. Freilich eine solche, die nach mancher Richtung erweitert wäre, und vor allem durch einen starken pädagogischen Einschlag, der bisher an den preußischen Universitäten völlig fehlt, einer immer dringenderen allgemeinen Forderung gerecht würde. Vorlesungen über Schulhygiene, Schulverwaltungsrecht und ähnliches, wie sie zum Teil jetzt schon an der Akademie gehalten werden, würden sich zwanglos anschließen. Eine solche Organisation würde einmal für die Schulen der Provinz, welcher Kategorie sie auch angehören, und somit für die wichtigste Grundlage einer nationalen Politik von unschätzbarem Wert sein und sie würde zugleich eine Art von Prüf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/22>, abgerufen am 02.10.2024.