Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Posener Akademie

gerichtet worden, abgesehen von einigen Lehraufträgen, die zum Teil bereits
wieder erloschen sind. Eine fortschreitende Entwicklung des einmal geschaffenen
Standes, ein Aufschwung der Akademie ins Große, liegt offenbar nicht in der
Absicht der leitenden Behörde.

Man braucht nicht notwendigerweise anzunehmen, daß diese Haltung nur
durch Mangel an Interesse für ein Werk, dessen Anreger und Begründer aus
dem Staatsdienst und dem Leben geschieden ist, verursacht ist. Auch der finan¬
zielle Gesichtspunkt ist schwerlich der entscheidende, wenngleich es natürlich auch
auf ihn mit zurückzuführen ist, daß der Etat der Akademie stabil geblieben ist und
nicht wie bei allen den Staatsinstituten, die einer fortschreitenden Entwicklung
zugeführt werden sollen, allmählich erhöht wird. Allein der Hauptgrund
für die nicht bloß abwartende, sondern auch gelegentlich hemmende Stellung¬
nahme des Kultusministeriums dürfte die nicht ungerechtfertigte Meinung sein,
daß die Akademie für ein Vorlesungsinstitut, das nur bestimmt ist, den ge¬
bildeten Kreisen der deutschen Bevölkerung Anregung und Belehrung zu schaffen,
schon reichlich groß genug angelegt ist, ja, daß diesem Zweck mit einem weit
geringeren Aufwand an Menschenkraft und Kosten hinlänglich gedient werden
könnte. In der Tat zeigt das Vorlesungsverzeichnis, auch für das kommende
Semester wiederum eine solche Menge angebotener Vorlesungen, daß für den ein¬
zelnen Hörer, der nur zu allgemeiner Förderung seines Bildungsstandes, ohne be¬
stimmtes Sonderinteresse in die Akademie kommt, ein smbarras as riLtie83s
gegeben ist, und man hört denn auch aus dem Publikum öfter über Verlegenheit
vor solchem Übermaß Klagen. Wenn die Akademie nichts weiter sein und leisten
soll wie bisher, so ist in der Tat eine Vermehrung ihrer Kräfte überflüssig.

In den: Namen und den Rechten einer Hochschule, die ihr verliehen sind,
lag freilich eine größere Verheißung. Aus den Kundgebungen, mit denen sie
eröffnet wurde, nicht nur aus der Rede des Rektors, sprach der Wunsch und die
Zuversicht, daß hier ein Mittelpunkt entstehen würde, der das deutsche Geistes¬
leben der Provinz zusammenfassen und befruchten sollte. Dies aber vermag --
das beweist die bisherige Geschichte der Akademie -- nur ein Institut zu leisten, an
dem nicht bloß gehört, sondern auch gearbeitet wird, und zwar gemeinsam von
Lehrern und Studierenden. An einer solchen Arbeit aber werden Männer, die in
amtlicher oder geschäftlicher Tätigkeit, Frauen, die im häuslichen Beruf stehen, immer
nur ausnahmsweise teilnehmen können. Sie setzt einen Überfluß von Kraft und
freier Zeit voraus, der in unserer von wirtschaftlichen und nationalen Kämpfen
durchsetzten Provinz am seltensten vorhanden sein dürfte. Unter solchen Verhältnissen
hat man gut Idealismus fordern: jede Arbeit will schließlich ihren Preis, auch die
geistige, und nur da wo sie ihn findet, wird auf die Dauer ernsthaft gearbeitet.
Ja, man darf weiter gehen und sagen: selbst der immerhin bescheidene Auf¬
wand an Kosten, mit denen die Staatsregierung die Akademie erhält -- sie
balanciert mit einem Etat von etwa 145 000 Mark jährlich --, ist politisch nur
dann zu rechtfertigen, wenn eine wirtschaftliche oder sonst irgendwie reale Stärkung


Die Posener Akademie

gerichtet worden, abgesehen von einigen Lehraufträgen, die zum Teil bereits
wieder erloschen sind. Eine fortschreitende Entwicklung des einmal geschaffenen
Standes, ein Aufschwung der Akademie ins Große, liegt offenbar nicht in der
Absicht der leitenden Behörde.

Man braucht nicht notwendigerweise anzunehmen, daß diese Haltung nur
durch Mangel an Interesse für ein Werk, dessen Anreger und Begründer aus
dem Staatsdienst und dem Leben geschieden ist, verursacht ist. Auch der finan¬
zielle Gesichtspunkt ist schwerlich der entscheidende, wenngleich es natürlich auch
auf ihn mit zurückzuführen ist, daß der Etat der Akademie stabil geblieben ist und
nicht wie bei allen den Staatsinstituten, die einer fortschreitenden Entwicklung
zugeführt werden sollen, allmählich erhöht wird. Allein der Hauptgrund
für die nicht bloß abwartende, sondern auch gelegentlich hemmende Stellung¬
nahme des Kultusministeriums dürfte die nicht ungerechtfertigte Meinung sein,
daß die Akademie für ein Vorlesungsinstitut, das nur bestimmt ist, den ge¬
bildeten Kreisen der deutschen Bevölkerung Anregung und Belehrung zu schaffen,
schon reichlich groß genug angelegt ist, ja, daß diesem Zweck mit einem weit
geringeren Aufwand an Menschenkraft und Kosten hinlänglich gedient werden
könnte. In der Tat zeigt das Vorlesungsverzeichnis, auch für das kommende
Semester wiederum eine solche Menge angebotener Vorlesungen, daß für den ein¬
zelnen Hörer, der nur zu allgemeiner Förderung seines Bildungsstandes, ohne be¬
stimmtes Sonderinteresse in die Akademie kommt, ein smbarras as riLtie83s
gegeben ist, und man hört denn auch aus dem Publikum öfter über Verlegenheit
vor solchem Übermaß Klagen. Wenn die Akademie nichts weiter sein und leisten
soll wie bisher, so ist in der Tat eine Vermehrung ihrer Kräfte überflüssig.

In den: Namen und den Rechten einer Hochschule, die ihr verliehen sind,
lag freilich eine größere Verheißung. Aus den Kundgebungen, mit denen sie
eröffnet wurde, nicht nur aus der Rede des Rektors, sprach der Wunsch und die
Zuversicht, daß hier ein Mittelpunkt entstehen würde, der das deutsche Geistes¬
leben der Provinz zusammenfassen und befruchten sollte. Dies aber vermag —
das beweist die bisherige Geschichte der Akademie — nur ein Institut zu leisten, an
dem nicht bloß gehört, sondern auch gearbeitet wird, und zwar gemeinsam von
Lehrern und Studierenden. An einer solchen Arbeit aber werden Männer, die in
amtlicher oder geschäftlicher Tätigkeit, Frauen, die im häuslichen Beruf stehen, immer
nur ausnahmsweise teilnehmen können. Sie setzt einen Überfluß von Kraft und
freier Zeit voraus, der in unserer von wirtschaftlichen und nationalen Kämpfen
durchsetzten Provinz am seltensten vorhanden sein dürfte. Unter solchen Verhältnissen
hat man gut Idealismus fordern: jede Arbeit will schließlich ihren Preis, auch die
geistige, und nur da wo sie ihn findet, wird auf die Dauer ernsthaft gearbeitet.
Ja, man darf weiter gehen und sagen: selbst der immerhin bescheidene Auf¬
wand an Kosten, mit denen die Staatsregierung die Akademie erhält — sie
balanciert mit einem Etat von etwa 145 000 Mark jährlich —, ist politisch nur
dann zu rechtfertigen, wenn eine wirtschaftliche oder sonst irgendwie reale Stärkung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326832"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Posener Akademie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_21" prev="#ID_20"> gerichtet worden, abgesehen von einigen Lehraufträgen, die zum Teil bereits<lb/>
wieder erloschen sind. Eine fortschreitende Entwicklung des einmal geschaffenen<lb/>
Standes, ein Aufschwung der Akademie ins Große, liegt offenbar nicht in der<lb/>
Absicht der leitenden Behörde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_22"> Man braucht nicht notwendigerweise anzunehmen, daß diese Haltung nur<lb/>
durch Mangel an Interesse für ein Werk, dessen Anreger und Begründer aus<lb/>
dem Staatsdienst und dem Leben geschieden ist, verursacht ist. Auch der finan¬<lb/>
zielle Gesichtspunkt ist schwerlich der entscheidende, wenngleich es natürlich auch<lb/>
auf ihn mit zurückzuführen ist, daß der Etat der Akademie stabil geblieben ist und<lb/>
nicht wie bei allen den Staatsinstituten, die einer fortschreitenden Entwicklung<lb/>
zugeführt werden sollen, allmählich erhöht wird. Allein der Hauptgrund<lb/>
für die nicht bloß abwartende, sondern auch gelegentlich hemmende Stellung¬<lb/>
nahme des Kultusministeriums dürfte die nicht ungerechtfertigte Meinung sein,<lb/>
daß die Akademie für ein Vorlesungsinstitut, das nur bestimmt ist, den ge¬<lb/>
bildeten Kreisen der deutschen Bevölkerung Anregung und Belehrung zu schaffen,<lb/>
schon reichlich groß genug angelegt ist, ja, daß diesem Zweck mit einem weit<lb/>
geringeren Aufwand an Menschenkraft und Kosten hinlänglich gedient werden<lb/>
könnte. In der Tat zeigt das Vorlesungsverzeichnis, auch für das kommende<lb/>
Semester wiederum eine solche Menge angebotener Vorlesungen, daß für den ein¬<lb/>
zelnen Hörer, der nur zu allgemeiner Förderung seines Bildungsstandes, ohne be¬<lb/>
stimmtes Sonderinteresse in die Akademie kommt, ein smbarras as riLtie83s<lb/>
gegeben ist, und man hört denn auch aus dem Publikum öfter über Verlegenheit<lb/>
vor solchem Übermaß Klagen. Wenn die Akademie nichts weiter sein und leisten<lb/>
soll wie bisher, so ist in der Tat eine Vermehrung ihrer Kräfte überflüssig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_23" next="#ID_24"> In den: Namen und den Rechten einer Hochschule, die ihr verliehen sind,<lb/>
lag freilich eine größere Verheißung. Aus den Kundgebungen, mit denen sie<lb/>
eröffnet wurde, nicht nur aus der Rede des Rektors, sprach der Wunsch und die<lb/>
Zuversicht, daß hier ein Mittelpunkt entstehen würde, der das deutsche Geistes¬<lb/>
leben der Provinz zusammenfassen und befruchten sollte. Dies aber vermag &#x2014;<lb/>
das beweist die bisherige Geschichte der Akademie &#x2014; nur ein Institut zu leisten, an<lb/>
dem nicht bloß gehört, sondern auch gearbeitet wird, und zwar gemeinsam von<lb/>
Lehrern und Studierenden. An einer solchen Arbeit aber werden Männer, die in<lb/>
amtlicher oder geschäftlicher Tätigkeit, Frauen, die im häuslichen Beruf stehen, immer<lb/>
nur ausnahmsweise teilnehmen können. Sie setzt einen Überfluß von Kraft und<lb/>
freier Zeit voraus, der in unserer von wirtschaftlichen und nationalen Kämpfen<lb/>
durchsetzten Provinz am seltensten vorhanden sein dürfte. Unter solchen Verhältnissen<lb/>
hat man gut Idealismus fordern: jede Arbeit will schließlich ihren Preis, auch die<lb/>
geistige, und nur da wo sie ihn findet, wird auf die Dauer ernsthaft gearbeitet.<lb/>
Ja, man darf weiter gehen und sagen: selbst der immerhin bescheidene Auf¬<lb/>
wand an Kosten, mit denen die Staatsregierung die Akademie erhält &#x2014; sie<lb/>
balanciert mit einem Etat von etwa 145 000 Mark jährlich &#x2014;, ist politisch nur<lb/>
dann zu rechtfertigen, wenn eine wirtschaftliche oder sonst irgendwie reale Stärkung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Die Posener Akademie gerichtet worden, abgesehen von einigen Lehraufträgen, die zum Teil bereits wieder erloschen sind. Eine fortschreitende Entwicklung des einmal geschaffenen Standes, ein Aufschwung der Akademie ins Große, liegt offenbar nicht in der Absicht der leitenden Behörde. Man braucht nicht notwendigerweise anzunehmen, daß diese Haltung nur durch Mangel an Interesse für ein Werk, dessen Anreger und Begründer aus dem Staatsdienst und dem Leben geschieden ist, verursacht ist. Auch der finan¬ zielle Gesichtspunkt ist schwerlich der entscheidende, wenngleich es natürlich auch auf ihn mit zurückzuführen ist, daß der Etat der Akademie stabil geblieben ist und nicht wie bei allen den Staatsinstituten, die einer fortschreitenden Entwicklung zugeführt werden sollen, allmählich erhöht wird. Allein der Hauptgrund für die nicht bloß abwartende, sondern auch gelegentlich hemmende Stellung¬ nahme des Kultusministeriums dürfte die nicht ungerechtfertigte Meinung sein, daß die Akademie für ein Vorlesungsinstitut, das nur bestimmt ist, den ge¬ bildeten Kreisen der deutschen Bevölkerung Anregung und Belehrung zu schaffen, schon reichlich groß genug angelegt ist, ja, daß diesem Zweck mit einem weit geringeren Aufwand an Menschenkraft und Kosten hinlänglich gedient werden könnte. In der Tat zeigt das Vorlesungsverzeichnis, auch für das kommende Semester wiederum eine solche Menge angebotener Vorlesungen, daß für den ein¬ zelnen Hörer, der nur zu allgemeiner Förderung seines Bildungsstandes, ohne be¬ stimmtes Sonderinteresse in die Akademie kommt, ein smbarras as riLtie83s gegeben ist, und man hört denn auch aus dem Publikum öfter über Verlegenheit vor solchem Übermaß Klagen. Wenn die Akademie nichts weiter sein und leisten soll wie bisher, so ist in der Tat eine Vermehrung ihrer Kräfte überflüssig. In den: Namen und den Rechten einer Hochschule, die ihr verliehen sind, lag freilich eine größere Verheißung. Aus den Kundgebungen, mit denen sie eröffnet wurde, nicht nur aus der Rede des Rektors, sprach der Wunsch und die Zuversicht, daß hier ein Mittelpunkt entstehen würde, der das deutsche Geistes¬ leben der Provinz zusammenfassen und befruchten sollte. Dies aber vermag — das beweist die bisherige Geschichte der Akademie — nur ein Institut zu leisten, an dem nicht bloß gehört, sondern auch gearbeitet wird, und zwar gemeinsam von Lehrern und Studierenden. An einer solchen Arbeit aber werden Männer, die in amtlicher oder geschäftlicher Tätigkeit, Frauen, die im häuslichen Beruf stehen, immer nur ausnahmsweise teilnehmen können. Sie setzt einen Überfluß von Kraft und freier Zeit voraus, der in unserer von wirtschaftlichen und nationalen Kämpfen durchsetzten Provinz am seltensten vorhanden sein dürfte. Unter solchen Verhältnissen hat man gut Idealismus fordern: jede Arbeit will schließlich ihren Preis, auch die geistige, und nur da wo sie ihn findet, wird auf die Dauer ernsthaft gearbeitet. Ja, man darf weiter gehen und sagen: selbst der immerhin bescheidene Auf¬ wand an Kosten, mit denen die Staatsregierung die Akademie erhält — sie balanciert mit einem Etat von etwa 145 000 Mark jährlich —, ist politisch nur dann zu rechtfertigen, wenn eine wirtschaftliche oder sonst irgendwie reale Stärkung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/20>, abgerufen am 22.01.2025.