Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Prag

zu setzen. Österreichische Pioniere warfen einen Malhügel auf, von welchem
seitdem eine Sandsteinpyramide in das Land hinausragt, das Reliefbild des
Grafen auf der einen Seite, auf der anderen die Inschrift tragend: "Hier fiel
und starb am 6. Mai 1757 als Held Kurt Christoph Graf von Schwerin,
Kgl. Preuß. General-Feldmarschall, geboren im Jahre 1684." Von einer
undurchdringlichen Hecke und einem Wassergraben davor umgeben, wirkt dieses
Denkmal, dessen Grund und Boden vom preußischen Hofe gekauft worden ist,
wie eine kleine Festung mitten im fremden Lande. Seit 1904 hat das einsame
Grabmal eine seiner würdige Umgebung gefunden. Alle die Preußen, die 1813
und 1866 in der Nähe von Prag gefallen oder in der Stadt ihren Wunden
erlegen waren und auf den verschiedenen Militärfriedhöfen ruhten, sie alle hat
man bei Auflassung dieser Friedhöfe hier heraus gebettet, rund herum um das
Grab des Generalfeldmarschalls. Hier ruht einer der sechs Brüder von Rödern,
die 1813 ins Feld zogen, hier liegt ein Freiwilliger Jäger von Katte, ein
Generalmajor von Lengsfeld, und zahlreiche weitere Offiziere und Mannschaften
preußischer Regimenter von 1813, preußischer und sächsischer von 1866.

Nur einer fehlt in dieser edlen Todesversammlung, der beste, welchen
Preußen auf böhmischer Erde verloren hat, der Generalleutnant David Gerhard
von Scharnhorst.

So bin ich denn in die Stadt gepilgert, um wenigstens sein Sterbehaus
zu finden.

Aber das alte Prag, diese Stadt der Gotik und des Barocks, läßt einen
nicht die Preußenstimmung festhalten. Die Kleinseite nimmt mich auf, die mit
ihren goldenen Domen und den Quadermauern ihrer Paläste stolzer ist als
Genua und malerischer als Venedig:

"Alte Häuser, steilgegiebelt,
Hohe Türme voll Gebimmel, --
In die engen Höfe liebelt
Nur ein winzig Stückchen Himmel.
Und auf jedem Treppenpflocke
Müde lächelnd -- Amoretten;
Hoch am Dache um barokke
Vasen rieseln Rosenketten.
Spinnverwoben ist die Pforte
Dort. Verstohlen liest die Sonne
Die geheimnisvollen Worte
Unter einer Steinmadonne."*)


*) Dieses Gedicht ist einer Sammlung von Jugendgedichten Rainer Maria Rittes
entnommen, die er unter dem Namen "Larenopfer" herausgegeben hat. Leider ist dieses
recht interessante Bändchen, welches ex un^ne leonem schon erkennen läßt, nicht im Buch¬
handel zu haben. Mir hat die Mutter des Dichters, Frau Phia Rilke in Prag, gütigst ihr
Dr. S. Exemplar überlassen.
Prag

zu setzen. Österreichische Pioniere warfen einen Malhügel auf, von welchem
seitdem eine Sandsteinpyramide in das Land hinausragt, das Reliefbild des
Grafen auf der einen Seite, auf der anderen die Inschrift tragend: „Hier fiel
und starb am 6. Mai 1757 als Held Kurt Christoph Graf von Schwerin,
Kgl. Preuß. General-Feldmarschall, geboren im Jahre 1684." Von einer
undurchdringlichen Hecke und einem Wassergraben davor umgeben, wirkt dieses
Denkmal, dessen Grund und Boden vom preußischen Hofe gekauft worden ist,
wie eine kleine Festung mitten im fremden Lande. Seit 1904 hat das einsame
Grabmal eine seiner würdige Umgebung gefunden. Alle die Preußen, die 1813
und 1866 in der Nähe von Prag gefallen oder in der Stadt ihren Wunden
erlegen waren und auf den verschiedenen Militärfriedhöfen ruhten, sie alle hat
man bei Auflassung dieser Friedhöfe hier heraus gebettet, rund herum um das
Grab des Generalfeldmarschalls. Hier ruht einer der sechs Brüder von Rödern,
die 1813 ins Feld zogen, hier liegt ein Freiwilliger Jäger von Katte, ein
Generalmajor von Lengsfeld, und zahlreiche weitere Offiziere und Mannschaften
preußischer Regimenter von 1813, preußischer und sächsischer von 1866.

Nur einer fehlt in dieser edlen Todesversammlung, der beste, welchen
Preußen auf böhmischer Erde verloren hat, der Generalleutnant David Gerhard
von Scharnhorst.

So bin ich denn in die Stadt gepilgert, um wenigstens sein Sterbehaus
zu finden.

Aber das alte Prag, diese Stadt der Gotik und des Barocks, läßt einen
nicht die Preußenstimmung festhalten. Die Kleinseite nimmt mich auf, die mit
ihren goldenen Domen und den Quadermauern ihrer Paläste stolzer ist als
Genua und malerischer als Venedig:

„Alte Häuser, steilgegiebelt,
Hohe Türme voll Gebimmel, —
In die engen Höfe liebelt
Nur ein winzig Stückchen Himmel.
Und auf jedem Treppenpflocke
Müde lächelnd — Amoretten;
Hoch am Dache um barokke
Vasen rieseln Rosenketten.
Spinnverwoben ist die Pforte
Dort. Verstohlen liest die Sonne
Die geheimnisvollen Worte
Unter einer Steinmadonne."*)


*) Dieses Gedicht ist einer Sammlung von Jugendgedichten Rainer Maria Rittes
entnommen, die er unter dem Namen „Larenopfer" herausgegeben hat. Leider ist dieses
recht interessante Bändchen, welches ex un^ne leonem schon erkennen läßt, nicht im Buch¬
handel zu haben. Mir hat die Mutter des Dichters, Frau Phia Rilke in Prag, gütigst ihr
Dr. S. Exemplar überlassen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326232"/>
          <fw type="header" place="top"> Prag</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_235" prev="#ID_234"> zu setzen. Österreichische Pioniere warfen einen Malhügel auf, von welchem<lb/>
seitdem eine Sandsteinpyramide in das Land hinausragt, das Reliefbild des<lb/>
Grafen auf der einen Seite, auf der anderen die Inschrift tragend: &#x201E;Hier fiel<lb/>
und starb am 6. Mai 1757 als Held Kurt Christoph Graf von Schwerin,<lb/>
Kgl. Preuß. General-Feldmarschall, geboren im Jahre 1684." Von einer<lb/>
undurchdringlichen Hecke und einem Wassergraben davor umgeben, wirkt dieses<lb/>
Denkmal, dessen Grund und Boden vom preußischen Hofe gekauft worden ist,<lb/>
wie eine kleine Festung mitten im fremden Lande. Seit 1904 hat das einsame<lb/>
Grabmal eine seiner würdige Umgebung gefunden. Alle die Preußen, die 1813<lb/>
und 1866 in der Nähe von Prag gefallen oder in der Stadt ihren Wunden<lb/>
erlegen waren und auf den verschiedenen Militärfriedhöfen ruhten, sie alle hat<lb/>
man bei Auflassung dieser Friedhöfe hier heraus gebettet, rund herum um das<lb/>
Grab des Generalfeldmarschalls. Hier ruht einer der sechs Brüder von Rödern,<lb/>
die 1813 ins Feld zogen, hier liegt ein Freiwilliger Jäger von Katte, ein<lb/>
Generalmajor von Lengsfeld, und zahlreiche weitere Offiziere und Mannschaften<lb/>
preußischer Regimenter von 1813, preußischer und sächsischer von 1866.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_236"> Nur einer fehlt in dieser edlen Todesversammlung, der beste, welchen<lb/>
Preußen auf böhmischer Erde verloren hat, der Generalleutnant David Gerhard<lb/>
von Scharnhorst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_237"> So bin ich denn in die Stadt gepilgert, um wenigstens sein Sterbehaus<lb/>
zu finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_238"> Aber das alte Prag, diese Stadt der Gotik und des Barocks, läßt einen<lb/>
nicht die Preußenstimmung festhalten. Die Kleinseite nimmt mich auf, die mit<lb/>
ihren goldenen Domen und den Quadermauern ihrer Paläste stolzer ist als<lb/>
Genua und malerischer als Venedig:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_3" type="poem">
            <l> &#x201E;Alte Häuser, steilgegiebelt,<lb/>
Hohe Türme voll Gebimmel, &#x2014;<lb/>
In die engen Höfe liebelt<lb/>
Nur ein winzig Stückchen Himmel.</l>
            <l> Und auf jedem Treppenpflocke<lb/>
Müde lächelnd &#x2014; Amoretten;<lb/>
Hoch am Dache um barokke<lb/>
Vasen rieseln Rosenketten.</l>
            <l> Spinnverwoben ist die Pforte<lb/>
Dort. Verstohlen liest die Sonne<lb/>
Die geheimnisvollen Worte<lb/>
Unter einer Steinmadonne."*)</l>
          </lg><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> *) Dieses Gedicht ist einer Sammlung von Jugendgedichten Rainer Maria Rittes<lb/>
entnommen, die er unter dem Namen &#x201E;Larenopfer" herausgegeben hat. Leider ist dieses<lb/>
recht interessante Bändchen, welches ex un^ne leonem schon erkennen läßt, nicht im Buch¬<lb/>
handel zu haben. Mir hat die Mutter des Dichters, Frau Phia Rilke in Prag, gütigst ihr<lb/><note type="byline"> Dr. S.</note> Exemplar überlassen. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] Prag zu setzen. Österreichische Pioniere warfen einen Malhügel auf, von welchem seitdem eine Sandsteinpyramide in das Land hinausragt, das Reliefbild des Grafen auf der einen Seite, auf der anderen die Inschrift tragend: „Hier fiel und starb am 6. Mai 1757 als Held Kurt Christoph Graf von Schwerin, Kgl. Preuß. General-Feldmarschall, geboren im Jahre 1684." Von einer undurchdringlichen Hecke und einem Wassergraben davor umgeben, wirkt dieses Denkmal, dessen Grund und Boden vom preußischen Hofe gekauft worden ist, wie eine kleine Festung mitten im fremden Lande. Seit 1904 hat das einsame Grabmal eine seiner würdige Umgebung gefunden. Alle die Preußen, die 1813 und 1866 in der Nähe von Prag gefallen oder in der Stadt ihren Wunden erlegen waren und auf den verschiedenen Militärfriedhöfen ruhten, sie alle hat man bei Auflassung dieser Friedhöfe hier heraus gebettet, rund herum um das Grab des Generalfeldmarschalls. Hier ruht einer der sechs Brüder von Rödern, die 1813 ins Feld zogen, hier liegt ein Freiwilliger Jäger von Katte, ein Generalmajor von Lengsfeld, und zahlreiche weitere Offiziere und Mannschaften preußischer Regimenter von 1813, preußischer und sächsischer von 1866. Nur einer fehlt in dieser edlen Todesversammlung, der beste, welchen Preußen auf böhmischer Erde verloren hat, der Generalleutnant David Gerhard von Scharnhorst. So bin ich denn in die Stadt gepilgert, um wenigstens sein Sterbehaus zu finden. Aber das alte Prag, diese Stadt der Gotik und des Barocks, läßt einen nicht die Preußenstimmung festhalten. Die Kleinseite nimmt mich auf, die mit ihren goldenen Domen und den Quadermauern ihrer Paläste stolzer ist als Genua und malerischer als Venedig: „Alte Häuser, steilgegiebelt, Hohe Türme voll Gebimmel, — In die engen Höfe liebelt Nur ein winzig Stückchen Himmel. Und auf jedem Treppenpflocke Müde lächelnd — Amoretten; Hoch am Dache um barokke Vasen rieseln Rosenketten. Spinnverwoben ist die Pforte Dort. Verstohlen liest die Sonne Die geheimnisvollen Worte Unter einer Steinmadonne."*) *) Dieses Gedicht ist einer Sammlung von Jugendgedichten Rainer Maria Rittes entnommen, die er unter dem Namen „Larenopfer" herausgegeben hat. Leider ist dieses recht interessante Bändchen, welches ex un^ne leonem schon erkennen läßt, nicht im Buch¬ handel zu haben. Mir hat die Mutter des Dichters, Frau Phia Rilke in Prag, gütigst ihr Dr. S. Exemplar überlassen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/62>, abgerufen am 19.10.2024.