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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Staates

Der Entwurf wünschte (§ 15 Entwurf), daß von der erzielten Reinein¬
nahme der Fiskus 75 Prozent, der Bundesstaat, dessen Fiskus Erbe ist, "als
Vergütung für die Kosten der allgemeinen Verwaltung" 25 Prozent erhält und
hiervon eine den Gemeinden zu gewährende Vergütung noch zu gewähren
hat. Er spricht sich (Begründung zu Z 9) dafür aus, daß auch die Gemeinden
aus verschiedenen Gründen an der Reineinnahme möglichst zu beteiligen seien.

Die Kommission drang mit ihrem Antrage durch, laut dem das Reich nur
60 Prozent, der Bundesstaat 30 Prozent, und endlich die Gemeinde von dem
in ihrem Gemeindebezirk befindlichen Erbgute 10 Prozent beanspruchen darf.

Wenn von Scheel (Erbschaftssteuer 1877) betont, daß heute den öffent¬
lichen Körperschaften Funktionen zufallen, die früher der Familie (im weiteren
Sinne) oblagen, und er hieraus ein Recht der Gesamtheit, auch in Hinterlassen¬
schaften als Erbe einzutreten, herleitet, so dürfen entsprechend die Gemeinden
bei dem öffentlich-rechtlichen Erbgange wohl nicht leer ausgehen.

Justizrat Bamberger schlägt vor ("Für das Erbrecht des Reichs" 1912).
den Gemeinden für ihre Bemühungen nur 5 Prozent "des reinen Nachlasses" zu
geben.

Für eine Beteiligung der Gemeinde am nichtprivaten Erbrecht tritt auch
Professor von Blume in seiner erwähnten Schrift ein, und zwar aus Gründen
der ausgleichenden Gerechtigkeit.

Wenn sonst in wertvollen Schriften auf die genaue Verteilung des eventuellen
Nachlasses nicht Bezug genommen ist, so ist es wohl damit zu erklären, daß
diese Frage beim Erscheinen der Schriften noch nicht aktuell war. Man ver¬
teilte das Fell des Bären nicht eher als man ihn hatte.

Noch ein Wort über die Verwendung.

"Der außerordentliche Bedarf, der sich zur Deckung der fortlaufenden Aus¬
gaben für die Stärkung unserer Wehrmacht ergibt, läßt es . . . geboten er¬
scheinen, auf den früheren Gesetzentwurf (1908) zurückzukommen."

Mit dieser Erklärung bezeichnet der Entwurf den besonderen Zweck -- die
Verwendung -- des durch staatlichen Erbgang zu erwartenden Gewinns. Der
Entwurf eines Gesetzes über das Erbrecht des Staates wird weiter als ein
selbständiges Gesetz von der Regierung aufgestellt, das, in Verbindung mit
anderen, in den Rahmen der großen Finanzreform zu bringen ist.

In der Kommission wurde hingegen der Einwand erhoben, daß die Ein¬
nahmen aus dem geplanten staatlichen Erbrecht von Zufälligkeiten abhängig
seien, eine Finanzreform aber nicht auf Zufälligkeiten beruhen dürfe.

"Wie privatrechtlich niemand es für richtig halten wird," sagt Professor
Conrad (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1906), "ererbtes Kapital
für laufende Ausgabe zu verwenden, so wird es ebenso prinzipiell zu verwerfen
sein, wenn der Staat das ererbte Kapital verbraucht, statt es als solches weiter
zu verwerten."


Das Erbrecht des Staates

Der Entwurf wünschte (§ 15 Entwurf), daß von der erzielten Reinein¬
nahme der Fiskus 75 Prozent, der Bundesstaat, dessen Fiskus Erbe ist, „als
Vergütung für die Kosten der allgemeinen Verwaltung" 25 Prozent erhält und
hiervon eine den Gemeinden zu gewährende Vergütung noch zu gewähren
hat. Er spricht sich (Begründung zu Z 9) dafür aus, daß auch die Gemeinden
aus verschiedenen Gründen an der Reineinnahme möglichst zu beteiligen seien.

Die Kommission drang mit ihrem Antrage durch, laut dem das Reich nur
60 Prozent, der Bundesstaat 30 Prozent, und endlich die Gemeinde von dem
in ihrem Gemeindebezirk befindlichen Erbgute 10 Prozent beanspruchen darf.

Wenn von Scheel (Erbschaftssteuer 1877) betont, daß heute den öffent¬
lichen Körperschaften Funktionen zufallen, die früher der Familie (im weiteren
Sinne) oblagen, und er hieraus ein Recht der Gesamtheit, auch in Hinterlassen¬
schaften als Erbe einzutreten, herleitet, so dürfen entsprechend die Gemeinden
bei dem öffentlich-rechtlichen Erbgange wohl nicht leer ausgehen.

Justizrat Bamberger schlägt vor („Für das Erbrecht des Reichs" 1912).
den Gemeinden für ihre Bemühungen nur 5 Prozent „des reinen Nachlasses" zu
geben.

Für eine Beteiligung der Gemeinde am nichtprivaten Erbrecht tritt auch
Professor von Blume in seiner erwähnten Schrift ein, und zwar aus Gründen
der ausgleichenden Gerechtigkeit.

Wenn sonst in wertvollen Schriften auf die genaue Verteilung des eventuellen
Nachlasses nicht Bezug genommen ist, so ist es wohl damit zu erklären, daß
diese Frage beim Erscheinen der Schriften noch nicht aktuell war. Man ver¬
teilte das Fell des Bären nicht eher als man ihn hatte.

Noch ein Wort über die Verwendung.

„Der außerordentliche Bedarf, der sich zur Deckung der fortlaufenden Aus¬
gaben für die Stärkung unserer Wehrmacht ergibt, läßt es . . . geboten er¬
scheinen, auf den früheren Gesetzentwurf (1908) zurückzukommen."

Mit dieser Erklärung bezeichnet der Entwurf den besonderen Zweck — die
Verwendung — des durch staatlichen Erbgang zu erwartenden Gewinns. Der
Entwurf eines Gesetzes über das Erbrecht des Staates wird weiter als ein
selbständiges Gesetz von der Regierung aufgestellt, das, in Verbindung mit
anderen, in den Rahmen der großen Finanzreform zu bringen ist.

In der Kommission wurde hingegen der Einwand erhoben, daß die Ein¬
nahmen aus dem geplanten staatlichen Erbrecht von Zufälligkeiten abhängig
seien, eine Finanzreform aber nicht auf Zufälligkeiten beruhen dürfe.

„Wie privatrechtlich niemand es für richtig halten wird," sagt Professor
Conrad (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1906), „ererbtes Kapital
für laufende Ausgabe zu verwenden, so wird es ebenso prinzipiell zu verwerfen
sein, wenn der Staat das ererbte Kapital verbraucht, statt es als solches weiter
zu verwerten."


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[0609] Das Erbrecht des Staates Der Entwurf wünschte (§ 15 Entwurf), daß von der erzielten Reinein¬ nahme der Fiskus 75 Prozent, der Bundesstaat, dessen Fiskus Erbe ist, „als Vergütung für die Kosten der allgemeinen Verwaltung" 25 Prozent erhält und hiervon eine den Gemeinden zu gewährende Vergütung noch zu gewähren hat. Er spricht sich (Begründung zu Z 9) dafür aus, daß auch die Gemeinden aus verschiedenen Gründen an der Reineinnahme möglichst zu beteiligen seien. Die Kommission drang mit ihrem Antrage durch, laut dem das Reich nur 60 Prozent, der Bundesstaat 30 Prozent, und endlich die Gemeinde von dem in ihrem Gemeindebezirk befindlichen Erbgute 10 Prozent beanspruchen darf. Wenn von Scheel (Erbschaftssteuer 1877) betont, daß heute den öffent¬ lichen Körperschaften Funktionen zufallen, die früher der Familie (im weiteren Sinne) oblagen, und er hieraus ein Recht der Gesamtheit, auch in Hinterlassen¬ schaften als Erbe einzutreten, herleitet, so dürfen entsprechend die Gemeinden bei dem öffentlich-rechtlichen Erbgange wohl nicht leer ausgehen. Justizrat Bamberger schlägt vor („Für das Erbrecht des Reichs" 1912). den Gemeinden für ihre Bemühungen nur 5 Prozent „des reinen Nachlasses" zu geben. Für eine Beteiligung der Gemeinde am nichtprivaten Erbrecht tritt auch Professor von Blume in seiner erwähnten Schrift ein, und zwar aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit. Wenn sonst in wertvollen Schriften auf die genaue Verteilung des eventuellen Nachlasses nicht Bezug genommen ist, so ist es wohl damit zu erklären, daß diese Frage beim Erscheinen der Schriften noch nicht aktuell war. Man ver¬ teilte das Fell des Bären nicht eher als man ihn hatte. Noch ein Wort über die Verwendung. „Der außerordentliche Bedarf, der sich zur Deckung der fortlaufenden Aus¬ gaben für die Stärkung unserer Wehrmacht ergibt, läßt es . . . geboten er¬ scheinen, auf den früheren Gesetzentwurf (1908) zurückzukommen." Mit dieser Erklärung bezeichnet der Entwurf den besonderen Zweck — die Verwendung — des durch staatlichen Erbgang zu erwartenden Gewinns. Der Entwurf eines Gesetzes über das Erbrecht des Staates wird weiter als ein selbständiges Gesetz von der Regierung aufgestellt, das, in Verbindung mit anderen, in den Rahmen der großen Finanzreform zu bringen ist. In der Kommission wurde hingegen der Einwand erhoben, daß die Ein¬ nahmen aus dem geplanten staatlichen Erbrecht von Zufälligkeiten abhängig seien, eine Finanzreform aber nicht auf Zufälligkeiten beruhen dürfe. „Wie privatrechtlich niemand es für richtig halten wird," sagt Professor Conrad (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1906), „ererbtes Kapital für laufende Ausgabe zu verwenden, so wird es ebenso prinzipiell zu verwerfen sein, wenn der Staat das ererbte Kapital verbraucht, statt es als solches weiter zu verwerten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/609>, abgerufen am 20.10.2024.