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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das neue Kunsthaus in Stuttgart

eindrucksvoll wirken und die Möglichkeit bieten. Werke der Malerei und Plastik
einzeln oder in Gruppen auf einem Hintergrunde darzubieten, der durch seine
erlesene Vornehmheit ihre Wirkung fördern muß. Ein abgeschlossener Garten,
der sich zwischen den Ausstellungsräumen und dem Hofgarten hin erstreckt, er¬
möglicht die Aufstellung plastischer Werke auch unter freiem Himmel. Die um
den vorderen Hof angeordneten Räume tragen ein zweites Stockwerk, das auf
der einen Seite für graphische Ausstellungen auszunützen ist, auf der anderen
den geselligen Veranstaltungen der Künstlerschaft eine Stätte bietet. Nach der
zum Schloßgarten führenden Straße hin ist die Künstlerhauswirtschaft an¬
geschlossen. Sie besteht aus einer Reihe von größeren und kleineren Sälen und
Zimmern, die alle in der fein differenzierten Eigenart ihrer architektonischen
Formen sehr lebendig anmuten und die der ruhig vornehme Geschmack des
Stuttgarter Kunstgewerbes zu Räumen voll warmer Intimität ausgestaltet hat.
In derselben Flucht liegt dann noch ein geräumiger Wirlschaftsgartenhof mit
einer Terrasse und einer kleinen Naturbühne, nach der Straße offen, aber auf
allen vier Seiten von Architektur umschlossen, teils von den Außenwänden der
Ausstellungsgebäude, teils von überdachten offenen Nischen.

Über die lange Seitenfront des Gebäudes mit ihren, schmucklos grauen
Putzflächen und der einförmigen Reihe kleiner Dachfenster haben sich die Stutt¬
garter besonders grimmig ereifert. Aber der starke Verkehr der Verbindungs¬
straße zwischen Königsplatz und Schloßgarten soll ja mit der Zeit weggeleitet
werden, und Baumreihen werden sich dann zu beiden Seiten entlang ziehen.
Und auch heute schon vermag sich dieser Teil des Kunsthauses trotz seiner gar
zu sparsamen Dürftigkeit doch ganz gut zu behaupten, wenn man ihn etwa in
Beziehung setzt zu den niedrigen alten Gebäuden, die sonst das Schloß um¬
geben, zu dem benachbarten Marstall oder zu der alten Akademie. Eine An¬
passung an den Charakter dieser Bauten hat doch wohl auch hier im Zinne des
Architekten gelegen.

Theodor Fischer hat nach der Vollendung seines Kunsthauses von Fremden
und namentlich von Einheimischen viel Hartes hören müssen. Gewiß haben
ihm die verschiedenartigen Zwecke, denen der Bau gerecht werden sollte, die
Lösung erschwert, und auf dem gegebenen Bauplatz war es ja ohnehin schon
nicht leicht, ein nach allen Seiten befriedigendes, einheitliches Ganzes hinzu¬
stellen. Und eine da und dort sich auswirkende Hinneigung zu genügsamer
Nüchternheit beeinträchtigt auch dem Verständniswilligen das Aufnehmen der
Absichten des Architekten. Ein Monumentalbau im landläufigen Sinne ist darum
das Stuttgarter Kunsthaus nicht geworden, und zumal nicht für den, der salium
Maßstab an den klotzigen Steinlasten nimmt, die das neunzehnte Jahrhundert
sonst um den Königsplatz gestellt hat. Aber die Bogenhalle, die die kunst¬
geweihten Räume so sinnvoll dem bewegten Verkehr draußen entrückt, hat das
architektonische Gesamtbild des Schloßplatzes um ein feines und edles Gebilde
innerlich durchlebter Architektur bereichert, und den großen Kuppelraum wird


Das neue Kunsthaus in Stuttgart

eindrucksvoll wirken und die Möglichkeit bieten. Werke der Malerei und Plastik
einzeln oder in Gruppen auf einem Hintergrunde darzubieten, der durch seine
erlesene Vornehmheit ihre Wirkung fördern muß. Ein abgeschlossener Garten,
der sich zwischen den Ausstellungsräumen und dem Hofgarten hin erstreckt, er¬
möglicht die Aufstellung plastischer Werke auch unter freiem Himmel. Die um
den vorderen Hof angeordneten Räume tragen ein zweites Stockwerk, das auf
der einen Seite für graphische Ausstellungen auszunützen ist, auf der anderen
den geselligen Veranstaltungen der Künstlerschaft eine Stätte bietet. Nach der
zum Schloßgarten führenden Straße hin ist die Künstlerhauswirtschaft an¬
geschlossen. Sie besteht aus einer Reihe von größeren und kleineren Sälen und
Zimmern, die alle in der fein differenzierten Eigenart ihrer architektonischen
Formen sehr lebendig anmuten und die der ruhig vornehme Geschmack des
Stuttgarter Kunstgewerbes zu Räumen voll warmer Intimität ausgestaltet hat.
In derselben Flucht liegt dann noch ein geräumiger Wirlschaftsgartenhof mit
einer Terrasse und einer kleinen Naturbühne, nach der Straße offen, aber auf
allen vier Seiten von Architektur umschlossen, teils von den Außenwänden der
Ausstellungsgebäude, teils von überdachten offenen Nischen.

Über die lange Seitenfront des Gebäudes mit ihren, schmucklos grauen
Putzflächen und der einförmigen Reihe kleiner Dachfenster haben sich die Stutt¬
garter besonders grimmig ereifert. Aber der starke Verkehr der Verbindungs¬
straße zwischen Königsplatz und Schloßgarten soll ja mit der Zeit weggeleitet
werden, und Baumreihen werden sich dann zu beiden Seiten entlang ziehen.
Und auch heute schon vermag sich dieser Teil des Kunsthauses trotz seiner gar
zu sparsamen Dürftigkeit doch ganz gut zu behaupten, wenn man ihn etwa in
Beziehung setzt zu den niedrigen alten Gebäuden, die sonst das Schloß um¬
geben, zu dem benachbarten Marstall oder zu der alten Akademie. Eine An¬
passung an den Charakter dieser Bauten hat doch wohl auch hier im Zinne des
Architekten gelegen.

Theodor Fischer hat nach der Vollendung seines Kunsthauses von Fremden
und namentlich von Einheimischen viel Hartes hören müssen. Gewiß haben
ihm die verschiedenartigen Zwecke, denen der Bau gerecht werden sollte, die
Lösung erschwert, und auf dem gegebenen Bauplatz war es ja ohnehin schon
nicht leicht, ein nach allen Seiten befriedigendes, einheitliches Ganzes hinzu¬
stellen. Und eine da und dort sich auswirkende Hinneigung zu genügsamer
Nüchternheit beeinträchtigt auch dem Verständniswilligen das Aufnehmen der
Absichten des Architekten. Ein Monumentalbau im landläufigen Sinne ist darum
das Stuttgarter Kunsthaus nicht geworden, und zumal nicht für den, der salium
Maßstab an den klotzigen Steinlasten nimmt, die das neunzehnte Jahrhundert
sonst um den Königsplatz gestellt hat. Aber die Bogenhalle, die die kunst¬
geweihten Räume so sinnvoll dem bewegten Verkehr draußen entrückt, hat das
architektonische Gesamtbild des Schloßplatzes um ein feines und edles Gebilde
innerlich durchlebter Architektur bereichert, und den großen Kuppelraum wird


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[0486] Das neue Kunsthaus in Stuttgart eindrucksvoll wirken und die Möglichkeit bieten. Werke der Malerei und Plastik einzeln oder in Gruppen auf einem Hintergrunde darzubieten, der durch seine erlesene Vornehmheit ihre Wirkung fördern muß. Ein abgeschlossener Garten, der sich zwischen den Ausstellungsräumen und dem Hofgarten hin erstreckt, er¬ möglicht die Aufstellung plastischer Werke auch unter freiem Himmel. Die um den vorderen Hof angeordneten Räume tragen ein zweites Stockwerk, das auf der einen Seite für graphische Ausstellungen auszunützen ist, auf der anderen den geselligen Veranstaltungen der Künstlerschaft eine Stätte bietet. Nach der zum Schloßgarten führenden Straße hin ist die Künstlerhauswirtschaft an¬ geschlossen. Sie besteht aus einer Reihe von größeren und kleineren Sälen und Zimmern, die alle in der fein differenzierten Eigenart ihrer architektonischen Formen sehr lebendig anmuten und die der ruhig vornehme Geschmack des Stuttgarter Kunstgewerbes zu Räumen voll warmer Intimität ausgestaltet hat. In derselben Flucht liegt dann noch ein geräumiger Wirlschaftsgartenhof mit einer Terrasse und einer kleinen Naturbühne, nach der Straße offen, aber auf allen vier Seiten von Architektur umschlossen, teils von den Außenwänden der Ausstellungsgebäude, teils von überdachten offenen Nischen. Über die lange Seitenfront des Gebäudes mit ihren, schmucklos grauen Putzflächen und der einförmigen Reihe kleiner Dachfenster haben sich die Stutt¬ garter besonders grimmig ereifert. Aber der starke Verkehr der Verbindungs¬ straße zwischen Königsplatz und Schloßgarten soll ja mit der Zeit weggeleitet werden, und Baumreihen werden sich dann zu beiden Seiten entlang ziehen. Und auch heute schon vermag sich dieser Teil des Kunsthauses trotz seiner gar zu sparsamen Dürftigkeit doch ganz gut zu behaupten, wenn man ihn etwa in Beziehung setzt zu den niedrigen alten Gebäuden, die sonst das Schloß um¬ geben, zu dem benachbarten Marstall oder zu der alten Akademie. Eine An¬ passung an den Charakter dieser Bauten hat doch wohl auch hier im Zinne des Architekten gelegen. Theodor Fischer hat nach der Vollendung seines Kunsthauses von Fremden und namentlich von Einheimischen viel Hartes hören müssen. Gewiß haben ihm die verschiedenartigen Zwecke, denen der Bau gerecht werden sollte, die Lösung erschwert, und auf dem gegebenen Bauplatz war es ja ohnehin schon nicht leicht, ein nach allen Seiten befriedigendes, einheitliches Ganzes hinzu¬ stellen. Und eine da und dort sich auswirkende Hinneigung zu genügsamer Nüchternheit beeinträchtigt auch dem Verständniswilligen das Aufnehmen der Absichten des Architekten. Ein Monumentalbau im landläufigen Sinne ist darum das Stuttgarter Kunsthaus nicht geworden, und zumal nicht für den, der salium Maßstab an den klotzigen Steinlasten nimmt, die das neunzehnte Jahrhundert sonst um den Königsplatz gestellt hat. Aber die Bogenhalle, die die kunst¬ geweihten Räume so sinnvoll dem bewegten Verkehr draußen entrückt, hat das architektonische Gesamtbild des Schloßplatzes um ein feines und edles Gebilde innerlich durchlebter Architektur bereichert, und den großen Kuppelraum wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/486>, abgerufen am 19.10.2024.