Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit den Llfern am ^s. August 5 870

Inzwischen sind mir auch Ihre Zeilen vom 9ten und gestern Abend auch
die vom Ulm August zugekommen, haben Sie vielen Dank dafür, ich habe
bisher so wenige Briefe erhalten, daß mir diese um so mehr Freude gemacht
haben. Die Ankunft meines Briefes vom 4ten hatte ich schon durch Herrn
Minister Sterku's Randnotiz erfahren. Die "Hamb. Nachr." habe ich jetzt bis
zum 17ten. bis auf 1 oder 2 Nummern, die die Feldpost wohl noch bringen
wird, vollständig. Die Feldpost wird jetzt besser und räumt nach und nach alle
alten Bestände auf; 8 Tage waren wir ganz ohne Post.

Während meines letzten Briefes aus Luppu tönte zu uns der Kanonen¬
donner von Metz herüber, den Kampf bezeichnend, der die franz. Armee in die
Festung hineintrieb. 2 Bataillone von uns marschirten noch auf's Schlachtfeld*),
kamen jedoch zu spät und marschirten Nachts die 2 Meilen ins Bivouak vor
Buchy wieder zurück. Wir (das II. Bat.) wurden um 10 Uhr wieder allarmirt.
mußten leider unser Kloster verlassen und auch ins Bivouak bei Buchy rücken.
Ohne Stroh bei scheußlichem Regen und grimmiger Kälte, die überhaupt hier,
namentlich Nachts, sehr stark ist, war es außer der Nacht nach Gorze unser
unangenehmstes Bivouak. Montag früh begannen unsere Gewaltmärsche. Zuerst
ging es bis Veltre, 6 Kilon. von Metz, fast unter den Kanonen der Stadt,
deren Thürme man deutlichst sehen konnte. Den Tag über -- unser einziger
sehr heißer Tag -- blieben wir vor Metz liegen. Allen Aussagen der Ge¬
fangenen nach erwartete man am Napolöonstage einen Ausfall der Garnison
von Metz und der franz. Armee. Steinmetz hatte in Folge dessen sich das 9te
Corps zur Hülfe erbeten und lag dasselbe auf 2 großen Feldern beisammen.
Anstatt des Angriffs erfolgte der Abmarsch der Franzosen nach Verdun zu. Wir
brachen in Folge dessen Abends Uhr auf und marschirten wir südwärts
bis 10 Uhr. zu welcher Zeit wir in Pommörieux bei Orne in der Nähe der
senke ins Bivouak kamen.

Mit schöner Sonne brach der 16te für uns heran, der Tag. dessen Ende
nur Wenige von uns noch gesund wiederfinden sollte. Man hatte uns einen
kurzen Marsch bis Arry an der Mosel in Aussicht gestellt und dann sollten wir
Nachmittags Ruhe haben. Eine schöne Ruhe! Wir überschritten die senke auf
einer Hess. Ponton-Brücke. Dicht vor Arry kamen wir über einen Berg, von
dem aus man jenseits der Mosel in einiger Entfernung heftigen Pulverdampf
bemerkte; bald hörte man auch den Donner der Kanonen. Der Oberst meldete
^ es mochte V"2 Uhr fein -- dem zufällig anwesenden Divisions - General
von Barneckow (16te Dio.). daß sein Regt, da sei und stellte sich ihm zur
Disposition. Grakle. v. Barneckow erklärte, er gehe voran und marschirte mit
dem 72sten Rgt. vorauf. Noch ehe die Brigade Rex der töten Divis, angetreten
war. erhielt der Oberst von unserer (36) Brigade den Befehl, die Kettenbrücke
bei Comp zu besetzen. Gleichzeitig brachte Hyla. Hassel des Gen.-Stabs den



* D. Red. ) Gefecht bei Colombey-Romilly am 14. August.
26'
Mit den Llfern am ^s. August 5 870

Inzwischen sind mir auch Ihre Zeilen vom 9ten und gestern Abend auch
die vom Ulm August zugekommen, haben Sie vielen Dank dafür, ich habe
bisher so wenige Briefe erhalten, daß mir diese um so mehr Freude gemacht
haben. Die Ankunft meines Briefes vom 4ten hatte ich schon durch Herrn
Minister Sterku's Randnotiz erfahren. Die „Hamb. Nachr." habe ich jetzt bis
zum 17ten. bis auf 1 oder 2 Nummern, die die Feldpost wohl noch bringen
wird, vollständig. Die Feldpost wird jetzt besser und räumt nach und nach alle
alten Bestände auf; 8 Tage waren wir ganz ohne Post.

Während meines letzten Briefes aus Luppu tönte zu uns der Kanonen¬
donner von Metz herüber, den Kampf bezeichnend, der die franz. Armee in die
Festung hineintrieb. 2 Bataillone von uns marschirten noch auf's Schlachtfeld*),
kamen jedoch zu spät und marschirten Nachts die 2 Meilen ins Bivouak vor
Buchy wieder zurück. Wir (das II. Bat.) wurden um 10 Uhr wieder allarmirt.
mußten leider unser Kloster verlassen und auch ins Bivouak bei Buchy rücken.
Ohne Stroh bei scheußlichem Regen und grimmiger Kälte, die überhaupt hier,
namentlich Nachts, sehr stark ist, war es außer der Nacht nach Gorze unser
unangenehmstes Bivouak. Montag früh begannen unsere Gewaltmärsche. Zuerst
ging es bis Veltre, 6 Kilon. von Metz, fast unter den Kanonen der Stadt,
deren Thürme man deutlichst sehen konnte. Den Tag über — unser einziger
sehr heißer Tag — blieben wir vor Metz liegen. Allen Aussagen der Ge¬
fangenen nach erwartete man am Napolöonstage einen Ausfall der Garnison
von Metz und der franz. Armee. Steinmetz hatte in Folge dessen sich das 9te
Corps zur Hülfe erbeten und lag dasselbe auf 2 großen Feldern beisammen.
Anstatt des Angriffs erfolgte der Abmarsch der Franzosen nach Verdun zu. Wir
brachen in Folge dessen Abends Uhr auf und marschirten wir südwärts
bis 10 Uhr. zu welcher Zeit wir in Pommörieux bei Orne in der Nähe der
senke ins Bivouak kamen.

Mit schöner Sonne brach der 16te für uns heran, der Tag. dessen Ende
nur Wenige von uns noch gesund wiederfinden sollte. Man hatte uns einen
kurzen Marsch bis Arry an der Mosel in Aussicht gestellt und dann sollten wir
Nachmittags Ruhe haben. Eine schöne Ruhe! Wir überschritten die senke auf
einer Hess. Ponton-Brücke. Dicht vor Arry kamen wir über einen Berg, von
dem aus man jenseits der Mosel in einiger Entfernung heftigen Pulverdampf
bemerkte; bald hörte man auch den Donner der Kanonen. Der Oberst meldete
^ es mochte V»2 Uhr fein — dem zufällig anwesenden Divisions - General
von Barneckow (16te Dio.). daß sein Regt, da sei und stellte sich ihm zur
Disposition. Grakle. v. Barneckow erklärte, er gehe voran und marschirte mit
dem 72sten Rgt. vorauf. Noch ehe die Brigade Rex der töten Divis, angetreten
war. erhielt der Oberst von unserer (36) Brigade den Befehl, die Kettenbrücke
bei Comp zu besetzen. Gleichzeitig brachte Hyla. Hassel des Gen.-Stabs den



* D. Red. ) Gefecht bei Colombey-Romilly am 14. August.
26'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326585"/>
          <fw type="header" place="top"> Mit den Llfern am ^s. August 5 870</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1982"> Inzwischen sind mir auch Ihre Zeilen vom 9ten und gestern Abend auch<lb/>
die vom Ulm August zugekommen, haben Sie vielen Dank dafür, ich habe<lb/>
bisher so wenige Briefe erhalten, daß mir diese um so mehr Freude gemacht<lb/>
haben. Die Ankunft meines Briefes vom 4ten hatte ich schon durch Herrn<lb/>
Minister Sterku's Randnotiz erfahren. Die &#x201E;Hamb. Nachr." habe ich jetzt bis<lb/>
zum 17ten. bis auf 1 oder 2 Nummern, die die Feldpost wohl noch bringen<lb/>
wird, vollständig. Die Feldpost wird jetzt besser und räumt nach und nach alle<lb/>
alten Bestände auf; 8 Tage waren wir ganz ohne Post.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1983"> Während meines letzten Briefes aus Luppu tönte zu uns der Kanonen¬<lb/>
donner von Metz herüber, den Kampf bezeichnend, der die franz. Armee in die<lb/>
Festung hineintrieb. 2 Bataillone von uns marschirten noch auf's Schlachtfeld*),<lb/>
kamen jedoch zu spät und marschirten Nachts die 2 Meilen ins Bivouak vor<lb/>
Buchy wieder zurück. Wir (das II. Bat.) wurden um 10 Uhr wieder allarmirt.<lb/>
mußten leider unser Kloster verlassen und auch ins Bivouak bei Buchy rücken.<lb/>
Ohne Stroh bei scheußlichem Regen und grimmiger Kälte, die überhaupt hier,<lb/>
namentlich Nachts, sehr stark ist, war es außer der Nacht nach Gorze unser<lb/>
unangenehmstes Bivouak. Montag früh begannen unsere Gewaltmärsche. Zuerst<lb/>
ging es bis Veltre, 6 Kilon. von Metz, fast unter den Kanonen der Stadt,<lb/>
deren Thürme man deutlichst sehen konnte. Den Tag über &#x2014; unser einziger<lb/>
sehr heißer Tag &#x2014; blieben wir vor Metz liegen. Allen Aussagen der Ge¬<lb/>
fangenen nach erwartete man am Napolöonstage einen Ausfall der Garnison<lb/>
von Metz und der franz. Armee. Steinmetz hatte in Folge dessen sich das 9te<lb/>
Corps zur Hülfe erbeten und lag dasselbe auf 2 großen Feldern beisammen.<lb/>
Anstatt des Angriffs erfolgte der Abmarsch der Franzosen nach Verdun zu. Wir<lb/>
brachen in Folge dessen Abends Uhr auf und marschirten wir südwärts<lb/>
bis 10 Uhr. zu welcher Zeit wir in Pommörieux bei Orne in der Nähe der<lb/>
senke ins Bivouak kamen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1984" next="#ID_1985"> Mit schöner Sonne brach der 16te für uns heran, der Tag. dessen Ende<lb/>
nur Wenige von uns noch gesund wiederfinden sollte. Man hatte uns einen<lb/>
kurzen Marsch bis Arry an der Mosel in Aussicht gestellt und dann sollten wir<lb/>
Nachmittags Ruhe haben. Eine schöne Ruhe! Wir überschritten die senke auf<lb/>
einer Hess. Ponton-Brücke. Dicht vor Arry kamen wir über einen Berg, von<lb/>
dem aus man jenseits der Mosel in einiger Entfernung heftigen Pulverdampf<lb/>
bemerkte; bald hörte man auch den Donner der Kanonen. Der Oberst meldete<lb/>
^ es mochte V»2 Uhr fein &#x2014; dem zufällig anwesenden Divisions - General<lb/>
von Barneckow (16te Dio.). daß sein Regt, da sei und stellte sich ihm zur<lb/>
Disposition. Grakle. v. Barneckow erklärte, er gehe voran und marschirte mit<lb/>
dem 72sten Rgt. vorauf. Noch ehe die Brigade Rex der töten Divis, angetreten<lb/>
war. erhielt der Oberst von unserer (36) Brigade den Befehl, die Kettenbrücke<lb/>
bei Comp zu besetzen. Gleichzeitig brachte Hyla. Hassel des Gen.-Stabs den</p><lb/>
          <note xml:id="FID_157" place="foot"> *<note type="byline"> D. Red.</note> ) Gefecht bei Colombey-Romilly am 14. August. </note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 26'</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0415] Mit den Llfern am ^s. August 5 870 Inzwischen sind mir auch Ihre Zeilen vom 9ten und gestern Abend auch die vom Ulm August zugekommen, haben Sie vielen Dank dafür, ich habe bisher so wenige Briefe erhalten, daß mir diese um so mehr Freude gemacht haben. Die Ankunft meines Briefes vom 4ten hatte ich schon durch Herrn Minister Sterku's Randnotiz erfahren. Die „Hamb. Nachr." habe ich jetzt bis zum 17ten. bis auf 1 oder 2 Nummern, die die Feldpost wohl noch bringen wird, vollständig. Die Feldpost wird jetzt besser und räumt nach und nach alle alten Bestände auf; 8 Tage waren wir ganz ohne Post. Während meines letzten Briefes aus Luppu tönte zu uns der Kanonen¬ donner von Metz herüber, den Kampf bezeichnend, der die franz. Armee in die Festung hineintrieb. 2 Bataillone von uns marschirten noch auf's Schlachtfeld*), kamen jedoch zu spät und marschirten Nachts die 2 Meilen ins Bivouak vor Buchy wieder zurück. Wir (das II. Bat.) wurden um 10 Uhr wieder allarmirt. mußten leider unser Kloster verlassen und auch ins Bivouak bei Buchy rücken. Ohne Stroh bei scheußlichem Regen und grimmiger Kälte, die überhaupt hier, namentlich Nachts, sehr stark ist, war es außer der Nacht nach Gorze unser unangenehmstes Bivouak. Montag früh begannen unsere Gewaltmärsche. Zuerst ging es bis Veltre, 6 Kilon. von Metz, fast unter den Kanonen der Stadt, deren Thürme man deutlichst sehen konnte. Den Tag über — unser einziger sehr heißer Tag — blieben wir vor Metz liegen. Allen Aussagen der Ge¬ fangenen nach erwartete man am Napolöonstage einen Ausfall der Garnison von Metz und der franz. Armee. Steinmetz hatte in Folge dessen sich das 9te Corps zur Hülfe erbeten und lag dasselbe auf 2 großen Feldern beisammen. Anstatt des Angriffs erfolgte der Abmarsch der Franzosen nach Verdun zu. Wir brachen in Folge dessen Abends Uhr auf und marschirten wir südwärts bis 10 Uhr. zu welcher Zeit wir in Pommörieux bei Orne in der Nähe der senke ins Bivouak kamen. Mit schöner Sonne brach der 16te für uns heran, der Tag. dessen Ende nur Wenige von uns noch gesund wiederfinden sollte. Man hatte uns einen kurzen Marsch bis Arry an der Mosel in Aussicht gestellt und dann sollten wir Nachmittags Ruhe haben. Eine schöne Ruhe! Wir überschritten die senke auf einer Hess. Ponton-Brücke. Dicht vor Arry kamen wir über einen Berg, von dem aus man jenseits der Mosel in einiger Entfernung heftigen Pulverdampf bemerkte; bald hörte man auch den Donner der Kanonen. Der Oberst meldete ^ es mochte V»2 Uhr fein — dem zufällig anwesenden Divisions - General von Barneckow (16te Dio.). daß sein Regt, da sei und stellte sich ihm zur Disposition. Grakle. v. Barneckow erklärte, er gehe voran und marschirte mit dem 72sten Rgt. vorauf. Noch ehe die Brigade Rex der töten Divis, angetreten war. erhielt der Oberst von unserer (36) Brigade den Befehl, die Kettenbrücke bei Comp zu besetzen. Gleichzeitig brachte Hyla. Hassel des Gen.-Stabs den * D. Red. ) Gefecht bei Colombey-Romilly am 14. August. 26'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/415
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/415>, abgerufen am 19.10.2024.