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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Diplomaten

Schafter in Paris und in London; den ihm vor fünfunddreißig Jahren vom
Präsidenten Hayes angebotenen Berliner Posten lehnte er ab. Amerikanische
Gesandte, die ihrem Lande später als Kabinettsminister dienten, waren I. W.
Foster (1892 Staatssekretär; ein hervorragender Kenner des Völkerrechtes, den
1895 der Kaiser von China bat, den Frieden mit Japan zu vermitteln),
E. A. Hitchcock und C. E. Smith, beide Minister unter Me. Kinley. und Oskar
Straus, unter Roosevelt Handelsminister, der zweimal als Gesandter in Kon¬
stantinopel erhebliches Geschick und großen Takt an den Tag gelegt hat.
Männer wie Karl Schurz (vor vierzig Jahren Gesandter in Madrid) und Andrew
D. White brauche ich den Lesern nicht erst vorzustellen.

Dies wären in bunter Reihe die hervorragendsten Männer, die von der
nordamerikanischen Union als diplomatische Vertreter ins Ausland geschickt
wurden. Bedenkt man, daß die diplomatische Geschichte der Vereinigten Staaten
wenig über hundert Jahre alt ist, so wird man zugeben, daß dies für einen
so kurzen Zeitraum eine ganz präsentable Liste ist. Vergleicht man damit die
Namen der Diplomaten, die von den großen europäischen Staaten nach
Washington geschickt wurden, so ergibt sich sogar eine Unterbilanz für die
Europäer. Wieviele ausgemachte Nullen hat z. B. das britische Gesandtschafts¬
palais in Washington in diesen hundert Jahren nicht beherbergt I Auch die
Franzosen haben eigentlich nur einen einzigen Mann von internationaler Be¬
deutung nach Amerika geschickt, den unglücklichen Prewost - Paradol, der seinen
glühenden Patriotismus mit dem Leben bezahlte; er jagte sich im Juli 1870
in Washington eine Kugel durch den Kopf, als er von dem Ausbruch des
Krieges mit Deutschland Kunde erhielt; denn er sah das Unglück seines Vater¬
landes deutlich voraus. Im allgemeinen läßt sich von den europäischen Re¬
gierungen sagen, daß sie zu häufig den Fehler begingen, nach Amerika Männer
zu entsenden, die für ihr Amt wenig mehr mitbrachten als Geld und eine nach
europäischen Begriffen große soziale Stellung. Beides zählt aber in den maßgebenden
Kreisen der Vereinigten Staaten sehr wenig. Der Mann, der den Amerikanern
durch Aufwand und Luxus imponieren könnte, existiert in Europa nicht; kein
Europäer kann in diesem Punkt mit den Amerikanern erfolgreich konkurrieren.
Der Respekt vor dem Adel ist drüben, soweit er überhaupt vorhanden war,
ganz bedeutend gesunken, seitdem ein Teil der europäischen Aristokratie so un¬
verhüllt, fast geschäftsmäßig, die Jagd auf reiche Amerikanerinnen betreibt. Eine
andere Gruppe europäischer Diplomaten verfällt in den Fehler, ihren Verkehr
hauptsächlich auf den Präsidenten, den Staatssekretär und einige andere hohe
Funktionäre zu konzentrieren. Nun sind in allen wichtigen Fragen der Politik
drüben keineswegs der Präsident und sein Kabinett ausschlaggebend. Die ent¬
scheidende Rolle bei allen Fragen von größerer Bedeutung, also z. B. beim
Abschlüsse von Verträgen, bei der Festsetzung von Einfuhrzöllen und bei allen
Angelegenheiten, die ins Ausland herübergreifen, spielen vielmehr die Partei¬
führer in beiden Häusern des Kongresses und in letzter Linie die Ausschüsse
(committee8) des Senats und des Repräsentantenhauses, in deren Schoße das


Amerikanische Diplomaten

Schafter in Paris und in London; den ihm vor fünfunddreißig Jahren vom
Präsidenten Hayes angebotenen Berliner Posten lehnte er ab. Amerikanische
Gesandte, die ihrem Lande später als Kabinettsminister dienten, waren I. W.
Foster (1892 Staatssekretär; ein hervorragender Kenner des Völkerrechtes, den
1895 der Kaiser von China bat, den Frieden mit Japan zu vermitteln),
E. A. Hitchcock und C. E. Smith, beide Minister unter Me. Kinley. und Oskar
Straus, unter Roosevelt Handelsminister, der zweimal als Gesandter in Kon¬
stantinopel erhebliches Geschick und großen Takt an den Tag gelegt hat.
Männer wie Karl Schurz (vor vierzig Jahren Gesandter in Madrid) und Andrew
D. White brauche ich den Lesern nicht erst vorzustellen.

Dies wären in bunter Reihe die hervorragendsten Männer, die von der
nordamerikanischen Union als diplomatische Vertreter ins Ausland geschickt
wurden. Bedenkt man, daß die diplomatische Geschichte der Vereinigten Staaten
wenig über hundert Jahre alt ist, so wird man zugeben, daß dies für einen
so kurzen Zeitraum eine ganz präsentable Liste ist. Vergleicht man damit die
Namen der Diplomaten, die von den großen europäischen Staaten nach
Washington geschickt wurden, so ergibt sich sogar eine Unterbilanz für die
Europäer. Wieviele ausgemachte Nullen hat z. B. das britische Gesandtschafts¬
palais in Washington in diesen hundert Jahren nicht beherbergt I Auch die
Franzosen haben eigentlich nur einen einzigen Mann von internationaler Be¬
deutung nach Amerika geschickt, den unglücklichen Prewost - Paradol, der seinen
glühenden Patriotismus mit dem Leben bezahlte; er jagte sich im Juli 1870
in Washington eine Kugel durch den Kopf, als er von dem Ausbruch des
Krieges mit Deutschland Kunde erhielt; denn er sah das Unglück seines Vater¬
landes deutlich voraus. Im allgemeinen läßt sich von den europäischen Re¬
gierungen sagen, daß sie zu häufig den Fehler begingen, nach Amerika Männer
zu entsenden, die für ihr Amt wenig mehr mitbrachten als Geld und eine nach
europäischen Begriffen große soziale Stellung. Beides zählt aber in den maßgebenden
Kreisen der Vereinigten Staaten sehr wenig. Der Mann, der den Amerikanern
durch Aufwand und Luxus imponieren könnte, existiert in Europa nicht; kein
Europäer kann in diesem Punkt mit den Amerikanern erfolgreich konkurrieren.
Der Respekt vor dem Adel ist drüben, soweit er überhaupt vorhanden war,
ganz bedeutend gesunken, seitdem ein Teil der europäischen Aristokratie so un¬
verhüllt, fast geschäftsmäßig, die Jagd auf reiche Amerikanerinnen betreibt. Eine
andere Gruppe europäischer Diplomaten verfällt in den Fehler, ihren Verkehr
hauptsächlich auf den Präsidenten, den Staatssekretär und einige andere hohe
Funktionäre zu konzentrieren. Nun sind in allen wichtigen Fragen der Politik
drüben keineswegs der Präsident und sein Kabinett ausschlaggebend. Die ent¬
scheidende Rolle bei allen Fragen von größerer Bedeutung, also z. B. beim
Abschlüsse von Verträgen, bei der Festsetzung von Einfuhrzöllen und bei allen
Angelegenheiten, die ins Ausland herübergreifen, spielen vielmehr die Partei¬
führer in beiden Häusern des Kongresses und in letzter Linie die Ausschüsse
(committee8) des Senats und des Repräsentantenhauses, in deren Schoße das


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[0356] Amerikanische Diplomaten Schafter in Paris und in London; den ihm vor fünfunddreißig Jahren vom Präsidenten Hayes angebotenen Berliner Posten lehnte er ab. Amerikanische Gesandte, die ihrem Lande später als Kabinettsminister dienten, waren I. W. Foster (1892 Staatssekretär; ein hervorragender Kenner des Völkerrechtes, den 1895 der Kaiser von China bat, den Frieden mit Japan zu vermitteln), E. A. Hitchcock und C. E. Smith, beide Minister unter Me. Kinley. und Oskar Straus, unter Roosevelt Handelsminister, der zweimal als Gesandter in Kon¬ stantinopel erhebliches Geschick und großen Takt an den Tag gelegt hat. Männer wie Karl Schurz (vor vierzig Jahren Gesandter in Madrid) und Andrew D. White brauche ich den Lesern nicht erst vorzustellen. Dies wären in bunter Reihe die hervorragendsten Männer, die von der nordamerikanischen Union als diplomatische Vertreter ins Ausland geschickt wurden. Bedenkt man, daß die diplomatische Geschichte der Vereinigten Staaten wenig über hundert Jahre alt ist, so wird man zugeben, daß dies für einen so kurzen Zeitraum eine ganz präsentable Liste ist. Vergleicht man damit die Namen der Diplomaten, die von den großen europäischen Staaten nach Washington geschickt wurden, so ergibt sich sogar eine Unterbilanz für die Europäer. Wieviele ausgemachte Nullen hat z. B. das britische Gesandtschafts¬ palais in Washington in diesen hundert Jahren nicht beherbergt I Auch die Franzosen haben eigentlich nur einen einzigen Mann von internationaler Be¬ deutung nach Amerika geschickt, den unglücklichen Prewost - Paradol, der seinen glühenden Patriotismus mit dem Leben bezahlte; er jagte sich im Juli 1870 in Washington eine Kugel durch den Kopf, als er von dem Ausbruch des Krieges mit Deutschland Kunde erhielt; denn er sah das Unglück seines Vater¬ landes deutlich voraus. Im allgemeinen läßt sich von den europäischen Re¬ gierungen sagen, daß sie zu häufig den Fehler begingen, nach Amerika Männer zu entsenden, die für ihr Amt wenig mehr mitbrachten als Geld und eine nach europäischen Begriffen große soziale Stellung. Beides zählt aber in den maßgebenden Kreisen der Vereinigten Staaten sehr wenig. Der Mann, der den Amerikanern durch Aufwand und Luxus imponieren könnte, existiert in Europa nicht; kein Europäer kann in diesem Punkt mit den Amerikanern erfolgreich konkurrieren. Der Respekt vor dem Adel ist drüben, soweit er überhaupt vorhanden war, ganz bedeutend gesunken, seitdem ein Teil der europäischen Aristokratie so un¬ verhüllt, fast geschäftsmäßig, die Jagd auf reiche Amerikanerinnen betreibt. Eine andere Gruppe europäischer Diplomaten verfällt in den Fehler, ihren Verkehr hauptsächlich auf den Präsidenten, den Staatssekretär und einige andere hohe Funktionäre zu konzentrieren. Nun sind in allen wichtigen Fragen der Politik drüben keineswegs der Präsident und sein Kabinett ausschlaggebend. Die ent¬ scheidende Rolle bei allen Fragen von größerer Bedeutung, also z. B. beim Abschlüsse von Verträgen, bei der Festsetzung von Einfuhrzöllen und bei allen Angelegenheiten, die ins Ausland herübergreifen, spielen vielmehr die Partei¬ führer in beiden Häusern des Kongresses und in letzter Linie die Ausschüsse (committee8) des Senats und des Repräsentantenhauses, in deren Schoße das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/356>, abgerufen am 27.12.2024.