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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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"Adieu, OnkelI Ich werde deinen Rat nicht vergessen. Du sollst mit mir
zufrieden sein!"

Unter dem kräftigen Schenkeldruck seines schneidigen Reiters stieg das edle
Pferd wiehernd in die Höhe.

"Also los, meine Herren!"

Die Hufschläge verhallten bald im tiefen Sande des Feldweges, der hinter
den Scheunen vorbei aus dem Hof führte. Die Gäste waren alle bis zu der
Nebenpforte mitgegangen und lauschten noch eine Weile.

Über dein Rande des leicht ansteigenden Feldes tauchten die vier Reiter
wieder auf -- schwarze Silhouetten auf dem Grund des Abendhimmels, der
zwischen aufgetürmten düstern Wolken in roten Streifen leuchtete.

"Grausig schön!" sagte Edles. "Ich wollte, ich hätte anreiten können!"

"Aber meine Gnädigste!" knarrt? Cäsar von Brügge. "Der bloße Ge¬
danke macht mir das Haar sträuben: ein zartes Mädchen in so unheimlicher Nacht!"

"Zartes Mädchen! Seh ich so aus?" Edles straffte ihre schlanke Gestalt,
die in dem knapp anliegenden langen Lodenpaletot den galanten Ausdruck des
Junkers wirklich nicht rechtfertigte.

Man ging ins Haus zurück und versammelte sich im großen Saal, wo
zwei mächtige Kamine eine behagliche Wärme verbreiteten. Die lange Tafel
war weggeräumt, und die Stühle standen um mehrere kleine Tische, auf denen
der Samovar summte. Liköre standen neben den Teegläsern- und große Kästen
boten den Rauchern Zigaretten.

Edda, die den Tee bereiten sollte, ließ auf sich warten. Sie war mit
Sandberg und Evi draußen, wo die Hoftore gesichert und die Hunde entkoppelt
werden mußten. In wilden Sätzen umsprangen die drei großen Tiere ihre
Herrinnen und liefen witternd im Hof herum, bis sie mit wütendem Gebell vor
dem verschlossenen Spritzenhaus stehen blieben.

"Heb mich!" sagte Evi zu Sandberg. "Ich will mal nachgucken, was die
Ehlen machen."

Unwirsch antwortete der Förster: "Laß doch die armen Kerls!" und wollte
Evi mit sich fortziehen. Aber er mußte fast Gewalt brauchen, so schwer machte
sich das Mädchen.

"Hast du gehört?" Sie legte den Finger an die Lippen. "Mir war,
als hörte ich eine Stimme!"

"Natürlich -- sie werden sich unterhalten. Zum Schlaf ist ihnen die Lust
vergangen!"----

Edda dachte: "Wenn ich jetzt nur nicht in den Saal brauchte!"

Ihr Herz war zu Tode wund. Dieser Tag hatte alle ihre Hoffnungen
vernichtet.

Als sie am Nachmittag bei der Rückkehr der Junker den Tumult auf dem
Hof benutzen wollte, um ein Zusammentreffen rin Wolff Joachim unter vier Augen
zu ermöglichen, hatte sie aus des Vaters Zimmer seine Stimme gehört. Im


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„Adieu, OnkelI Ich werde deinen Rat nicht vergessen. Du sollst mit mir
zufrieden sein!"

Unter dem kräftigen Schenkeldruck seines schneidigen Reiters stieg das edle
Pferd wiehernd in die Höhe.

„Also los, meine Herren!"

Die Hufschläge verhallten bald im tiefen Sande des Feldweges, der hinter
den Scheunen vorbei aus dem Hof führte. Die Gäste waren alle bis zu der
Nebenpforte mitgegangen und lauschten noch eine Weile.

Über dein Rande des leicht ansteigenden Feldes tauchten die vier Reiter
wieder auf — schwarze Silhouetten auf dem Grund des Abendhimmels, der
zwischen aufgetürmten düstern Wolken in roten Streifen leuchtete.

„Grausig schön!" sagte Edles. „Ich wollte, ich hätte anreiten können!"

„Aber meine Gnädigste!" knarrt? Cäsar von Brügge. „Der bloße Ge¬
danke macht mir das Haar sträuben: ein zartes Mädchen in so unheimlicher Nacht!"

„Zartes Mädchen! Seh ich so aus?" Edles straffte ihre schlanke Gestalt,
die in dem knapp anliegenden langen Lodenpaletot den galanten Ausdruck des
Junkers wirklich nicht rechtfertigte.

Man ging ins Haus zurück und versammelte sich im großen Saal, wo
zwei mächtige Kamine eine behagliche Wärme verbreiteten. Die lange Tafel
war weggeräumt, und die Stühle standen um mehrere kleine Tische, auf denen
der Samovar summte. Liköre standen neben den Teegläsern- und große Kästen
boten den Rauchern Zigaretten.

Edda, die den Tee bereiten sollte, ließ auf sich warten. Sie war mit
Sandberg und Evi draußen, wo die Hoftore gesichert und die Hunde entkoppelt
werden mußten. In wilden Sätzen umsprangen die drei großen Tiere ihre
Herrinnen und liefen witternd im Hof herum, bis sie mit wütendem Gebell vor
dem verschlossenen Spritzenhaus stehen blieben.

„Heb mich!" sagte Evi zu Sandberg. „Ich will mal nachgucken, was die
Ehlen machen."

Unwirsch antwortete der Förster: „Laß doch die armen Kerls!" und wollte
Evi mit sich fortziehen. Aber er mußte fast Gewalt brauchen, so schwer machte
sich das Mädchen.

„Hast du gehört?" Sie legte den Finger an die Lippen. „Mir war,
als hörte ich eine Stimme!"

„Natürlich — sie werden sich unterhalten. Zum Schlaf ist ihnen die Lust
vergangen!"----

Edda dachte: „Wenn ich jetzt nur nicht in den Saal brauchte!"

Ihr Herz war zu Tode wund. Dieser Tag hatte alle ihre Hoffnungen
vernichtet.

Als sie am Nachmittag bei der Rückkehr der Junker den Tumult auf dem
Hof benutzen wollte, um ein Zusammentreffen rin Wolff Joachim unter vier Augen
zu ermöglichen, hatte sie aus des Vaters Zimmer seine Stimme gehört. Im


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[0234] ?turn „Adieu, OnkelI Ich werde deinen Rat nicht vergessen. Du sollst mit mir zufrieden sein!" Unter dem kräftigen Schenkeldruck seines schneidigen Reiters stieg das edle Pferd wiehernd in die Höhe. „Also los, meine Herren!" Die Hufschläge verhallten bald im tiefen Sande des Feldweges, der hinter den Scheunen vorbei aus dem Hof führte. Die Gäste waren alle bis zu der Nebenpforte mitgegangen und lauschten noch eine Weile. Über dein Rande des leicht ansteigenden Feldes tauchten die vier Reiter wieder auf — schwarze Silhouetten auf dem Grund des Abendhimmels, der zwischen aufgetürmten düstern Wolken in roten Streifen leuchtete. „Grausig schön!" sagte Edles. „Ich wollte, ich hätte anreiten können!" „Aber meine Gnädigste!" knarrt? Cäsar von Brügge. „Der bloße Ge¬ danke macht mir das Haar sträuben: ein zartes Mädchen in so unheimlicher Nacht!" „Zartes Mädchen! Seh ich so aus?" Edles straffte ihre schlanke Gestalt, die in dem knapp anliegenden langen Lodenpaletot den galanten Ausdruck des Junkers wirklich nicht rechtfertigte. Man ging ins Haus zurück und versammelte sich im großen Saal, wo zwei mächtige Kamine eine behagliche Wärme verbreiteten. Die lange Tafel war weggeräumt, und die Stühle standen um mehrere kleine Tische, auf denen der Samovar summte. Liköre standen neben den Teegläsern- und große Kästen boten den Rauchern Zigaretten. Edda, die den Tee bereiten sollte, ließ auf sich warten. Sie war mit Sandberg und Evi draußen, wo die Hoftore gesichert und die Hunde entkoppelt werden mußten. In wilden Sätzen umsprangen die drei großen Tiere ihre Herrinnen und liefen witternd im Hof herum, bis sie mit wütendem Gebell vor dem verschlossenen Spritzenhaus stehen blieben. „Heb mich!" sagte Evi zu Sandberg. „Ich will mal nachgucken, was die Ehlen machen." Unwirsch antwortete der Förster: „Laß doch die armen Kerls!" und wollte Evi mit sich fortziehen. Aber er mußte fast Gewalt brauchen, so schwer machte sich das Mädchen. „Hast du gehört?" Sie legte den Finger an die Lippen. „Mir war, als hörte ich eine Stimme!" „Natürlich — sie werden sich unterhalten. Zum Schlaf ist ihnen die Lust vergangen!"---- Edda dachte: „Wenn ich jetzt nur nicht in den Saal brauchte!" Ihr Herz war zu Tode wund. Dieser Tag hatte alle ihre Hoffnungen vernichtet. Als sie am Nachmittag bei der Rückkehr der Junker den Tumult auf dem Hof benutzen wollte, um ein Zusammentreffen rin Wolff Joachim unter vier Augen zu ermöglichen, hatte sie aus des Vaters Zimmer seine Stimme gehört. Im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/234>, abgerufen am 20.10.2024.