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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

' "Juhann Kiilk aus Rosenhof."

"So! Und du?"

"Wart Leppik,"

"Und woher? Auch aus Rosenhof! Natürlich! Zwei Hahnsche Hallunken!"

Er nahm eines der Gewehre, die an der Wand lehnten und untersuchte
es. "Wollus Pirschbüchse!" sagte er auf deutsch und ein Lächeln zuckte um
seinen Mund. Aber sofort legte sich seine Stirn wieder in grimmige Falten,
und er fragte weiter:

"Wo liegen jetzt eure Spießgesellen? Sag die Wahrheit, Schuft, oder du
zappelst bald da oben!" Er deutete auf die Deckenbalken.

"Nach Peide zu!"

"Was? So weit entfernt? Du lügst. Teufel!" Des Barons geballte
Faust hob dem Kalk das Kinn in die Höhe, daß er die verschlagenen Schlitz¬
augen entsetzt aufriß.

"^ummal est!" quetschte der Este hervor. "Bei Gott! Wir haben Dra¬
goner gesehen!"

Wolfs Joachim wandte sich um: "die Kanaillen lügen, wie gedruckt. Aber
ich glaube schon, daß sie dem Militär aus dem Wege gehen. Vielleicht sind
die Dragoner hinter ihnen her. Sonst müßten sie längst da sein!"

"Ihr seid jetzt kriegsgefangen!" sagte Evi, die sich wie eine Eidechse durch
den Ring der Junker gewunden hatte. In jeder Hand hielt sie ein großes
Stück Brot und zeigte es den beiden Kerls:

"Wenn ihr nicht aufmuckt, kriegt ihr was zu fressen. Sonst aber. . ."
Sie fuchtelte mit ihrer kleinen Hand unzweideutig durch die Luft.

Da brach ein dröhnendes Gelächter los in dem niedrigen, nur von zwei
Stallaternen notdürftig erhellten Raum. Und die Schatten der hohen, hell
beleuchteten Gestalten tanzten an der Decke. So wurden sie von der naiven
Komik der Szene geschüttelt.

Auf dem Hof hatte unterdessen Förster Sandberg seinem Herrn Bericht
erstattet. Er war ganz anderer Meinung als Wolff Joachim und gab auch
nichts auf die dürftigen Aussagen der Gefangenen. Er hielt es für aus¬
geschlossen, daß sich die Kerls so weit von der Bande entfernt haben sollten.
Sicher war sie in nächster Nähe der Straße versteckt, und gerade deswegen
schloß Sandberg, daß das Militär in einer anderen Richtung abmarschiert sein
müsse.

"Auf jeden Fall mußt du schleunigst fort!" fagte Herr von Wenkendorff
zu Wolff Joachim. "Aber reit nicht die Straße, sondern den Feldweg am
Vorwerk vorbei. Und drei Mann müssen dich begleiten, mindestens bis zum
Krug. Wie ist es, Sandberg? Reiten Sie mit?"

Da rief Ren6 von Manteuffel: "Ich kenne den Weg ebensogut wie Sand¬
berg. Vom Vorwerk aus ging immer das Treiben bei der Hasenjagd los. Mir


Sturm

' „Juhann Kiilk aus Rosenhof."

„So! Und du?"

„Wart Leppik,"

„Und woher? Auch aus Rosenhof! Natürlich! Zwei Hahnsche Hallunken!"

Er nahm eines der Gewehre, die an der Wand lehnten und untersuchte
es. „Wollus Pirschbüchse!" sagte er auf deutsch und ein Lächeln zuckte um
seinen Mund. Aber sofort legte sich seine Stirn wieder in grimmige Falten,
und er fragte weiter:

„Wo liegen jetzt eure Spießgesellen? Sag die Wahrheit, Schuft, oder du
zappelst bald da oben!" Er deutete auf die Deckenbalken.

„Nach Peide zu!"

„Was? So weit entfernt? Du lügst. Teufel!" Des Barons geballte
Faust hob dem Kalk das Kinn in die Höhe, daß er die verschlagenen Schlitz¬
augen entsetzt aufriß.

„^ummal est!" quetschte der Este hervor. „Bei Gott! Wir haben Dra¬
goner gesehen!"

Wolfs Joachim wandte sich um: „die Kanaillen lügen, wie gedruckt. Aber
ich glaube schon, daß sie dem Militär aus dem Wege gehen. Vielleicht sind
die Dragoner hinter ihnen her. Sonst müßten sie längst da sein!"

„Ihr seid jetzt kriegsgefangen!" sagte Evi, die sich wie eine Eidechse durch
den Ring der Junker gewunden hatte. In jeder Hand hielt sie ein großes
Stück Brot und zeigte es den beiden Kerls:

„Wenn ihr nicht aufmuckt, kriegt ihr was zu fressen. Sonst aber. . ."
Sie fuchtelte mit ihrer kleinen Hand unzweideutig durch die Luft.

Da brach ein dröhnendes Gelächter los in dem niedrigen, nur von zwei
Stallaternen notdürftig erhellten Raum. Und die Schatten der hohen, hell
beleuchteten Gestalten tanzten an der Decke. So wurden sie von der naiven
Komik der Szene geschüttelt.

Auf dem Hof hatte unterdessen Förster Sandberg seinem Herrn Bericht
erstattet. Er war ganz anderer Meinung als Wolff Joachim und gab auch
nichts auf die dürftigen Aussagen der Gefangenen. Er hielt es für aus¬
geschlossen, daß sich die Kerls so weit von der Bande entfernt haben sollten.
Sicher war sie in nächster Nähe der Straße versteckt, und gerade deswegen
schloß Sandberg, daß das Militär in einer anderen Richtung abmarschiert sein
müsse.

„Auf jeden Fall mußt du schleunigst fort!" fagte Herr von Wenkendorff
zu Wolff Joachim. „Aber reit nicht die Straße, sondern den Feldweg am
Vorwerk vorbei. Und drei Mann müssen dich begleiten, mindestens bis zum
Krug. Wie ist es, Sandberg? Reiten Sie mit?"

Da rief Ren6 von Manteuffel: „Ich kenne den Weg ebensogut wie Sand¬
berg. Vom Vorwerk aus ging immer das Treiben bei der Hasenjagd los. Mir


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[0232] Sturm ' „Juhann Kiilk aus Rosenhof." „So! Und du?" „Wart Leppik," „Und woher? Auch aus Rosenhof! Natürlich! Zwei Hahnsche Hallunken!" Er nahm eines der Gewehre, die an der Wand lehnten und untersuchte es. „Wollus Pirschbüchse!" sagte er auf deutsch und ein Lächeln zuckte um seinen Mund. Aber sofort legte sich seine Stirn wieder in grimmige Falten, und er fragte weiter: „Wo liegen jetzt eure Spießgesellen? Sag die Wahrheit, Schuft, oder du zappelst bald da oben!" Er deutete auf die Deckenbalken. „Nach Peide zu!" „Was? So weit entfernt? Du lügst. Teufel!" Des Barons geballte Faust hob dem Kalk das Kinn in die Höhe, daß er die verschlagenen Schlitz¬ augen entsetzt aufriß. „^ummal est!" quetschte der Este hervor. „Bei Gott! Wir haben Dra¬ goner gesehen!" Wolfs Joachim wandte sich um: „die Kanaillen lügen, wie gedruckt. Aber ich glaube schon, daß sie dem Militär aus dem Wege gehen. Vielleicht sind die Dragoner hinter ihnen her. Sonst müßten sie längst da sein!" „Ihr seid jetzt kriegsgefangen!" sagte Evi, die sich wie eine Eidechse durch den Ring der Junker gewunden hatte. In jeder Hand hielt sie ein großes Stück Brot und zeigte es den beiden Kerls: „Wenn ihr nicht aufmuckt, kriegt ihr was zu fressen. Sonst aber. . ." Sie fuchtelte mit ihrer kleinen Hand unzweideutig durch die Luft. Da brach ein dröhnendes Gelächter los in dem niedrigen, nur von zwei Stallaternen notdürftig erhellten Raum. Und die Schatten der hohen, hell beleuchteten Gestalten tanzten an der Decke. So wurden sie von der naiven Komik der Szene geschüttelt. Auf dem Hof hatte unterdessen Förster Sandberg seinem Herrn Bericht erstattet. Er war ganz anderer Meinung als Wolff Joachim und gab auch nichts auf die dürftigen Aussagen der Gefangenen. Er hielt es für aus¬ geschlossen, daß sich die Kerls so weit von der Bande entfernt haben sollten. Sicher war sie in nächster Nähe der Straße versteckt, und gerade deswegen schloß Sandberg, daß das Militär in einer anderen Richtung abmarschiert sein müsse. „Auf jeden Fall mußt du schleunigst fort!" fagte Herr von Wenkendorff zu Wolff Joachim. „Aber reit nicht die Straße, sondern den Feldweg am Vorwerk vorbei. Und drei Mann müssen dich begleiten, mindestens bis zum Krug. Wie ist es, Sandberg? Reiten Sie mit?" Da rief Ren6 von Manteuffel: „Ich kenne den Weg ebensogut wie Sand¬ berg. Vom Vorwerk aus ging immer das Treiben bei der Hasenjagd los. Mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/232>, abgerufen am 19.10.2024.