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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Dichter und Verleger

die Sie unserm Dichter zollen, mich recht sehr erfreut hat. Ich schätze in Adalbert
Stifter nicht nur den jetzt so gefeierten Dichter; ich bin auch "so glücklich, ihn
zu meinen liebsten Freunden zählen zu können, und Ihre Voraussetzung, daß
ich einen Schatz von brieflichen Mitteilungen besitzen müsse, trifft vollkommen
ein. Es wird vielleicht eine Zeit kommen, wo manches davon der Öffentlichkeit
übergeben werden kann.

Die täglich sich mehrenden Beweise der wärmsten Anerkennung der
Stifterschen Dichtungen bestärken in mir den Glauben an eine noch bedeutendere
Zukunft des Dichters, der seinem innern Dichtungsdrange folgend jetzt wieder
an zwei größeren Werken arbeitet. Schon als ich vor vierzehn Jahren Stifters
erstes Manuskript zur Hand bekam, war ich von der Herrlichkeit der Dichtung
so sehr ergriffen, daß ich es mir fortan zur Aufgabe stellte, als Verleger
fördernd und ermunternd einzugreifen. So kamen mehrere Beiträge für mein
Taschenbuch "Iris" und endlich die Sammlungsausgabe der "Studien" zu¬
stande. Ich ließ mich von der anfänglich kalten Aufnahme im Publikum nicht
entmutigen, denn ich erkannte sehr wohl, wieviel davon auf Rechnung eines
entarteten Geschmackes zu bringen war! -- Dagegen erfreuten mich oft einzelne
Stimmen des Beifalles und der Bewunderung, und je häufiger diese Stimmen
laut wurden, desto zuversichtlicher hoffe ich, daß Stifters Dichtungen in nächster
Zukunft dem ganzen deutschen Volke das sein werden, was sie jetzt schon dem
einzelnen geworden sind: ein wahres Labsal für das reine Menschengemüt;
ein ungetrübter, erhebender Genuß am Sittlichschönen. Man hatte dem Dichter
häufig den Vorwurf gemacht, seine Werke seien nichts als geschriebene Land¬
schaften! und doch! In welcher Fülle schreiten die herrlichsten Menschengestalten
durch alle Werke des Dichters! Es möge recht bald die Zeit kommen, wo
diese Gestalten in den empfänglichen Herzen aller deutscheu Jünglinge und
Jungfrauen lebendig werden, damit sie sich daran ergetzen und erheben.

Mit dem Wunsche, daß es mir als Verleger noch recht oft gegönnt sein
möge, Sie und gleichgesinnte Freunde und Verehrer der Stifterschen Muse
mit neuen Werken unsers lieben Dichters zu überraschen und zu erfreuen, ver¬
harre ich mit dem Ausdrucke aufrichtiger Hochachtung


Ihr ergebener
Gustav Heckenast.


Dichter und Verleger

die Sie unserm Dichter zollen, mich recht sehr erfreut hat. Ich schätze in Adalbert
Stifter nicht nur den jetzt so gefeierten Dichter; ich bin auch "so glücklich, ihn
zu meinen liebsten Freunden zählen zu können, und Ihre Voraussetzung, daß
ich einen Schatz von brieflichen Mitteilungen besitzen müsse, trifft vollkommen
ein. Es wird vielleicht eine Zeit kommen, wo manches davon der Öffentlichkeit
übergeben werden kann.

Die täglich sich mehrenden Beweise der wärmsten Anerkennung der
Stifterschen Dichtungen bestärken in mir den Glauben an eine noch bedeutendere
Zukunft des Dichters, der seinem innern Dichtungsdrange folgend jetzt wieder
an zwei größeren Werken arbeitet. Schon als ich vor vierzehn Jahren Stifters
erstes Manuskript zur Hand bekam, war ich von der Herrlichkeit der Dichtung
so sehr ergriffen, daß ich es mir fortan zur Aufgabe stellte, als Verleger
fördernd und ermunternd einzugreifen. So kamen mehrere Beiträge für mein
Taschenbuch „Iris" und endlich die Sammlungsausgabe der „Studien" zu¬
stande. Ich ließ mich von der anfänglich kalten Aufnahme im Publikum nicht
entmutigen, denn ich erkannte sehr wohl, wieviel davon auf Rechnung eines
entarteten Geschmackes zu bringen war! — Dagegen erfreuten mich oft einzelne
Stimmen des Beifalles und der Bewunderung, und je häufiger diese Stimmen
laut wurden, desto zuversichtlicher hoffe ich, daß Stifters Dichtungen in nächster
Zukunft dem ganzen deutschen Volke das sein werden, was sie jetzt schon dem
einzelnen geworden sind: ein wahres Labsal für das reine Menschengemüt;
ein ungetrübter, erhebender Genuß am Sittlichschönen. Man hatte dem Dichter
häufig den Vorwurf gemacht, seine Werke seien nichts als geschriebene Land¬
schaften! und doch! In welcher Fülle schreiten die herrlichsten Menschengestalten
durch alle Werke des Dichters! Es möge recht bald die Zeit kommen, wo
diese Gestalten in den empfänglichen Herzen aller deutscheu Jünglinge und
Jungfrauen lebendig werden, damit sie sich daran ergetzen und erheben.

Mit dem Wunsche, daß es mir als Verleger noch recht oft gegönnt sein
möge, Sie und gleichgesinnte Freunde und Verehrer der Stifterschen Muse
mit neuen Werken unsers lieben Dichters zu überraschen und zu erfreuen, ver¬
harre ich mit dem Ausdrucke aufrichtiger Hochachtung


Ihr ergebener
Gustav Heckenast.


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[0196] Dichter und Verleger die Sie unserm Dichter zollen, mich recht sehr erfreut hat. Ich schätze in Adalbert Stifter nicht nur den jetzt so gefeierten Dichter; ich bin auch "so glücklich, ihn zu meinen liebsten Freunden zählen zu können, und Ihre Voraussetzung, daß ich einen Schatz von brieflichen Mitteilungen besitzen müsse, trifft vollkommen ein. Es wird vielleicht eine Zeit kommen, wo manches davon der Öffentlichkeit übergeben werden kann. Die täglich sich mehrenden Beweise der wärmsten Anerkennung der Stifterschen Dichtungen bestärken in mir den Glauben an eine noch bedeutendere Zukunft des Dichters, der seinem innern Dichtungsdrange folgend jetzt wieder an zwei größeren Werken arbeitet. Schon als ich vor vierzehn Jahren Stifters erstes Manuskript zur Hand bekam, war ich von der Herrlichkeit der Dichtung so sehr ergriffen, daß ich es mir fortan zur Aufgabe stellte, als Verleger fördernd und ermunternd einzugreifen. So kamen mehrere Beiträge für mein Taschenbuch „Iris" und endlich die Sammlungsausgabe der „Studien" zu¬ stande. Ich ließ mich von der anfänglich kalten Aufnahme im Publikum nicht entmutigen, denn ich erkannte sehr wohl, wieviel davon auf Rechnung eines entarteten Geschmackes zu bringen war! — Dagegen erfreuten mich oft einzelne Stimmen des Beifalles und der Bewunderung, und je häufiger diese Stimmen laut wurden, desto zuversichtlicher hoffe ich, daß Stifters Dichtungen in nächster Zukunft dem ganzen deutschen Volke das sein werden, was sie jetzt schon dem einzelnen geworden sind: ein wahres Labsal für das reine Menschengemüt; ein ungetrübter, erhebender Genuß am Sittlichschönen. Man hatte dem Dichter häufig den Vorwurf gemacht, seine Werke seien nichts als geschriebene Land¬ schaften! und doch! In welcher Fülle schreiten die herrlichsten Menschengestalten durch alle Werke des Dichters! Es möge recht bald die Zeit kommen, wo diese Gestalten in den empfänglichen Herzen aller deutscheu Jünglinge und Jungfrauen lebendig werden, damit sie sich daran ergetzen und erheben. Mit dem Wunsche, daß es mir als Verleger noch recht oft gegönnt sein möge, Sie und gleichgesinnte Freunde und Verehrer der Stifterschen Muse mit neuen Werken unsers lieben Dichters zu überraschen und zu erfreuen, ver¬ harre ich mit dem Ausdrucke aufrichtiger Hochachtung Ihr ergebener Gustav Heckenast.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/196>, abgerufen am 27.12.2024.