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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Kämpfe unserer Lehrerschaft

Anmerkung

Zu den vorstehenden Ausführungen seien uns ein paar Bemerkungen
erlaubt, weil gerade der Artikel über die weibliche Leitung höherer Mädchen¬
schulen uns mehrfache Entgegnungen eingetragen hat. Der Grundzug war
immer der Protest gegen eine dienstliche Unterstellung des Mannes unter die
Frau aus Gründen des Gefühls. Sie sollen nicht mißachtet werden, nur
scheint es uns fraglich, ob sie tatsächlich von ausschlaggebender Bedeutung sein
dürfen oder ob nicht gegebenenfalls die Gefühle des weiblichen Teils auch in
Rechnung zu setzen wären. In der Streitfrage des weiblichen Rektorats könnten
sich die Frauen mit gleichem Recht wie die Männer auf Imponderabilien in
ihrer Brust berufen, denn zweifellos kann es für eine reife Frau unter Um¬
ständen unerträglich sein, einem Rektor unterstellt zu werden, der nach Alter
und Lebenserfahrung ihr Sohn sein könnte. Man übersehe nicht die Ver¬
schiebung im Verhältnis der Geschlechter durch den Eintritt der Frau ins öffent¬
liche Leben. In der Familie mag sie sich als Weib dem Manne und last
not least dem Ernährer fügen (oder auch nicht!), im Kampf ums Dasein wird
sie nur durch Überlegenheit besiegt. Sollte das Aufwärtsstreben der Frau dem
Manne nicht Ansporn sein zur Erringung uneinnehmbarer Positionen und
wären somit die Erfolge der Frau nicht vielleicht Marksteine neuen Aufstiegs?

Wir deuten hiermit schon an, daß auch die Stellung der Frau im Schul¬
wesen für uns in erster Linie eine Frage nationalwirtschaftlicher Art ist. Doch
möchten wir heute noch nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern verweisen auf
den umfangreichen Aufsatz "Schaffen und Genießen" von Professor Vierkandt
in Heft 34, 35 und 37 des Jahrgangs 1912, in dem dieser auf die Einwirkungen
der Industrialisierung auf die Familie ganz allgemein und auf die Stellung
der Frau im besonderen hinweist. Scheint auch auf den ersten Blick dies
Thema mit dem hier behandelten nicht direkt zusammenzuhängen, so bitten wir
doch den Aufsatz nachzulesen, da wir uns davon die Wirkung versprechen, daß
auch in den Kreisen, in denen man der jüngsten Entwicklung der Frauellfrage
schroff ablehnend gegenübersteht, wenigstens eine breitere Basis für die Be¬
handlung aller damit zusammenhängenden Fragen gewonnen werde. -- Dieselbe
Wirkung würden wir uns auch vom Studium des Aufsatzes "Weibliche Eigenart
und weibliche Bildung" in Heft 42 des Jahrganges 1912 versprechen.


Die Schriftleitung


Kämpfe unserer Lehrerschaft

Anmerkung

Zu den vorstehenden Ausführungen seien uns ein paar Bemerkungen
erlaubt, weil gerade der Artikel über die weibliche Leitung höherer Mädchen¬
schulen uns mehrfache Entgegnungen eingetragen hat. Der Grundzug war
immer der Protest gegen eine dienstliche Unterstellung des Mannes unter die
Frau aus Gründen des Gefühls. Sie sollen nicht mißachtet werden, nur
scheint es uns fraglich, ob sie tatsächlich von ausschlaggebender Bedeutung sein
dürfen oder ob nicht gegebenenfalls die Gefühle des weiblichen Teils auch in
Rechnung zu setzen wären. In der Streitfrage des weiblichen Rektorats könnten
sich die Frauen mit gleichem Recht wie die Männer auf Imponderabilien in
ihrer Brust berufen, denn zweifellos kann es für eine reife Frau unter Um¬
ständen unerträglich sein, einem Rektor unterstellt zu werden, der nach Alter
und Lebenserfahrung ihr Sohn sein könnte. Man übersehe nicht die Ver¬
schiebung im Verhältnis der Geschlechter durch den Eintritt der Frau ins öffent¬
liche Leben. In der Familie mag sie sich als Weib dem Manne und last
not least dem Ernährer fügen (oder auch nicht!), im Kampf ums Dasein wird
sie nur durch Überlegenheit besiegt. Sollte das Aufwärtsstreben der Frau dem
Manne nicht Ansporn sein zur Erringung uneinnehmbarer Positionen und
wären somit die Erfolge der Frau nicht vielleicht Marksteine neuen Aufstiegs?

Wir deuten hiermit schon an, daß auch die Stellung der Frau im Schul¬
wesen für uns in erster Linie eine Frage nationalwirtschaftlicher Art ist. Doch
möchten wir heute noch nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern verweisen auf
den umfangreichen Aufsatz „Schaffen und Genießen" von Professor Vierkandt
in Heft 34, 35 und 37 des Jahrgangs 1912, in dem dieser auf die Einwirkungen
der Industrialisierung auf die Familie ganz allgemein und auf die Stellung
der Frau im besonderen hinweist. Scheint auch auf den ersten Blick dies
Thema mit dem hier behandelten nicht direkt zusammenzuhängen, so bitten wir
doch den Aufsatz nachzulesen, da wir uns davon die Wirkung versprechen, daß
auch in den Kreisen, in denen man der jüngsten Entwicklung der Frauellfrage
schroff ablehnend gegenübersteht, wenigstens eine breitere Basis für die Be¬
handlung aller damit zusammenhängenden Fragen gewonnen werde. — Dieselbe
Wirkung würden wir uns auch vom Studium des Aufsatzes „Weibliche Eigenart
und weibliche Bildung" in Heft 42 des Jahrganges 1912 versprechen.


Die Schriftleitung


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[0178] Kämpfe unserer Lehrerschaft Anmerkung Zu den vorstehenden Ausführungen seien uns ein paar Bemerkungen erlaubt, weil gerade der Artikel über die weibliche Leitung höherer Mädchen¬ schulen uns mehrfache Entgegnungen eingetragen hat. Der Grundzug war immer der Protest gegen eine dienstliche Unterstellung des Mannes unter die Frau aus Gründen des Gefühls. Sie sollen nicht mißachtet werden, nur scheint es uns fraglich, ob sie tatsächlich von ausschlaggebender Bedeutung sein dürfen oder ob nicht gegebenenfalls die Gefühle des weiblichen Teils auch in Rechnung zu setzen wären. In der Streitfrage des weiblichen Rektorats könnten sich die Frauen mit gleichem Recht wie die Männer auf Imponderabilien in ihrer Brust berufen, denn zweifellos kann es für eine reife Frau unter Um¬ ständen unerträglich sein, einem Rektor unterstellt zu werden, der nach Alter und Lebenserfahrung ihr Sohn sein könnte. Man übersehe nicht die Ver¬ schiebung im Verhältnis der Geschlechter durch den Eintritt der Frau ins öffent¬ liche Leben. In der Familie mag sie sich als Weib dem Manne und last not least dem Ernährer fügen (oder auch nicht!), im Kampf ums Dasein wird sie nur durch Überlegenheit besiegt. Sollte das Aufwärtsstreben der Frau dem Manne nicht Ansporn sein zur Erringung uneinnehmbarer Positionen und wären somit die Erfolge der Frau nicht vielleicht Marksteine neuen Aufstiegs? Wir deuten hiermit schon an, daß auch die Stellung der Frau im Schul¬ wesen für uns in erster Linie eine Frage nationalwirtschaftlicher Art ist. Doch möchten wir heute noch nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern verweisen auf den umfangreichen Aufsatz „Schaffen und Genießen" von Professor Vierkandt in Heft 34, 35 und 37 des Jahrgangs 1912, in dem dieser auf die Einwirkungen der Industrialisierung auf die Familie ganz allgemein und auf die Stellung der Frau im besonderen hinweist. Scheint auch auf den ersten Blick dies Thema mit dem hier behandelten nicht direkt zusammenzuhängen, so bitten wir doch den Aufsatz nachzulesen, da wir uns davon die Wirkung versprechen, daß auch in den Kreisen, in denen man der jüngsten Entwicklung der Frauellfrage schroff ablehnend gegenübersteht, wenigstens eine breitere Basis für die Be¬ handlung aller damit zusammenhängenden Fragen gewonnen werde. — Dieselbe Wirkung würden wir uns auch vom Studium des Aufsatzes „Weibliche Eigenart und weibliche Bildung" in Heft 42 des Jahrganges 1912 versprechen. Die Schriftleitung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/178>, abgerufen am 27.12.2024.