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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Reichstag und Reichsfinanzen

bezeichneten Schwierigkeit bietet. Man hat sich darum gestritten, ob die Erb¬
schaftssteuer überhaupt eine direkte oder indirekte Steuer ist. Schon daß ein
solcher Streit möglich ist, beweist, auf wie schwachen Füßen das Prinzip der
angepriesenen Zuteilung der Steuern an Reich und Einzelstaaten steht. Wie
man aber auch diesen Streit entscheiden mag, so bleibt die Erbschaftssteuer
eine Besitzsteuer gerade von der Art. wie sie als Gegengewicht gegen Verbrauchs¬
steuern gefordert wird. Zugleich erfüllt sie die weitere Anforderung, daß sie
einen Besitz trifft, der nicht notwendig den Vermögensbestandteilen zugerechnet
zu werden braucht, mit denen der Staat bei Besteuerung des Vermögens und
Einkommens zu tun hat. Es berührt natürlich die einzelstaatliche Finanzhoheit,
wenn auf Besitzbestandteile, die der Staat nach seinen eigenen Grundsätzen
besteuert, daneben auch das Reich seine Hand legt. Aber es braucht kein
Einzelstaat etwas dagegen zu haben oder sich in seinen natürlichen Bestimmungs¬
rechten beengt zu fühlen, wenn ein Vermögen, das seinen Besitzer durch den
Tod verloren hat, in einem um ein geringes gekürzten Betrage den neuen Be¬
sitzern zufällt und diese Kürzung dem Reich zugute kommt. Die Erbschafts¬
steuer ist also eine echte Besitzsteuer, die in Anwendung kommen kann, ohne
die Finanzhoheit der Einzelstaaten zu verletzen. Weiter kommt hinzu, daß bis
jetzt noch keine andere Steuer gefunden worden ist, die den zu stellenden Be¬
dingungen so vollkommen entspricht wie diese. Sie wird daher -- beinahe
möchte man sagen: mit Naturnotwendigkeit -- als Forderung immer wiederkehren,
bis sie durchgeführt worden ist.




Es ist nicht die Absicht, hier eine Parteipolemik zu führen oder eine Partei
zu tadeln, die andere Ansichten bekundet hat. Nur muß darauf hingewiesen
werden, daß gerade in Finanzfragen immer solche Konflikte entstehen werden,
die auf den Widerspruch zwischen der logischen Entwicklung der für das Ganze
des Reiches erforderlichen Notwendigkeiten und den Wünschen und Abneigungen
bestimmter Wählerkreise zurückzuführen sind. Ob die Konservativen es verant¬
worten wollen, noch weiterhin und für alle Zukunft ihre Stellung zur Erb-
schaflssteuerfrage lediglich nach den in bäuerlichen und sonst vom Bunde der
Landwirte aufgesetzten Kreisen bestehenden Vorurteilen zu orientieren, ist ihre
eigene Sache, und es ist nicht das Thema dieser Erörterung, diese Stellung von
einem außerhalb gewählten Standpunkt zu kritisieren. Die Frage mußte hier
als Beispiel erwähnt werden, wie das Problem der Reichsfinanzen im Laufe
seiner Geschichte eine bestimmte Linie verfolgt, die auf die prinzipielle Bedeutung
einer Steuer hinweist, und wie diese durch die Logik der Tatsachen fast unaus-
weichbare Forderung dennoch durch eine Parteitheorie, eine Parteitradition und
noch mehr durch Sonderwünsche einzelner, in einer Partei vorzugsweise berück¬
sichtigter Volkskreise immer wieder aufgehalten und gehemmt wird. Wohl-


Reichstag und Reichsfinanzen

bezeichneten Schwierigkeit bietet. Man hat sich darum gestritten, ob die Erb¬
schaftssteuer überhaupt eine direkte oder indirekte Steuer ist. Schon daß ein
solcher Streit möglich ist, beweist, auf wie schwachen Füßen das Prinzip der
angepriesenen Zuteilung der Steuern an Reich und Einzelstaaten steht. Wie
man aber auch diesen Streit entscheiden mag, so bleibt die Erbschaftssteuer
eine Besitzsteuer gerade von der Art. wie sie als Gegengewicht gegen Verbrauchs¬
steuern gefordert wird. Zugleich erfüllt sie die weitere Anforderung, daß sie
einen Besitz trifft, der nicht notwendig den Vermögensbestandteilen zugerechnet
zu werden braucht, mit denen der Staat bei Besteuerung des Vermögens und
Einkommens zu tun hat. Es berührt natürlich die einzelstaatliche Finanzhoheit,
wenn auf Besitzbestandteile, die der Staat nach seinen eigenen Grundsätzen
besteuert, daneben auch das Reich seine Hand legt. Aber es braucht kein
Einzelstaat etwas dagegen zu haben oder sich in seinen natürlichen Bestimmungs¬
rechten beengt zu fühlen, wenn ein Vermögen, das seinen Besitzer durch den
Tod verloren hat, in einem um ein geringes gekürzten Betrage den neuen Be¬
sitzern zufällt und diese Kürzung dem Reich zugute kommt. Die Erbschafts¬
steuer ist also eine echte Besitzsteuer, die in Anwendung kommen kann, ohne
die Finanzhoheit der Einzelstaaten zu verletzen. Weiter kommt hinzu, daß bis
jetzt noch keine andere Steuer gefunden worden ist, die den zu stellenden Be¬
dingungen so vollkommen entspricht wie diese. Sie wird daher — beinahe
möchte man sagen: mit Naturnotwendigkeit — als Forderung immer wiederkehren,
bis sie durchgeführt worden ist.




Es ist nicht die Absicht, hier eine Parteipolemik zu führen oder eine Partei
zu tadeln, die andere Ansichten bekundet hat. Nur muß darauf hingewiesen
werden, daß gerade in Finanzfragen immer solche Konflikte entstehen werden,
die auf den Widerspruch zwischen der logischen Entwicklung der für das Ganze
des Reiches erforderlichen Notwendigkeiten und den Wünschen und Abneigungen
bestimmter Wählerkreise zurückzuführen sind. Ob die Konservativen es verant¬
worten wollen, noch weiterhin und für alle Zukunft ihre Stellung zur Erb-
schaflssteuerfrage lediglich nach den in bäuerlichen und sonst vom Bunde der
Landwirte aufgesetzten Kreisen bestehenden Vorurteilen zu orientieren, ist ihre
eigene Sache, und es ist nicht das Thema dieser Erörterung, diese Stellung von
einem außerhalb gewählten Standpunkt zu kritisieren. Die Frage mußte hier
als Beispiel erwähnt werden, wie das Problem der Reichsfinanzen im Laufe
seiner Geschichte eine bestimmte Linie verfolgt, die auf die prinzipielle Bedeutung
einer Steuer hinweist, und wie diese durch die Logik der Tatsachen fast unaus-
weichbare Forderung dennoch durch eine Parteitheorie, eine Parteitradition und
noch mehr durch Sonderwünsche einzelner, in einer Partei vorzugsweise berück¬
sichtigter Volkskreise immer wieder aufgehalten und gehemmt wird. Wohl-


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[0118] Reichstag und Reichsfinanzen bezeichneten Schwierigkeit bietet. Man hat sich darum gestritten, ob die Erb¬ schaftssteuer überhaupt eine direkte oder indirekte Steuer ist. Schon daß ein solcher Streit möglich ist, beweist, auf wie schwachen Füßen das Prinzip der angepriesenen Zuteilung der Steuern an Reich und Einzelstaaten steht. Wie man aber auch diesen Streit entscheiden mag, so bleibt die Erbschaftssteuer eine Besitzsteuer gerade von der Art. wie sie als Gegengewicht gegen Verbrauchs¬ steuern gefordert wird. Zugleich erfüllt sie die weitere Anforderung, daß sie einen Besitz trifft, der nicht notwendig den Vermögensbestandteilen zugerechnet zu werden braucht, mit denen der Staat bei Besteuerung des Vermögens und Einkommens zu tun hat. Es berührt natürlich die einzelstaatliche Finanzhoheit, wenn auf Besitzbestandteile, die der Staat nach seinen eigenen Grundsätzen besteuert, daneben auch das Reich seine Hand legt. Aber es braucht kein Einzelstaat etwas dagegen zu haben oder sich in seinen natürlichen Bestimmungs¬ rechten beengt zu fühlen, wenn ein Vermögen, das seinen Besitzer durch den Tod verloren hat, in einem um ein geringes gekürzten Betrage den neuen Be¬ sitzern zufällt und diese Kürzung dem Reich zugute kommt. Die Erbschafts¬ steuer ist also eine echte Besitzsteuer, die in Anwendung kommen kann, ohne die Finanzhoheit der Einzelstaaten zu verletzen. Weiter kommt hinzu, daß bis jetzt noch keine andere Steuer gefunden worden ist, die den zu stellenden Be¬ dingungen so vollkommen entspricht wie diese. Sie wird daher — beinahe möchte man sagen: mit Naturnotwendigkeit — als Forderung immer wiederkehren, bis sie durchgeführt worden ist. Es ist nicht die Absicht, hier eine Parteipolemik zu führen oder eine Partei zu tadeln, die andere Ansichten bekundet hat. Nur muß darauf hingewiesen werden, daß gerade in Finanzfragen immer solche Konflikte entstehen werden, die auf den Widerspruch zwischen der logischen Entwicklung der für das Ganze des Reiches erforderlichen Notwendigkeiten und den Wünschen und Abneigungen bestimmter Wählerkreise zurückzuführen sind. Ob die Konservativen es verant¬ worten wollen, noch weiterhin und für alle Zukunft ihre Stellung zur Erb- schaflssteuerfrage lediglich nach den in bäuerlichen und sonst vom Bunde der Landwirte aufgesetzten Kreisen bestehenden Vorurteilen zu orientieren, ist ihre eigene Sache, und es ist nicht das Thema dieser Erörterung, diese Stellung von einem außerhalb gewählten Standpunkt zu kritisieren. Die Frage mußte hier als Beispiel erwähnt werden, wie das Problem der Reichsfinanzen im Laufe seiner Geschichte eine bestimmte Linie verfolgt, die auf die prinzipielle Bedeutung einer Steuer hinweist, und wie diese durch die Logik der Tatsachen fast unaus- weichbare Forderung dennoch durch eine Parteitheorie, eine Parteitradition und noch mehr durch Sonderwünsche einzelner, in einer Partei vorzugsweise berück¬ sichtigter Volkskreise immer wieder aufgehalten und gehemmt wird. Wohl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/118>, abgerufen am 19.10.2024.