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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

und die andere, die Höhe der Reinertrage von vier Großbetrieben, kann schon
deshalb nicht verwertet werden, weil sich aus einer so kleinen Zahl von Be¬
trieben überhaupt keine Schlüsse ziehen lassen. Endlich weist auch eine nicht
geringe Zahl von Kleinbetrieben ebenso günstige Ergebnisse auf. Ebenso wie
die hohen Erträge von vier Großbetrieben nicht für die Überlegenheit der Gro߬
güter ins Feld geführt werden können, genau so wenig würde die Mitteilung von
ganz geringen Reinerträgen einiger anderen Güter für die Minderwertigkeit der
Großbetriebe von Bedeutung sein. Die Höhe des Reinertrags eines Landgutes
hängt so sehr von zufälligen Umständen und dem Grade der Tüchtig¬
keit des Betriebsleiters ab, daß mit einigen wenigen Betrieben ohne irgend
welche tatsächlichen Unterlagen und genauen Berechnungen kein Beweis erbracht
werden kann. Nur die sorgfältigsten, unter genauer Berücksichtigung der tat¬
sächlichen Verhältnisse aufgestellten Ermittlungen der wirklich erzielten Erträge
können die nötige Aufklärung schaffen. Die Frage, ob die Ansiedlerrenten mit
den Erträgen im richtigen Verhältnis stehen, berührt übrigens die volkswirt¬
schaftliche Nützlichkeit der Arbeiten der Ansiedlungskommission gar nicht. Das
ist eine reine privatwirtschaftliche Frage, die zwischen dem Fiskus und denAnstedlern
zum Austrag zu bringen ist. Daß, um das günstige Fortkommen der Ansiedler
sicher zu stellen, gewisse Abstriche von den Erstehungskosten gemacht werden,
ist durch die nationalen und sozialen Zwecke gerechtfertigt, die in den Ansied-
lungsprovinzen verfolgt werden.

Hiermit könnte ich meine Bedenken gegen die Ausführungen des Herrn
von Chlapowski schließen. Aber es soll doch näher darauf eingegangen werden,
allerdings von der auch vom Verfasser nachgegebenen Tatsache aus (Seite 300),
daß die Produktionszweige des Kleinbetriebs andere sind als die des Gro߬
betriebs. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes hat übrigens die Arbeit des
Herrn von Chlapowski bereits im Märzheft der Preußischen Jahrbücher
(Seite 535 ff.) eine kurze aber zutreffende sachliche Würdigung gefunden. Kritiker
ist Herr Schmidthals auf Groß-Tschunkawe. Herr Schmidthals ist landwirt¬
schaftlicher Sachverständiger. Herr von Chlapowski wird ihn wohl um so mehr
gelten lassen, als er selbst Seite 300 des Februarheftes in gesperrten Druck
behauptet, daß der Schwerpunkt der Frage, ob die Dismembration des Gro߬
grundbesitzes wirtschaftlich gerechtfertigt sei, auf agrikulturtechnischem Gebiete liege.
Meine Berechtigung, mich zur Sache zu äußern, folgere ich aus einer mehr
als 16 jährigen praktischen Beschäftigung mit der inneren Kolonisation. Also
selbst nicht Landwirt, lege ich weniger Wert auf die einzelnen, meist schon von
Herrn Schmidthals widerlegten Bedenken agrikulturtechnischer Art, als auf die
Methode des Herrn Verfassers, seine ganze Betrachtungsweise. Sie sind es
vornehmlich, die mir und jedem Praktiker, wie schon oben an einem Beispiel
gezeigt ist, nichts weniger als einwandsfrei zu sein scheinen.

Dazu bedürfen allerdings auch die technischen Darlegungen des Aufsatzes
einer kurzen Besprechung. Mit Recht stellt der Verfasser als die beiden ent-


Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

und die andere, die Höhe der Reinertrage von vier Großbetrieben, kann schon
deshalb nicht verwertet werden, weil sich aus einer so kleinen Zahl von Be¬
trieben überhaupt keine Schlüsse ziehen lassen. Endlich weist auch eine nicht
geringe Zahl von Kleinbetrieben ebenso günstige Ergebnisse auf. Ebenso wie
die hohen Erträge von vier Großbetrieben nicht für die Überlegenheit der Gro߬
güter ins Feld geführt werden können, genau so wenig würde die Mitteilung von
ganz geringen Reinerträgen einiger anderen Güter für die Minderwertigkeit der
Großbetriebe von Bedeutung sein. Die Höhe des Reinertrags eines Landgutes
hängt so sehr von zufälligen Umständen und dem Grade der Tüchtig¬
keit des Betriebsleiters ab, daß mit einigen wenigen Betrieben ohne irgend
welche tatsächlichen Unterlagen und genauen Berechnungen kein Beweis erbracht
werden kann. Nur die sorgfältigsten, unter genauer Berücksichtigung der tat¬
sächlichen Verhältnisse aufgestellten Ermittlungen der wirklich erzielten Erträge
können die nötige Aufklärung schaffen. Die Frage, ob die Ansiedlerrenten mit
den Erträgen im richtigen Verhältnis stehen, berührt übrigens die volkswirt¬
schaftliche Nützlichkeit der Arbeiten der Ansiedlungskommission gar nicht. Das
ist eine reine privatwirtschaftliche Frage, die zwischen dem Fiskus und denAnstedlern
zum Austrag zu bringen ist. Daß, um das günstige Fortkommen der Ansiedler
sicher zu stellen, gewisse Abstriche von den Erstehungskosten gemacht werden,
ist durch die nationalen und sozialen Zwecke gerechtfertigt, die in den Ansied-
lungsprovinzen verfolgt werden.

Hiermit könnte ich meine Bedenken gegen die Ausführungen des Herrn
von Chlapowski schließen. Aber es soll doch näher darauf eingegangen werden,
allerdings von der auch vom Verfasser nachgegebenen Tatsache aus (Seite 300),
daß die Produktionszweige des Kleinbetriebs andere sind als die des Gro߬
betriebs. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes hat übrigens die Arbeit des
Herrn von Chlapowski bereits im Märzheft der Preußischen Jahrbücher
(Seite 535 ff.) eine kurze aber zutreffende sachliche Würdigung gefunden. Kritiker
ist Herr Schmidthals auf Groß-Tschunkawe. Herr Schmidthals ist landwirt¬
schaftlicher Sachverständiger. Herr von Chlapowski wird ihn wohl um so mehr
gelten lassen, als er selbst Seite 300 des Februarheftes in gesperrten Druck
behauptet, daß der Schwerpunkt der Frage, ob die Dismembration des Gro߬
grundbesitzes wirtschaftlich gerechtfertigt sei, auf agrikulturtechnischem Gebiete liege.
Meine Berechtigung, mich zur Sache zu äußern, folgere ich aus einer mehr
als 16 jährigen praktischen Beschäftigung mit der inneren Kolonisation. Also
selbst nicht Landwirt, lege ich weniger Wert auf die einzelnen, meist schon von
Herrn Schmidthals widerlegten Bedenken agrikulturtechnischer Art, als auf die
Methode des Herrn Verfassers, seine ganze Betrachtungsweise. Sie sind es
vornehmlich, die mir und jedem Praktiker, wie schon oben an einem Beispiel
gezeigt ist, nichts weniger als einwandsfrei zu sein scheinen.

Dazu bedürfen allerdings auch die technischen Darlegungen des Aufsatzes
einer kurzen Besprechung. Mit Recht stellt der Verfasser als die beiden ent-


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[0083] Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation und die andere, die Höhe der Reinertrage von vier Großbetrieben, kann schon deshalb nicht verwertet werden, weil sich aus einer so kleinen Zahl von Be¬ trieben überhaupt keine Schlüsse ziehen lassen. Endlich weist auch eine nicht geringe Zahl von Kleinbetrieben ebenso günstige Ergebnisse auf. Ebenso wie die hohen Erträge von vier Großbetrieben nicht für die Überlegenheit der Gro߬ güter ins Feld geführt werden können, genau so wenig würde die Mitteilung von ganz geringen Reinerträgen einiger anderen Güter für die Minderwertigkeit der Großbetriebe von Bedeutung sein. Die Höhe des Reinertrags eines Landgutes hängt so sehr von zufälligen Umständen und dem Grade der Tüchtig¬ keit des Betriebsleiters ab, daß mit einigen wenigen Betrieben ohne irgend welche tatsächlichen Unterlagen und genauen Berechnungen kein Beweis erbracht werden kann. Nur die sorgfältigsten, unter genauer Berücksichtigung der tat¬ sächlichen Verhältnisse aufgestellten Ermittlungen der wirklich erzielten Erträge können die nötige Aufklärung schaffen. Die Frage, ob die Ansiedlerrenten mit den Erträgen im richtigen Verhältnis stehen, berührt übrigens die volkswirt¬ schaftliche Nützlichkeit der Arbeiten der Ansiedlungskommission gar nicht. Das ist eine reine privatwirtschaftliche Frage, die zwischen dem Fiskus und denAnstedlern zum Austrag zu bringen ist. Daß, um das günstige Fortkommen der Ansiedler sicher zu stellen, gewisse Abstriche von den Erstehungskosten gemacht werden, ist durch die nationalen und sozialen Zwecke gerechtfertigt, die in den Ansied- lungsprovinzen verfolgt werden. Hiermit könnte ich meine Bedenken gegen die Ausführungen des Herrn von Chlapowski schließen. Aber es soll doch näher darauf eingegangen werden, allerdings von der auch vom Verfasser nachgegebenen Tatsache aus (Seite 300), daß die Produktionszweige des Kleinbetriebs andere sind als die des Gro߬ betriebs. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes hat übrigens die Arbeit des Herrn von Chlapowski bereits im Märzheft der Preußischen Jahrbücher (Seite 535 ff.) eine kurze aber zutreffende sachliche Würdigung gefunden. Kritiker ist Herr Schmidthals auf Groß-Tschunkawe. Herr Schmidthals ist landwirt¬ schaftlicher Sachverständiger. Herr von Chlapowski wird ihn wohl um so mehr gelten lassen, als er selbst Seite 300 des Februarheftes in gesperrten Druck behauptet, daß der Schwerpunkt der Frage, ob die Dismembration des Gro߬ grundbesitzes wirtschaftlich gerechtfertigt sei, auf agrikulturtechnischem Gebiete liege. Meine Berechtigung, mich zur Sache zu äußern, folgere ich aus einer mehr als 16 jährigen praktischen Beschäftigung mit der inneren Kolonisation. Also selbst nicht Landwirt, lege ich weniger Wert auf die einzelnen, meist schon von Herrn Schmidthals widerlegten Bedenken agrikulturtechnischer Art, als auf die Methode des Herrn Verfassers, seine ganze Betrachtungsweise. Sie sind es vornehmlich, die mir und jedem Praktiker, wie schon oben an einem Beispiel gezeigt ist, nichts weniger als einwandsfrei zu sein scheinen. Dazu bedürfen allerdings auch die technischen Darlegungen des Aufsatzes einer kurzen Besprechung. Mit Recht stellt der Verfasser als die beiden ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/83>, abgerufen am 27.07.2024.