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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

angesehen worden seien, gelte heute das Doppelte und unter günstigen Verhält¬
nissen das Drei- bis Vierfache als die normale Bodenrenke (Seite 290). "Die
Grundstückspreise sind dementsprechend gestiegen. Kein Wunder. Sie haben
den Ertragswert vieler Güter noch bei weitem nicht erreicht." Möchte nun
auch die größere Nachfrage und die Parzellierungstätigkeit zu einer rapiden
Steigerung des Bodenwertes das ihrige beigetragen haben, so sei damit noch
keineswegs erwiesen, daß die gezählten Bodenpreise als wirtschaftlich ungerecht¬
fertigt zu bezeichnen seien (Seite 291).

Man kann dem Verfasser fast alles, was er aus den beiden ersten sehr
ausführlich gehaltenen Abschnitten -- 29 Druckseiten -- folgert, unbedenklich
zugeben: daß die Kosten der Besiedlung sehr hoch sind, daß die Werte, aber
auch die Erträge, außerordentlich gestiegen sind und daß man deshalb die
Frage aufwerfen darf, ob jetzt noch die Zerlegung eines Großbetriebes in zahl¬
reiche Kleinbetriebe wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Diese Frage verneint der
Verfasser. Die am meisten gerühmten Erfolge der Bauernansiedlung seien auf
die von der Anftedlungskommission ausgeführten sehr kostspieligen Meliorationen
zurückzuführen. Solche seien mit gleichem Erfolg auch von Grundbesitzern aus¬
geführt. Diese Werterhöhung sei von der eigentlichen Besiedlungsarbeit scharf
zu trennen. Außerdem kämen für die Besiedlungsfrage folgende drei Punkte
in Betracht (Seite 296):

"1. daß vor Jahren weite Gebiete des Ostens in bezug auf landwirtschaft¬
liche Kultur zurückgeblieben waren,

2. daß die landwirtschaftliche Bevölkerung kapitalsarm war, ,

3. daß der Grund und Boden 'noch bis etwa 1902 zu Spottpreisen zu
haben war."

Diese besonderen Umstände, die vormals die Kolonisation in jenen Landes¬
teilen begünstigten, gehörten der Geschichte an.

In langen Ausführungen werden nun die Gründe erörtert, die die Vor¬
züge des Großbetriebes gegenüber dem Kleinbetrieb ausmachen sollen. In der
Zusammenstellung dieser Vorzüge (Seite 313) wird unter 1 nur nachgegeben,
daß in bezug auf die laufenden Produktionskosten sich möglicherweise ein
kleiner Vorteil zugunsten des Kleinbetriebes ergebe. Dann aber wird
weiter ausgeführt:

Von der Vervollkommnung des Maschinenwesens (2) und der Ausbildung
des Verkehrswesens (3) hätten die großen Güter weit mehr Vorteil.

Der Großbetrieb sei in der Lage, den Anbau derjenigen Erzeugnisse zu
forcieren, die eine höhere Rente vom Grund und Boden bringen -- der Klein¬
betrieb nicht (4), auch erziele der Großbetrieb im allgemeinen höhere Roherträge (5).

Die klimatischen Verhältnisse von Posen--Westpreußen bevorzugten den An¬
bau derjenigen Erzeugnisse, welche für den Großbetrieb hauptsächlich in Frage
kommen, und seien für Viehzucht, die den wichtigsten Erwerbszweig kleiner Wirt¬
schaften bilde, weniger günstig.


Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

angesehen worden seien, gelte heute das Doppelte und unter günstigen Verhält¬
nissen das Drei- bis Vierfache als die normale Bodenrenke (Seite 290). „Die
Grundstückspreise sind dementsprechend gestiegen. Kein Wunder. Sie haben
den Ertragswert vieler Güter noch bei weitem nicht erreicht." Möchte nun
auch die größere Nachfrage und die Parzellierungstätigkeit zu einer rapiden
Steigerung des Bodenwertes das ihrige beigetragen haben, so sei damit noch
keineswegs erwiesen, daß die gezählten Bodenpreise als wirtschaftlich ungerecht¬
fertigt zu bezeichnen seien (Seite 291).

Man kann dem Verfasser fast alles, was er aus den beiden ersten sehr
ausführlich gehaltenen Abschnitten — 29 Druckseiten — folgert, unbedenklich
zugeben: daß die Kosten der Besiedlung sehr hoch sind, daß die Werte, aber
auch die Erträge, außerordentlich gestiegen sind und daß man deshalb die
Frage aufwerfen darf, ob jetzt noch die Zerlegung eines Großbetriebes in zahl¬
reiche Kleinbetriebe wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Diese Frage verneint der
Verfasser. Die am meisten gerühmten Erfolge der Bauernansiedlung seien auf
die von der Anftedlungskommission ausgeführten sehr kostspieligen Meliorationen
zurückzuführen. Solche seien mit gleichem Erfolg auch von Grundbesitzern aus¬
geführt. Diese Werterhöhung sei von der eigentlichen Besiedlungsarbeit scharf
zu trennen. Außerdem kämen für die Besiedlungsfrage folgende drei Punkte
in Betracht (Seite 296):

„1. daß vor Jahren weite Gebiete des Ostens in bezug auf landwirtschaft¬
liche Kultur zurückgeblieben waren,

2. daß die landwirtschaftliche Bevölkerung kapitalsarm war, ,

3. daß der Grund und Boden 'noch bis etwa 1902 zu Spottpreisen zu
haben war."

Diese besonderen Umstände, die vormals die Kolonisation in jenen Landes¬
teilen begünstigten, gehörten der Geschichte an.

In langen Ausführungen werden nun die Gründe erörtert, die die Vor¬
züge des Großbetriebes gegenüber dem Kleinbetrieb ausmachen sollen. In der
Zusammenstellung dieser Vorzüge (Seite 313) wird unter 1 nur nachgegeben,
daß in bezug auf die laufenden Produktionskosten sich möglicherweise ein
kleiner Vorteil zugunsten des Kleinbetriebes ergebe. Dann aber wird
weiter ausgeführt:

Von der Vervollkommnung des Maschinenwesens (2) und der Ausbildung
des Verkehrswesens (3) hätten die großen Güter weit mehr Vorteil.

Der Großbetrieb sei in der Lage, den Anbau derjenigen Erzeugnisse zu
forcieren, die eine höhere Rente vom Grund und Boden bringen — der Klein¬
betrieb nicht (4), auch erziele der Großbetrieb im allgemeinen höhere Roherträge (5).

Die klimatischen Verhältnisse von Posen—Westpreußen bevorzugten den An¬
bau derjenigen Erzeugnisse, welche für den Großbetrieb hauptsächlich in Frage
kommen, und seien für Viehzucht, die den wichtigsten Erwerbszweig kleiner Wirt¬
schaften bilde, weniger günstig.


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[0081] Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation angesehen worden seien, gelte heute das Doppelte und unter günstigen Verhält¬ nissen das Drei- bis Vierfache als die normale Bodenrenke (Seite 290). „Die Grundstückspreise sind dementsprechend gestiegen. Kein Wunder. Sie haben den Ertragswert vieler Güter noch bei weitem nicht erreicht." Möchte nun auch die größere Nachfrage und die Parzellierungstätigkeit zu einer rapiden Steigerung des Bodenwertes das ihrige beigetragen haben, so sei damit noch keineswegs erwiesen, daß die gezählten Bodenpreise als wirtschaftlich ungerecht¬ fertigt zu bezeichnen seien (Seite 291). Man kann dem Verfasser fast alles, was er aus den beiden ersten sehr ausführlich gehaltenen Abschnitten — 29 Druckseiten — folgert, unbedenklich zugeben: daß die Kosten der Besiedlung sehr hoch sind, daß die Werte, aber auch die Erträge, außerordentlich gestiegen sind und daß man deshalb die Frage aufwerfen darf, ob jetzt noch die Zerlegung eines Großbetriebes in zahl¬ reiche Kleinbetriebe wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Diese Frage verneint der Verfasser. Die am meisten gerühmten Erfolge der Bauernansiedlung seien auf die von der Anftedlungskommission ausgeführten sehr kostspieligen Meliorationen zurückzuführen. Solche seien mit gleichem Erfolg auch von Grundbesitzern aus¬ geführt. Diese Werterhöhung sei von der eigentlichen Besiedlungsarbeit scharf zu trennen. Außerdem kämen für die Besiedlungsfrage folgende drei Punkte in Betracht (Seite 296): „1. daß vor Jahren weite Gebiete des Ostens in bezug auf landwirtschaft¬ liche Kultur zurückgeblieben waren, 2. daß die landwirtschaftliche Bevölkerung kapitalsarm war, , 3. daß der Grund und Boden 'noch bis etwa 1902 zu Spottpreisen zu haben war." Diese besonderen Umstände, die vormals die Kolonisation in jenen Landes¬ teilen begünstigten, gehörten der Geschichte an. In langen Ausführungen werden nun die Gründe erörtert, die die Vor¬ züge des Großbetriebes gegenüber dem Kleinbetrieb ausmachen sollen. In der Zusammenstellung dieser Vorzüge (Seite 313) wird unter 1 nur nachgegeben, daß in bezug auf die laufenden Produktionskosten sich möglicherweise ein kleiner Vorteil zugunsten des Kleinbetriebes ergebe. Dann aber wird weiter ausgeführt: Von der Vervollkommnung des Maschinenwesens (2) und der Ausbildung des Verkehrswesens (3) hätten die großen Güter weit mehr Vorteil. Der Großbetrieb sei in der Lage, den Anbau derjenigen Erzeugnisse zu forcieren, die eine höhere Rente vom Grund und Boden bringen — der Klein¬ betrieb nicht (4), auch erziele der Großbetrieb im allgemeinen höhere Roherträge (5). Die klimatischen Verhältnisse von Posen—Westpreußen bevorzugten den An¬ bau derjenigen Erzeugnisse, welche für den Großbetrieb hauptsächlich in Frage kommen, und seien für Viehzucht, die den wichtigsten Erwerbszweig kleiner Wirt¬ schaften bilde, weniger günstig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/81>, abgerufen am 27.07.2024.