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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Wiedergabe der Wcignerschen Werke einsetzte
(1356 kam "Tannhäuser", 1358 "Lohengrin",
1864 der "Holländer" zur Aufführung). Das
geht aus Wagners eigenen, an ihn gerichteten
Briefen hervor. Also auch hier wird, wie
so 'oft, die kürzlich erschienene Autobiographie
durch die authentischen Quellen berichtigt.

Lag ein Eingehen auf die Werke selbst
nicht in Zweck und Plan der Röcklschen Arbeit,
so war ein solches dagegen um so mehr von
dem dickleibigen Buche Schjeldernps zu er¬
warten, das eine Gabe zum hundertsten Ge¬
burtstag Wagners sein soll und sich auf dem
Titel "Richard Wagner und seine Werke,
ein Volksbuch" (Verlag von F. E. C. Leuckart,
Leipzig 1913) nennt. Aber der Besprechung
der Werke ist nur ein Abschnitt eines einzigen
Kapitels, "Wagners Werke, Charakter und
Lebensanschaumig," gewidmet, und noch dazu
werden wir in demselben zum Teil mit wenig
fördernden Erörterungen über das Männliche,
Weibliche und Kindliche in der Kunst und
insbesondere bei Wagner abgefunden. Eine
klare Vorstellung von dessen spezifischer Eigen¬
art und von der gerade bei ihm so stark her¬
vortretenden spezifischen Eigenart jedes ein¬
zelnen Werkes erhält der Leser nicht. Alles
übrige ist biographisch. Gegen diesen Haupt¬
teil des Buches sind Wohl keine Einwendungen
zu erheben, und der Anspruch des Verfassers
darauf, Wagners Verhältnis zu Mathilde
Wesendonk im Gegensatz zur Autobiographie,
aber auch zu Glasenapp und Chamberlain
nicht verschleiert, sondern in seiner vollen Be¬
deutung für das Innenleben des Künstlers
dargestellt zu haben, ist zweifellos berechtigt.

Auch die allerdings viel kürzer gehaltene
Wagnerbiogravhie von N. Batka (1912) ist
fast ausschließlich eine Lebensdarstellung.
Seltsamerweise scheint sich der Verlag
(Schlesische Verlagsanstalt, vormals Schatt¬
länder, G. in. b. H., Berlin) selbst nicht dar¬
über klar zu sein, was er mit der Samm¬
lung "Berühmte Musiker" eigentlich bezweckt.
Gemeinsam ist allen Bänden nur der reiche,
oft wohl überreiche Bilderschmuck. Im
übrigen wird den Autoren offenbar freie
Hand gelassen, und so fehlt den Biographien
ein einheitlicher Grundplan. Frimmrl in
seinem viel gelesenen "Beethoven" (4. Auf¬
lage 1912) enttäuscht uns, indem er ein

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Spezialgebiet seiner Forschung, nämlich die
Einwirkungen fremder Werke auf Beethovens
Iugendkompositionen, sehr ausführlich, sogar
mit Notenbeispielen, behandelt, später aber,
also gerade von da an, wo das Interesse
seiner Leser erst recht rege wird, alles Musi¬
kalische viel zu summarisch und farblos er¬
ledigt. Auch H. Rcimann in seiner Bach¬
biographie (durchgesehen und ergänzt von
Bruno Schröder 1912) ist der Versuchung
nicht entgangen, sein Spezialgebiet, die Orgel¬
werke, zu eingehend zu behandeln, ja sogar
Ausführungsanweisungen für den Organisten
zu geben. Dabei aber dringt er doch auch
in die übrigen Werke geschichtlich und ana¬
lytisch in ganz anderer Weise ein als Frimmel,
und das Verhältnis der einzelnen Teile zu
einander wäre Wohl ein noch günstigeres ge¬
worden, wenn er das letzte Kapitel, "Kan¬
taten und Passionen", noch selbst hätte aus¬
arbeiten können. Die Aufgabe in engem
Rahmen ein anschauliches Lebensbild eines
Meisters zu entwerfen und den Leser zugleich
in seine Werke einzuführen, hat Leopold
Schmidt in seinem "Mozart" (1912) gut
gelöst. Besonders erfreulich ist es, daß er
sich nicht einfach an Otto Jahr hält, sondern
auch die neuere Forschung heranzieht und so
z. B. im Anschluß an Chrysander und
Kretzschmar Mozarts Verhältnis zur italie¬
nischen Oper richtig darstellt. Daß man sich
mit dem Verfasser nicht in allem einverstanden
erklären kann (so erscheint ihm z. B. "Das
Veilchen" zu dramatisch; so wird er dem
herrlichen Fragment der c-Mollmesse nicht
gerecht) hat wenig zu bedeuten.

Ein neues biographisches Unternehmen hat
der Verlag Breitkopf und Härtel in Leipzig
mit seinen "Musikbüchern" ins Leben gerufen.
Hier scheint ein fester Grundplan zu bestehen,
indem jedes der Bündchen, das nur eine
Mark kostet, die Lebensbeschreibung eines
Meisters neben einer selbstverständlich knappen
Einführung in seine Werke bringt. Sehr
gut gelungen ist, abgesehen von der Einlei¬
tung, M. Morolds "Bruckner" (1912) worin
der Lebensgang des schlichten Mannes an¬
ziehend erzählt und seine Eigenart als
Symphoniker in großen, aber scharfen Zügen
herausgearbeitet wird. Ein bedauerlicher
Mangel ist es freilich, daß seine kirchlichen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Wiedergabe der Wcignerschen Werke einsetzte
(1356 kam „Tannhäuser", 1358 „Lohengrin",
1864 der „Holländer" zur Aufführung). Das
geht aus Wagners eigenen, an ihn gerichteten
Briefen hervor. Also auch hier wird, wie
so 'oft, die kürzlich erschienene Autobiographie
durch die authentischen Quellen berichtigt.

Lag ein Eingehen auf die Werke selbst
nicht in Zweck und Plan der Röcklschen Arbeit,
so war ein solches dagegen um so mehr von
dem dickleibigen Buche Schjeldernps zu er¬
warten, das eine Gabe zum hundertsten Ge¬
burtstag Wagners sein soll und sich auf dem
Titel „Richard Wagner und seine Werke,
ein Volksbuch" (Verlag von F. E. C. Leuckart,
Leipzig 1913) nennt. Aber der Besprechung
der Werke ist nur ein Abschnitt eines einzigen
Kapitels, „Wagners Werke, Charakter und
Lebensanschaumig," gewidmet, und noch dazu
werden wir in demselben zum Teil mit wenig
fördernden Erörterungen über das Männliche,
Weibliche und Kindliche in der Kunst und
insbesondere bei Wagner abgefunden. Eine
klare Vorstellung von dessen spezifischer Eigen¬
art und von der gerade bei ihm so stark her¬
vortretenden spezifischen Eigenart jedes ein¬
zelnen Werkes erhält der Leser nicht. Alles
übrige ist biographisch. Gegen diesen Haupt¬
teil des Buches sind Wohl keine Einwendungen
zu erheben, und der Anspruch des Verfassers
darauf, Wagners Verhältnis zu Mathilde
Wesendonk im Gegensatz zur Autobiographie,
aber auch zu Glasenapp und Chamberlain
nicht verschleiert, sondern in seiner vollen Be¬
deutung für das Innenleben des Künstlers
dargestellt zu haben, ist zweifellos berechtigt.

Auch die allerdings viel kürzer gehaltene
Wagnerbiogravhie von N. Batka (1912) ist
fast ausschließlich eine Lebensdarstellung.
Seltsamerweise scheint sich der Verlag
(Schlesische Verlagsanstalt, vormals Schatt¬
länder, G. in. b. H., Berlin) selbst nicht dar¬
über klar zu sein, was er mit der Samm¬
lung „Berühmte Musiker" eigentlich bezweckt.
Gemeinsam ist allen Bänden nur der reiche,
oft wohl überreiche Bilderschmuck. Im
übrigen wird den Autoren offenbar freie
Hand gelassen, und so fehlt den Biographien
ein einheitlicher Grundplan. Frimmrl in
seinem viel gelesenen „Beethoven" (4. Auf¬
lage 1912) enttäuscht uns, indem er ein

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Spezialgebiet seiner Forschung, nämlich die
Einwirkungen fremder Werke auf Beethovens
Iugendkompositionen, sehr ausführlich, sogar
mit Notenbeispielen, behandelt, später aber,
also gerade von da an, wo das Interesse
seiner Leser erst recht rege wird, alles Musi¬
kalische viel zu summarisch und farblos er¬
ledigt. Auch H. Rcimann in seiner Bach¬
biographie (durchgesehen und ergänzt von
Bruno Schröder 1912) ist der Versuchung
nicht entgangen, sein Spezialgebiet, die Orgel¬
werke, zu eingehend zu behandeln, ja sogar
Ausführungsanweisungen für den Organisten
zu geben. Dabei aber dringt er doch auch
in die übrigen Werke geschichtlich und ana¬
lytisch in ganz anderer Weise ein als Frimmel,
und das Verhältnis der einzelnen Teile zu
einander wäre Wohl ein noch günstigeres ge¬
worden, wenn er das letzte Kapitel, „Kan¬
taten und Passionen", noch selbst hätte aus¬
arbeiten können. Die Aufgabe in engem
Rahmen ein anschauliches Lebensbild eines
Meisters zu entwerfen und den Leser zugleich
in seine Werke einzuführen, hat Leopold
Schmidt in seinem „Mozart" (1912) gut
gelöst. Besonders erfreulich ist es, daß er
sich nicht einfach an Otto Jahr hält, sondern
auch die neuere Forschung heranzieht und so
z. B. im Anschluß an Chrysander und
Kretzschmar Mozarts Verhältnis zur italie¬
nischen Oper richtig darstellt. Daß man sich
mit dem Verfasser nicht in allem einverstanden
erklären kann (so erscheint ihm z. B. „Das
Veilchen" zu dramatisch; so wird er dem
herrlichen Fragment der c-Mollmesse nicht
gerecht) hat wenig zu bedeuten.

Ein neues biographisches Unternehmen hat
der Verlag Breitkopf und Härtel in Leipzig
mit seinen „Musikbüchern" ins Leben gerufen.
Hier scheint ein fester Grundplan zu bestehen,
indem jedes der Bündchen, das nur eine
Mark kostet, die Lebensbeschreibung eines
Meisters neben einer selbstverständlich knappen
Einführung in seine Werke bringt. Sehr
gut gelungen ist, abgesehen von der Einlei¬
tung, M. Morolds „Bruckner" (1912) worin
der Lebensgang des schlichten Mannes an¬
ziehend erzählt und seine Eigenart als
Symphoniker in großen, aber scharfen Zügen
herausgearbeitet wird. Ein bedauerlicher
Mangel ist es freilich, daß seine kirchlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/451>, abgerufen am 21.12.2024.