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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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selbständig ist die römisch-italische Kultur
in Staat und Recht, in Wirtschaft und Kriegs¬
wesen; in Religion, Kunst, Dichtung, Wissen¬
schaft steht sie auf hellenistischen Grunde seit
der Eroberung des Ostens, also seit etwa
200 v. Chr. Ihr sind über zwei Drittel des
Buches gewidmet. Dabei wird sachgemäß
die Zeit deS Königtums und der Republik
von der Kaiserzeit so getrennt, daß in jeder
dieser großen Perioden die drei Gebiete für
sich behandelt werden. Da sich hier die Ver¬
fasser auf bekannteren Boden bewegen und
die neuen Entdeckungen bei weitem nicht so
bedeutend sind wie auf griechischem Boden,
so begnügen wir uns, einzelne besonders be¬
merkenswerte Punkte ihrer Darstellung, vor
allein die feinsinnige Schilderung der Lite¬
ratur und der Kunst, hervorzuheben. In der
Literatur findet der lange verkannte Cicero
eine gerechte Würdigung als der Vermittler
der hellenischen Kultur und dadurch der große
BildungSmeister für sein Volk und die Mensch¬
heit; verständnisvoll werden die Prosaiker
und Dichter der großen Augusteischen Zeit,
Livius, Vergil, Horaz, geschildert, ebenso wie
die der späteren Kaiserzeit, Seneca, Tacitus,
Plutarch, wie Arrian und Lukian, bis auf
die späten Vertreter der Provinzialkultur
Ausonius und Apulejus. Aber der Verfasser
schließt mit der heidnischen Antike nicht ab;
er zeigt vielmehr, wie an sie anknüpfend,
vorbereitet durch die Philosophie und durch
orientalische Kulte, vor allem durch die
Mysterien der Isis und des Mithras, in
denen das tiefe religiöse Sehnen der Zeit
Befriedigung suchte, das Christentum durch
Paulus, "einen der größten Männer, die über
diese Erde gegangen sind", in die Welt kam,
in die Kultur und Sprache des hellenistischen
Ostens einging und in den Kirchenvätern
seine begeisterten und geistvollen Verteidiger
sand. Eine Würdigung des größten unter
ihnen, des feurigen Afrikaners Augustinus,
der mit seinem Buche vom Gottesstnat die
Weltanschauung des Mittelalters und da¬
mit die katholische Kirche begründete, schließt
diese Betrachtung.

Denselben Anschluß an das Christentum
findet auch die eingehende Darstellung der
römischen Kunst. Von der etruskischen Kunst
ausgehend, die in den ersten Jahrhunderten

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Rom völlig beherrschte, aber für uns dort kaum
Spuren hinterlassen hat, schildert sie das rasche
Eindringen der griechischen Kunst in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten und verweilt
dann am längsten, wie es der Sache ent¬
spricht, bei der Kaiserzeit, die in so stattlichen
Resten zu uns redet. Die Denkmäler der
Augusteischen Zeit, der Flavier, Trajans
und Hadrians werden in Wort und Bild
genauer behandelt; in Aufnahmen des gegen¬
wärtigen Zustandes, Rekonstruktionen und
Plänen treten uns hier die Paläste des
Palatins, die Kaiserfora, die Ära Pacif
Augustae, das Meisterwerk der neuattischen
Kunst in Rom, der Titusbogen, das
Kolosseum, das Grabmal Hadrians, die
jetzige Engelsburg, die sich heute wieder so
darstellt, wie sie um 1600 gewesen ist, die
Säulen Trajans und Marc Antons, das
Pantheon u. a. in. entgegen. Und wie diese
Zeit, neben ihrer Neigung zur Pracht Neues
und Originales im Gewölbe- und Kuppelbau
geleistet hat, so hat sie auch das Porträt
ganz realistisch, das Relief perspektivisch¬
malerisch entwickelt. Trotz des damit be¬
ginnenden Verfalls der Plastik, wie er schon
im Severusbogen und noch viel mehr im
Konstantinsvogen hervortritt, hat doch die
Architektur noch in der Spätzeit des dritten
und vierten Jahrhunderts wahrhaft Großes
geschaffen: das Septizodium des Septimus
Severus auf dem Palatin, das erst Sixtus
der Fünfte abbrechen ließ, die Riesenthermen
des Caracalla und Diocleiian, endlich den
Schlußstein der antiken Architektur, die Basi¬
lisk" Konstantins.

Wie ganz unmittelbar diese kaiserlich römische
Kunst die Hochrenaissance beeinflußt hat, zeigt
das bekannte Wort Bramantes über den Bau
der Peterskirche: er wolle das Pantheon auf
die Gewölbe der Constantinsbnsilika setzen.
Außerhalb Roms sind in Italien, abgesehen
von Pompeji, wenige große Werke der Kaiser¬
zeit erhalten, mehr in Nordafrika, Gallien
und den Rheinlanden, wo die?oro mZra
in Trier aus der constantinischen Zeit stammt,
Dalmatien (Spalato), Hellas, Kleinasien,
Syrien und Arabien bis Bnalbek, Palmura
und Petra hin, wo diese Kunst unmittelbar
an den Hellenismus anknüpft. Die christliche
Kunst bewegt sich in den Malereien der rö-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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selbständig ist die römisch-italische Kultur
in Staat und Recht, in Wirtschaft und Kriegs¬
wesen; in Religion, Kunst, Dichtung, Wissen¬
schaft steht sie auf hellenistischen Grunde seit
der Eroberung des Ostens, also seit etwa
200 v. Chr. Ihr sind über zwei Drittel des
Buches gewidmet. Dabei wird sachgemäß
die Zeit deS Königtums und der Republik
von der Kaiserzeit so getrennt, daß in jeder
dieser großen Perioden die drei Gebiete für
sich behandelt werden. Da sich hier die Ver¬
fasser auf bekannteren Boden bewegen und
die neuen Entdeckungen bei weitem nicht so
bedeutend sind wie auf griechischem Boden,
so begnügen wir uns, einzelne besonders be¬
merkenswerte Punkte ihrer Darstellung, vor
allein die feinsinnige Schilderung der Lite¬
ratur und der Kunst, hervorzuheben. In der
Literatur findet der lange verkannte Cicero
eine gerechte Würdigung als der Vermittler
der hellenischen Kultur und dadurch der große
BildungSmeister für sein Volk und die Mensch¬
heit; verständnisvoll werden die Prosaiker
und Dichter der großen Augusteischen Zeit,
Livius, Vergil, Horaz, geschildert, ebenso wie
die der späteren Kaiserzeit, Seneca, Tacitus,
Plutarch, wie Arrian und Lukian, bis auf
die späten Vertreter der Provinzialkultur
Ausonius und Apulejus. Aber der Verfasser
schließt mit der heidnischen Antike nicht ab;
er zeigt vielmehr, wie an sie anknüpfend,
vorbereitet durch die Philosophie und durch
orientalische Kulte, vor allem durch die
Mysterien der Isis und des Mithras, in
denen das tiefe religiöse Sehnen der Zeit
Befriedigung suchte, das Christentum durch
Paulus, „einen der größten Männer, die über
diese Erde gegangen sind", in die Welt kam,
in die Kultur und Sprache des hellenistischen
Ostens einging und in den Kirchenvätern
seine begeisterten und geistvollen Verteidiger
sand. Eine Würdigung des größten unter
ihnen, des feurigen Afrikaners Augustinus,
der mit seinem Buche vom Gottesstnat die
Weltanschauung des Mittelalters und da¬
mit die katholische Kirche begründete, schließt
diese Betrachtung.

Denselben Anschluß an das Christentum
findet auch die eingehende Darstellung der
römischen Kunst. Von der etruskischen Kunst
ausgehend, die in den ersten Jahrhunderten

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Rom völlig beherrschte, aber für uns dort kaum
Spuren hinterlassen hat, schildert sie das rasche
Eindringen der griechischen Kunst in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten und verweilt
dann am längsten, wie es der Sache ent¬
spricht, bei der Kaiserzeit, die in so stattlichen
Resten zu uns redet. Die Denkmäler der
Augusteischen Zeit, der Flavier, Trajans
und Hadrians werden in Wort und Bild
genauer behandelt; in Aufnahmen des gegen¬
wärtigen Zustandes, Rekonstruktionen und
Plänen treten uns hier die Paläste des
Palatins, die Kaiserfora, die Ära Pacif
Augustae, das Meisterwerk der neuattischen
Kunst in Rom, der Titusbogen, das
Kolosseum, das Grabmal Hadrians, die
jetzige Engelsburg, die sich heute wieder so
darstellt, wie sie um 1600 gewesen ist, die
Säulen Trajans und Marc Antons, das
Pantheon u. a. in. entgegen. Und wie diese
Zeit, neben ihrer Neigung zur Pracht Neues
und Originales im Gewölbe- und Kuppelbau
geleistet hat, so hat sie auch das Porträt
ganz realistisch, das Relief perspektivisch¬
malerisch entwickelt. Trotz des damit be¬
ginnenden Verfalls der Plastik, wie er schon
im Severusbogen und noch viel mehr im
Konstantinsvogen hervortritt, hat doch die
Architektur noch in der Spätzeit des dritten
und vierten Jahrhunderts wahrhaft Großes
geschaffen: das Septizodium des Septimus
Severus auf dem Palatin, das erst Sixtus
der Fünfte abbrechen ließ, die Riesenthermen
des Caracalla und Diocleiian, endlich den
Schlußstein der antiken Architektur, die Basi¬
lisk« Konstantins.

Wie ganz unmittelbar diese kaiserlich römische
Kunst die Hochrenaissance beeinflußt hat, zeigt
das bekannte Wort Bramantes über den Bau
der Peterskirche: er wolle das Pantheon auf
die Gewölbe der Constantinsbnsilika setzen.
Außerhalb Roms sind in Italien, abgesehen
von Pompeji, wenige große Werke der Kaiser¬
zeit erhalten, mehr in Nordafrika, Gallien
und den Rheinlanden, wo die?oro mZra
in Trier aus der constantinischen Zeit stammt,
Dalmatien (Spalato), Hellas, Kleinasien,
Syrien und Arabien bis Bnalbek, Palmura
und Petra hin, wo diese Kunst unmittelbar
an den Hellenismus anknüpft. Die christliche
Kunst bewegt sich in den Malereien der rö-

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[0449] Maßgebliches und Unmaßgebliches selbständig ist die römisch-italische Kultur in Staat und Recht, in Wirtschaft und Kriegs¬ wesen; in Religion, Kunst, Dichtung, Wissen¬ schaft steht sie auf hellenistischen Grunde seit der Eroberung des Ostens, also seit etwa 200 v. Chr. Ihr sind über zwei Drittel des Buches gewidmet. Dabei wird sachgemäß die Zeit deS Königtums und der Republik von der Kaiserzeit so getrennt, daß in jeder dieser großen Perioden die drei Gebiete für sich behandelt werden. Da sich hier die Ver¬ fasser auf bekannteren Boden bewegen und die neuen Entdeckungen bei weitem nicht so bedeutend sind wie auf griechischem Boden, so begnügen wir uns, einzelne besonders be¬ merkenswerte Punkte ihrer Darstellung, vor allein die feinsinnige Schilderung der Lite¬ ratur und der Kunst, hervorzuheben. In der Literatur findet der lange verkannte Cicero eine gerechte Würdigung als der Vermittler der hellenischen Kultur und dadurch der große BildungSmeister für sein Volk und die Mensch¬ heit; verständnisvoll werden die Prosaiker und Dichter der großen Augusteischen Zeit, Livius, Vergil, Horaz, geschildert, ebenso wie die der späteren Kaiserzeit, Seneca, Tacitus, Plutarch, wie Arrian und Lukian, bis auf die späten Vertreter der Provinzialkultur Ausonius und Apulejus. Aber der Verfasser schließt mit der heidnischen Antike nicht ab; er zeigt vielmehr, wie an sie anknüpfend, vorbereitet durch die Philosophie und durch orientalische Kulte, vor allem durch die Mysterien der Isis und des Mithras, in denen das tiefe religiöse Sehnen der Zeit Befriedigung suchte, das Christentum durch Paulus, „einen der größten Männer, die über diese Erde gegangen sind", in die Welt kam, in die Kultur und Sprache des hellenistischen Ostens einging und in den Kirchenvätern seine begeisterten und geistvollen Verteidiger sand. Eine Würdigung des größten unter ihnen, des feurigen Afrikaners Augustinus, der mit seinem Buche vom Gottesstnat die Weltanschauung des Mittelalters und da¬ mit die katholische Kirche begründete, schließt diese Betrachtung. Denselben Anschluß an das Christentum findet auch die eingehende Darstellung der römischen Kunst. Von der etruskischen Kunst ausgehend, die in den ersten Jahrhunderten Rom völlig beherrschte, aber für uns dort kaum Spuren hinterlassen hat, schildert sie das rasche Eindringen der griechischen Kunst in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten und verweilt dann am längsten, wie es der Sache ent¬ spricht, bei der Kaiserzeit, die in so stattlichen Resten zu uns redet. Die Denkmäler der Augusteischen Zeit, der Flavier, Trajans und Hadrians werden in Wort und Bild genauer behandelt; in Aufnahmen des gegen¬ wärtigen Zustandes, Rekonstruktionen und Plänen treten uns hier die Paläste des Palatins, die Kaiserfora, die Ära Pacif Augustae, das Meisterwerk der neuattischen Kunst in Rom, der Titusbogen, das Kolosseum, das Grabmal Hadrians, die jetzige Engelsburg, die sich heute wieder so darstellt, wie sie um 1600 gewesen ist, die Säulen Trajans und Marc Antons, das Pantheon u. a. in. entgegen. Und wie diese Zeit, neben ihrer Neigung zur Pracht Neues und Originales im Gewölbe- und Kuppelbau geleistet hat, so hat sie auch das Porträt ganz realistisch, das Relief perspektivisch¬ malerisch entwickelt. Trotz des damit be¬ ginnenden Verfalls der Plastik, wie er schon im Severusbogen und noch viel mehr im Konstantinsvogen hervortritt, hat doch die Architektur noch in der Spätzeit des dritten und vierten Jahrhunderts wahrhaft Großes geschaffen: das Septizodium des Septimus Severus auf dem Palatin, das erst Sixtus der Fünfte abbrechen ließ, die Riesenthermen des Caracalla und Diocleiian, endlich den Schlußstein der antiken Architektur, die Basi¬ lisk« Konstantins. Wie ganz unmittelbar diese kaiserlich römische Kunst die Hochrenaissance beeinflußt hat, zeigt das bekannte Wort Bramantes über den Bau der Peterskirche: er wolle das Pantheon auf die Gewölbe der Constantinsbnsilika setzen. Außerhalb Roms sind in Italien, abgesehen von Pompeji, wenige große Werke der Kaiser¬ zeit erhalten, mehr in Nordafrika, Gallien und den Rheinlanden, wo die?oro mZra in Trier aus der constantinischen Zeit stammt, Dalmatien (Spalato), Hellas, Kleinasien, Syrien und Arabien bis Bnalbek, Palmura und Petra hin, wo diese Kunst unmittelbar an den Hellenismus anknüpft. Die christliche Kunst bewegt sich in den Malereien der rö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/449>, abgerufen am 21.12.2024.