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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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damals beklagt er sich bitter über die Koburger Manscherei und die Haus- und
Familienwanzen, die sich in den königlichen Schlössern eingenistet haben.

Gerade aus diesen Folgen erkannte Bismarck, wie verhängnisvoll das
Vorgehen des Herzogs von Koburg für die Durchführung seiner Pläne werden
konnte. Er begnügte sich deshalb nicht mit der scharfen Zurückweisung, zu der
er den König bestimmt zu haben glaubte, sondern er hielt es, zu einer Zeit,
wo er nach dem Urteil Roons in herkulischer Tag- und Nachtarbeit nervös
abgenutzt war. für nötig, persönlich in der Presse einen Kampf gegen den
Herzog zu eröffnen, um ihn politisch an den Pranger zu stellen. In der
Kölnischen Zeitung und in der Kreuzzeitung erscheinen mehrere Artikel. Zu
zweien von ihnen hat sich Bismarck ausdrücklich als Verfasser bekannt. Sie
tragen auch von seinem Geist und seiner Rücksichtslosigkeit nicht wenige Spuren.
Einige Proben mögen das beweisen.


Kreuzzeitung Ur. 78. 3. April 1866.

"Wir haben schon gestern konstatiert, daß kein preußischer Minister, wer
es auch sei, in den Elbherzogtümern eine andere Politik treiben könne und
dürfe als die, welche der jetzigen Aktion des preußischen Kabinetts zum Grunde
liegt und daß ein Verlassen dieser Bahn überhaupt nicht zu den Dingen gehört,
welche als möglich gedacht werden können.

Um so überraschender klingt uns deshalb die Nachricht, daß ein viel¬
genannter deutscher Fürst, der Herzog von Koburg, nichtsdestoweniger seine be¬
kannten Hebel anzusetzen versucht, um, allerdings zunächst nur in indirekter
Weise, Preußen aus seiner bisherigen Bahn herauszuwerfen.

Es ist -- wie man uns versichert -- der preußische Ministerpräsident,
welchen er sich als Objekt des Angriffs ausersehen, und man hat beliebt, diesen
Anlauf unter dem wohlklingenden Namen einer Vermittlung zwischen Preußen
und Österreich diplomatisch einzuführen. Gewiß ist -- wir leugnen es nicht --
ein solches Vorgehen eine glänzende Schmeichelei für den Grafen Bismarck.
Dennoch aber ist solch ein Versuch einem König von Preußen gegenüber diplo¬
matisch zu ungewöhnlich, als daß er nicht fast als eine Beleidigung erscheinen müßte.

Es ist ja nicht der Minister, sondern es ist das Königreich Preußen, mit
welchem das Kaiserliche Kabinett zu Wien sich in Konflikt befindet. -- und das
Engagement Preußens in den obschwebenden Fragen geht höher und tiefer, als
es durch einen Personenwechsel erledigt werden könnte.

Damit soll natürlich nicht geleugnet werden, daß der Herzog von Koburg
in betreff der Person einen recht geschickten Griff getan, uno daß er sehr wohl
weiß, was er tut. wenn er den Grafen Bismarck auf allen geraden und un¬
geraden Wegen mit allen bekannten und unbekannten Mitteln, und Aufgebot
aller Streitkräfte intra et extra muro8 anzugreifen versucht.

Graf Bismarck ist in diesem Moment allerdings mehr als em einzelner
Mann; er ist der Repräsentant eines Systems, das und eben in den Augen


damals beklagt er sich bitter über die Koburger Manscherei und die Haus- und
Familienwanzen, die sich in den königlichen Schlössern eingenistet haben.

Gerade aus diesen Folgen erkannte Bismarck, wie verhängnisvoll das
Vorgehen des Herzogs von Koburg für die Durchführung seiner Pläne werden
konnte. Er begnügte sich deshalb nicht mit der scharfen Zurückweisung, zu der
er den König bestimmt zu haben glaubte, sondern er hielt es, zu einer Zeit,
wo er nach dem Urteil Roons in herkulischer Tag- und Nachtarbeit nervös
abgenutzt war. für nötig, persönlich in der Presse einen Kampf gegen den
Herzog zu eröffnen, um ihn politisch an den Pranger zu stellen. In der
Kölnischen Zeitung und in der Kreuzzeitung erscheinen mehrere Artikel. Zu
zweien von ihnen hat sich Bismarck ausdrücklich als Verfasser bekannt. Sie
tragen auch von seinem Geist und seiner Rücksichtslosigkeit nicht wenige Spuren.
Einige Proben mögen das beweisen.


Kreuzzeitung Ur. 78. 3. April 1866.

"Wir haben schon gestern konstatiert, daß kein preußischer Minister, wer
es auch sei, in den Elbherzogtümern eine andere Politik treiben könne und
dürfe als die, welche der jetzigen Aktion des preußischen Kabinetts zum Grunde
liegt und daß ein Verlassen dieser Bahn überhaupt nicht zu den Dingen gehört,
welche als möglich gedacht werden können.

Um so überraschender klingt uns deshalb die Nachricht, daß ein viel¬
genannter deutscher Fürst, der Herzog von Koburg, nichtsdestoweniger seine be¬
kannten Hebel anzusetzen versucht, um, allerdings zunächst nur in indirekter
Weise, Preußen aus seiner bisherigen Bahn herauszuwerfen.

Es ist — wie man uns versichert — der preußische Ministerpräsident,
welchen er sich als Objekt des Angriffs ausersehen, und man hat beliebt, diesen
Anlauf unter dem wohlklingenden Namen einer Vermittlung zwischen Preußen
und Österreich diplomatisch einzuführen. Gewiß ist — wir leugnen es nicht —
ein solches Vorgehen eine glänzende Schmeichelei für den Grafen Bismarck.
Dennoch aber ist solch ein Versuch einem König von Preußen gegenüber diplo¬
matisch zu ungewöhnlich, als daß er nicht fast als eine Beleidigung erscheinen müßte.

Es ist ja nicht der Minister, sondern es ist das Königreich Preußen, mit
welchem das Kaiserliche Kabinett zu Wien sich in Konflikt befindet. — und das
Engagement Preußens in den obschwebenden Fragen geht höher und tiefer, als
es durch einen Personenwechsel erledigt werden könnte.

Damit soll natürlich nicht geleugnet werden, daß der Herzog von Koburg
in betreff der Person einen recht geschickten Griff getan, uno daß er sehr wohl
weiß, was er tut. wenn er den Grafen Bismarck auf allen geraden und un¬
geraden Wegen mit allen bekannten und unbekannten Mitteln, und Aufgebot
aller Streitkräfte intra et extra muro8 anzugreifen versucht.

Graf Bismarck ist in diesem Moment allerdings mehr als em einzelner
Mann; er ist der Repräsentant eines Systems, das und eben in den Augen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/37>, abgerufen am 27.07.2024.