Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Der vorsichtige Freier
N Rarl Federn ovelle von
(Schluß)

Von da folgte er dem Abbate, der von einer französischen Dame zum
Speisen erwartet wurde; alle kannten sein Abenteuer und viele Augen lächelten
ihm zu. Als nach der Mahlzeit an kleinen Tischen weißer und roter Hypocras
in die Gläser gefüllt wurde, gestand er sich, daß die schwarzlockige Frau ihm
gegenüber vielleicht doch die schönste war, die er in diesen Tagen gesehen. So
wie die Herzogin sprach auch sie italienisch mit ihm; kühn sagte er ihr. was in
seinen Gedanken war und er fühlte, wie auf den: seidenen Fnßkissen unter der
schweren Tischdecke sich ein Fuß auf den feinen schob. Er sah ihr in die seltsam
aufleuchtenden Augen; der Ambra-' und Weinduft des Getränks drang ihm
heuchelnd an die Stirn, die er gerne kühl behalten hätte -- er wendete das
Gesicht ab und sah sich selbst und ihr Profil im Spiegel; nun fand er ihr Näschen
über dem lächelnden Mund keck und besonders entzückend; verwundert über sein
Wegsehen folgten ihre Blicke den seinen und beide sagten sich drüben das gleiche
wie vorher hier. Hinter sich sah er den großen von schwarzen Haaren um¬
wallten Kopf des Abbate, der aufrecht stand, sein Lorgnon vor die Augen hielt
und billigend herübersah; neben ihm stand ein goldgrün gekleideter Kavalier in
gelben Lederstulpen vor einer Dame in erdbeerrotem Seidenkleid. Dann fielen
Avinellis wandernde Blicke auf ein kostbar gebundenes Buch mit einem ver¬
goldeten Wappen, das neben der Dame auf der Ruhebank lag; ein Eichhörnchen
sprang in dem Wappen auf und darunter stand: ,.()no non Agcenäam?" Er
wies mit dem Finger darauf und sagte übermütig, das wäre eine Devise, die
er auch nehmen wollte, und die Schöne nickte und lobte ihn lächelnd.

In den dämmernden Straßen liefen bereits die Fackelträger vor den
Wagen und den vornehmen Fußgängern her. Fern im Westen war am
Himmel noch ein grünsilberner wolkenzerrissener Streif und vor ihm stieg
schwarz und riesenhaft der Nathausgiebel auf. Und wie er ging und die
kühle Sommerluft um seine Schläfen fühlte, gaukelten die drei Frauenbilder
vor ihm, und er mußte an den Prinzen Paris denken, der auf all den
Bildern die schwere Wahl hatte. Noch nie war ihm so selig zumute ge¬
wesen, und da er sich bisher dabei wohl befunden hatte, seinem geistlichen
Führer zu folgen, so folgte er ihm auch jetzt, auf der dem Rathaus gegenüber-




Der vorsichtige Freier
N Rarl Federn ovelle von
(Schluß)

Von da folgte er dem Abbate, der von einer französischen Dame zum
Speisen erwartet wurde; alle kannten sein Abenteuer und viele Augen lächelten
ihm zu. Als nach der Mahlzeit an kleinen Tischen weißer und roter Hypocras
in die Gläser gefüllt wurde, gestand er sich, daß die schwarzlockige Frau ihm
gegenüber vielleicht doch die schönste war, die er in diesen Tagen gesehen. So
wie die Herzogin sprach auch sie italienisch mit ihm; kühn sagte er ihr. was in
seinen Gedanken war und er fühlte, wie auf den: seidenen Fnßkissen unter der
schweren Tischdecke sich ein Fuß auf den feinen schob. Er sah ihr in die seltsam
aufleuchtenden Augen; der Ambra-' und Weinduft des Getränks drang ihm
heuchelnd an die Stirn, die er gerne kühl behalten hätte — er wendete das
Gesicht ab und sah sich selbst und ihr Profil im Spiegel; nun fand er ihr Näschen
über dem lächelnden Mund keck und besonders entzückend; verwundert über sein
Wegsehen folgten ihre Blicke den seinen und beide sagten sich drüben das gleiche
wie vorher hier. Hinter sich sah er den großen von schwarzen Haaren um¬
wallten Kopf des Abbate, der aufrecht stand, sein Lorgnon vor die Augen hielt
und billigend herübersah; neben ihm stand ein goldgrün gekleideter Kavalier in
gelben Lederstulpen vor einer Dame in erdbeerrotem Seidenkleid. Dann fielen
Avinellis wandernde Blicke auf ein kostbar gebundenes Buch mit einem ver¬
goldeten Wappen, das neben der Dame auf der Ruhebank lag; ein Eichhörnchen
sprang in dem Wappen auf und darunter stand: ,.()no non Agcenäam?" Er
wies mit dem Finger darauf und sagte übermütig, das wäre eine Devise, die
er auch nehmen wollte, und die Schöne nickte und lobte ihn lächelnd.

In den dämmernden Straßen liefen bereits die Fackelträger vor den
Wagen und den vornehmen Fußgängern her. Fern im Westen war am
Himmel noch ein grünsilberner wolkenzerrissener Streif und vor ihm stieg
schwarz und riesenhaft der Nathausgiebel auf. Und wie er ging und die
kühle Sommerluft um seine Schläfen fühlte, gaukelten die drei Frauenbilder
vor ihm, und er mußte an den Prinzen Paris denken, der auf all den
Bildern die schwere Wahl hatte. Noch nie war ihm so selig zumute ge¬
wesen, und da er sich bisher dabei wohl befunden hatte, seinem geistlichen
Führer zu folgen, so folgte er ihm auch jetzt, auf der dem Rathaus gegenüber-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325809"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_325519/figures/grenzboten_341897_325519_325809_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der vorsichtige Freier<lb/>
N<note type="byline"> Rarl Federn</note> ovelle von<lb/>
(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1129"> Von da folgte er dem Abbate, der von einer französischen Dame zum<lb/>
Speisen erwartet wurde; alle kannten sein Abenteuer und viele Augen lächelten<lb/>
ihm zu. Als nach der Mahlzeit an kleinen Tischen weißer und roter Hypocras<lb/>
in die Gläser gefüllt wurde, gestand er sich, daß die schwarzlockige Frau ihm<lb/>
gegenüber vielleicht doch die schönste war, die er in diesen Tagen gesehen. So<lb/>
wie die Herzogin sprach auch sie italienisch mit ihm; kühn sagte er ihr. was in<lb/>
seinen Gedanken war und er fühlte, wie auf den: seidenen Fnßkissen unter der<lb/>
schweren Tischdecke sich ein Fuß auf den feinen schob. Er sah ihr in die seltsam<lb/>
aufleuchtenden Augen; der Ambra-' und Weinduft des Getränks drang ihm<lb/>
heuchelnd an die Stirn, die er gerne kühl behalten hätte &#x2014; er wendete das<lb/>
Gesicht ab und sah sich selbst und ihr Profil im Spiegel; nun fand er ihr Näschen<lb/>
über dem lächelnden Mund keck und besonders entzückend; verwundert über sein<lb/>
Wegsehen folgten ihre Blicke den seinen und beide sagten sich drüben das gleiche<lb/>
wie vorher hier. Hinter sich sah er den großen von schwarzen Haaren um¬<lb/>
wallten Kopf des Abbate, der aufrecht stand, sein Lorgnon vor die Augen hielt<lb/>
und billigend herübersah; neben ihm stand ein goldgrün gekleideter Kavalier in<lb/>
gelben Lederstulpen vor einer Dame in erdbeerrotem Seidenkleid. Dann fielen<lb/>
Avinellis wandernde Blicke auf ein kostbar gebundenes Buch mit einem ver¬<lb/>
goldeten Wappen, das neben der Dame auf der Ruhebank lag; ein Eichhörnchen<lb/>
sprang in dem Wappen auf und darunter stand: ,.()no non Agcenäam?" Er<lb/>
wies mit dem Finger darauf und sagte übermütig, das wäre eine Devise, die<lb/>
er auch nehmen wollte, und die Schöne nickte und lobte ihn lächelnd.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1130" next="#ID_1131"> In den dämmernden Straßen liefen bereits die Fackelträger vor den<lb/>
Wagen und den vornehmen Fußgängern her. Fern im Westen war am<lb/>
Himmel noch ein grünsilberner wolkenzerrissener Streif und vor ihm stieg<lb/>
schwarz und riesenhaft der Nathausgiebel auf. Und wie er ging und die<lb/>
kühle Sommerluft um seine Schläfen fühlte, gaukelten die drei Frauenbilder<lb/>
vor ihm, und er mußte an den Prinzen Paris denken, der auf all den<lb/>
Bildern die schwere Wahl hatte. Noch nie war ihm so selig zumute ge¬<lb/>
wesen, und da er sich bisher dabei wohl befunden hatte, seinem geistlichen<lb/>
Führer zu folgen, so folgte er ihm auch jetzt, auf der dem Rathaus gegenüber-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] [Abbildung] Der vorsichtige Freier N Rarl Federn ovelle von (Schluß) Von da folgte er dem Abbate, der von einer französischen Dame zum Speisen erwartet wurde; alle kannten sein Abenteuer und viele Augen lächelten ihm zu. Als nach der Mahlzeit an kleinen Tischen weißer und roter Hypocras in die Gläser gefüllt wurde, gestand er sich, daß die schwarzlockige Frau ihm gegenüber vielleicht doch die schönste war, die er in diesen Tagen gesehen. So wie die Herzogin sprach auch sie italienisch mit ihm; kühn sagte er ihr. was in seinen Gedanken war und er fühlte, wie auf den: seidenen Fnßkissen unter der schweren Tischdecke sich ein Fuß auf den feinen schob. Er sah ihr in die seltsam aufleuchtenden Augen; der Ambra-' und Weinduft des Getränks drang ihm heuchelnd an die Stirn, die er gerne kühl behalten hätte — er wendete das Gesicht ab und sah sich selbst und ihr Profil im Spiegel; nun fand er ihr Näschen über dem lächelnden Mund keck und besonders entzückend; verwundert über sein Wegsehen folgten ihre Blicke den seinen und beide sagten sich drüben das gleiche wie vorher hier. Hinter sich sah er den großen von schwarzen Haaren um¬ wallten Kopf des Abbate, der aufrecht stand, sein Lorgnon vor die Augen hielt und billigend herübersah; neben ihm stand ein goldgrün gekleideter Kavalier in gelben Lederstulpen vor einer Dame in erdbeerrotem Seidenkleid. Dann fielen Avinellis wandernde Blicke auf ein kostbar gebundenes Buch mit einem ver¬ goldeten Wappen, das neben der Dame auf der Ruhebank lag; ein Eichhörnchen sprang in dem Wappen auf und darunter stand: ,.()no non Agcenäam?" Er wies mit dem Finger darauf und sagte übermütig, das wäre eine Devise, die er auch nehmen wollte, und die Schöne nickte und lobte ihn lächelnd. In den dämmernden Straßen liefen bereits die Fackelträger vor den Wagen und den vornehmen Fußgängern her. Fern im Westen war am Himmel noch ein grünsilberner wolkenzerrissener Streif und vor ihm stieg schwarz und riesenhaft der Nathausgiebel auf. Und wie er ging und die kühle Sommerluft um seine Schläfen fühlte, gaukelten die drei Frauenbilder vor ihm, und er mußte an den Prinzen Paris denken, der auf all den Bildern die schwere Wahl hatte. Noch nie war ihm so selig zumute ge¬ wesen, und da er sich bisher dabei wohl befunden hatte, seinem geistlichen Führer zu folgen, so folgte er ihm auch jetzt, auf der dem Rathaus gegenüber-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/289>, abgerufen am 27.07.2024.