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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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zeigen. Aber man weist in Frankreich auch häufig darauf hin. daß der einzelne
französische Soldat weniger kräftig und diszipliniert sei als der deutsche.

2. Die Eigenheiten der Rasse werden bedroht, wenn der Überfluß nicht
ausgenutzter Unterhaltsmittel fremde Elemente ins Land zieht. So hat die
Einwanderung in Frankreich im Laufe der letzten sechzig Jahre gewaltig zu¬
genommen. Sie betrug:

1861 ..... 379 000 Personen,

1872 ..... 741000
1891...... 1 130 000
1901 ..... 1 034000
1911 ..... 1 132000

Die statistische Minderung von 1891 bis 1901 ist nur scheinbar, da infolge
eines Gesetzes von 1899 die Söhne der Fremden naturalisiert und seitdem als
Franzosen gezählt wurden. In Wahrheit ist die Zahl der Ausländer in Frank¬
reich also stetig gewachsen; etwa 225000 Naturalisierte kommen jetzt zu obigen
Ziffern noch hinzu. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die meisten Einwanderer
der arbeitenden männlichen Bevölkerung angehören, die Gefahr für Frankreich
daher noch größer ist, daß auch die zeitweise, namentlich periodische, Einwan¬
derung der arbeitenden Klassen, wie der Belgier in Wallonien. der Italiener
und Spanier in der Languedoc, nicht in Anschlag gebracht ist, die in Deutschland
wie in Frankreich etwa 1^/2 Prozent beträgt, während die dauernde Nieder¬
lassung von Fremden in Frankreich sich auf 3 Prozent beläuft. Man kämpft
daher vielfach gegen diese Einwanderung an; der Matin. das Hauptinformations¬
blatt der Pariser, unternimmt mit Vorliebe wiederholt Feldzüge gegen das
Eindringen des Deutschtums. Unser Anteil beträgt indes nur 10 Prozent,
während die Italiener 40 Prozent, die Belgier 36 Prozent ausmachen, auch
die Spanier mit 6 Prozent vertreten sind. Aber das Deutschtum ist für Frank¬
reich bedeutsamer, weil seine Vertreter meist kulturell und wirtschaftlich hoch¬
stehenden und daher einflußreichen Klassen angehören. Mögen auch unter den
gegenwärtig 19 Prozent ausländischen Studierenden der Universität Paris,
gegen die man im laufenden Semester eine Protestversammlung veranstaltet hat,
andere Nationen ebenso zahlreich vertreten sein wie wir, und in Bordeaux sowie
in der Minenindustrie namentlich englische Unternehmer hervortreten, so begegnen
uns doch in Paris außerordentlich zahlreiche deutsche Firmen, für den Süden
Frankreichs sei nur an die Champagnerwerke Heidsieck und Mumm erinnert,
und die Universität Grenoble hat vorwiegend deutsche Studierende angezogen; die
stärkste deutsche Bevölkerung findet sich indes nach dem vom Ministerium der
Arbeit und sozialen Fürsorge herausgegebenen graphischen Album der allgemeinen
Statistik Frankreichs außer in den Departements Seine und Alpes - Maritimes
an der Nordostgrenze.

Tragen die Fremden auch durch ihre Steuerkraft und die Nutzbarmachung
der Bodenschätze des Landes zu dessen Bereicherung bei, so wird im allgemeinen
doch ihr Ersatz durch eigene Landeskinder anzustreben sein. Denn passen sie sich


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zeigen. Aber man weist in Frankreich auch häufig darauf hin. daß der einzelne
französische Soldat weniger kräftig und diszipliniert sei als der deutsche.

2. Die Eigenheiten der Rasse werden bedroht, wenn der Überfluß nicht
ausgenutzter Unterhaltsmittel fremde Elemente ins Land zieht. So hat die
Einwanderung in Frankreich im Laufe der letzten sechzig Jahre gewaltig zu¬
genommen. Sie betrug:

1861 ..... 379 000 Personen,

1872 ..... 741000
1891...... 1 130 000
1901 ..... 1 034000
1911 ..... 1 132000

Die statistische Minderung von 1891 bis 1901 ist nur scheinbar, da infolge
eines Gesetzes von 1899 die Söhne der Fremden naturalisiert und seitdem als
Franzosen gezählt wurden. In Wahrheit ist die Zahl der Ausländer in Frank¬
reich also stetig gewachsen; etwa 225000 Naturalisierte kommen jetzt zu obigen
Ziffern noch hinzu. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die meisten Einwanderer
der arbeitenden männlichen Bevölkerung angehören, die Gefahr für Frankreich
daher noch größer ist, daß auch die zeitweise, namentlich periodische, Einwan¬
derung der arbeitenden Klassen, wie der Belgier in Wallonien. der Italiener
und Spanier in der Languedoc, nicht in Anschlag gebracht ist, die in Deutschland
wie in Frankreich etwa 1^/2 Prozent beträgt, während die dauernde Nieder¬
lassung von Fremden in Frankreich sich auf 3 Prozent beläuft. Man kämpft
daher vielfach gegen diese Einwanderung an; der Matin. das Hauptinformations¬
blatt der Pariser, unternimmt mit Vorliebe wiederholt Feldzüge gegen das
Eindringen des Deutschtums. Unser Anteil beträgt indes nur 10 Prozent,
während die Italiener 40 Prozent, die Belgier 36 Prozent ausmachen, auch
die Spanier mit 6 Prozent vertreten sind. Aber das Deutschtum ist für Frank¬
reich bedeutsamer, weil seine Vertreter meist kulturell und wirtschaftlich hoch¬
stehenden und daher einflußreichen Klassen angehören. Mögen auch unter den
gegenwärtig 19 Prozent ausländischen Studierenden der Universität Paris,
gegen die man im laufenden Semester eine Protestversammlung veranstaltet hat,
andere Nationen ebenso zahlreich vertreten sein wie wir, und in Bordeaux sowie
in der Minenindustrie namentlich englische Unternehmer hervortreten, so begegnen
uns doch in Paris außerordentlich zahlreiche deutsche Firmen, für den Süden
Frankreichs sei nur an die Champagnerwerke Heidsieck und Mumm erinnert,
und die Universität Grenoble hat vorwiegend deutsche Studierende angezogen; die
stärkste deutsche Bevölkerung findet sich indes nach dem vom Ministerium der
Arbeit und sozialen Fürsorge herausgegebenen graphischen Album der allgemeinen
Statistik Frankreichs außer in den Departements Seine und Alpes - Maritimes
an der Nordostgrenze.

Tragen die Fremden auch durch ihre Steuerkraft und die Nutzbarmachung
der Bodenschätze des Landes zu dessen Bereicherung bei, so wird im allgemeinen
doch ihr Ersatz durch eigene Landeskinder anzustreben sein. Denn passen sie sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/558>, abgerufen am 29.06.2024.