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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

mittleren und kleineren Bauern, nebst Handwerkern und seßhaften Landarbeitern,
das Ziel der kolonisatorischen Tätigkeit zu sehen.

Durch die Verquickung rein wirtschaftlicher Forderungen mit national¬
politischen Zielen nimmt die Ostmark eine besondere Stellung in der Organi¬
sation des Siedlungswerkes ein. Dort handelt es sich nicht schlechthin lediglich
um Wiederbevölkerung des platten Landes, sondern zugleich auch darum, das
Deutschtum in den durch das Polentum gefährdeten deutschen Distrikten zu
stärken, einen Wall aufzurichten gegen das Vordringen des Slawentums. Die
Durchführung dieser Aufgaben ist im wesentlichen dem preußischen Staat vor¬
behalten, der dazu die Königliche Ansiedlungskommission geschaffen hat. Einzel¬
heiten über die Tätigkeit dürfen hier füglich übergangen werden. (Der ursprüng¬
liche 100 Millionenfonds beläuft sich jetzt auf 550 Millionen Mark. Außerdem
ist ein Domänenankaufsfonds in Höhe von 125 Millionen vorhanden.)

Wohl im Gegensatze zur nationalpolitischen Siedlungsarbeit der Ansiedlungs¬
kommission hat man die Ansiedlungstätigkeit außerhalb der Ostmarken als wirt¬
schaftliche innere Kolonisation bezeichnet. Allgemein haben wir bei der inneren
Kolonisation zu trennen die Bauernansiedlung, d. h. die Begründung von
kleinen und mittleren Bauernstellen, von der sogenannten Kleinsiedlung oder
Arbeiteransiedlung. Die Kleinsiedlung umfaßt nicht nur die Seßhastmachung
von landwirtschaftlichen Arbeitern, sondern auch von gewerblichen Arbeitern und
Handwerkern. Sie wird selbständig aber auch im Zusammenhang mit der
Bauernansiedlung durchgeführt und stellt ein ganz besonders schwieriges Kapitel
der inneren Kolonisation dar.

Träger der sogenannten wirtschaftlichen Kolonisation sind grundsätzlich nicht
staatliche Organe. Gleichwohl ist aber der Staat auch hier als mitwirkende
Instanz beteiligt und zwar durch Vermittlung der Generalkommission.

Der wesentliche Unterschied zwischen der Tätigkeit der beiden Kommisstonen
besteht einmal darin, daß die Königliche Ansiedlungskommission ausschließlich
für die Provinzen Westpreußen und Posen ins Leben gerufen wurde, wo sie
planmäßig mit staatlichen Geldmitteln deutsche Bauern und deutsche Arbeiter in
den gefährdeten Teilen der beiden Provinzen ansiedelt, während sich das
Tätigkeitsfeld der Generalkommission über die ganze preußische Monarchie aus-
dehnt und sie lediglich als Vermittler auftritt.

Die Königlichen Generalkommissionen traten bereits 1817 ins Leben und
waren ursprünglich dazu bestimmt, die bäuerlichen Verhältnisse in ihren beson¬
deren Beziehungen zum Großgrundbesitz zu regeln, sowie im Anschluß an die
sogenannte Stein - Hardenbergische Bauernbefreiung die Gemeinheitsteilungen
durchzuführen. Diese schwierigen und vielseitigen Aufgaben hatten die General-
kommissionen in den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts zum
größten Teile gelöst. Sie standen um jene Zeit sozusagen auf dem Aussterbe-
etat. Dadurch, daß nach Inkrafttreten der Rentengutsgesetzgebung der Jahre
1890 und 1891 die Abwicklung des Rentengutsverfahrens den Generalkommissionen


Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

mittleren und kleineren Bauern, nebst Handwerkern und seßhaften Landarbeitern,
das Ziel der kolonisatorischen Tätigkeit zu sehen.

Durch die Verquickung rein wirtschaftlicher Forderungen mit national¬
politischen Zielen nimmt die Ostmark eine besondere Stellung in der Organi¬
sation des Siedlungswerkes ein. Dort handelt es sich nicht schlechthin lediglich
um Wiederbevölkerung des platten Landes, sondern zugleich auch darum, das
Deutschtum in den durch das Polentum gefährdeten deutschen Distrikten zu
stärken, einen Wall aufzurichten gegen das Vordringen des Slawentums. Die
Durchführung dieser Aufgaben ist im wesentlichen dem preußischen Staat vor¬
behalten, der dazu die Königliche Ansiedlungskommission geschaffen hat. Einzel¬
heiten über die Tätigkeit dürfen hier füglich übergangen werden. (Der ursprüng¬
liche 100 Millionenfonds beläuft sich jetzt auf 550 Millionen Mark. Außerdem
ist ein Domänenankaufsfonds in Höhe von 125 Millionen vorhanden.)

Wohl im Gegensatze zur nationalpolitischen Siedlungsarbeit der Ansiedlungs¬
kommission hat man die Ansiedlungstätigkeit außerhalb der Ostmarken als wirt¬
schaftliche innere Kolonisation bezeichnet. Allgemein haben wir bei der inneren
Kolonisation zu trennen die Bauernansiedlung, d. h. die Begründung von
kleinen und mittleren Bauernstellen, von der sogenannten Kleinsiedlung oder
Arbeiteransiedlung. Die Kleinsiedlung umfaßt nicht nur die Seßhastmachung
von landwirtschaftlichen Arbeitern, sondern auch von gewerblichen Arbeitern und
Handwerkern. Sie wird selbständig aber auch im Zusammenhang mit der
Bauernansiedlung durchgeführt und stellt ein ganz besonders schwieriges Kapitel
der inneren Kolonisation dar.

Träger der sogenannten wirtschaftlichen Kolonisation sind grundsätzlich nicht
staatliche Organe. Gleichwohl ist aber der Staat auch hier als mitwirkende
Instanz beteiligt und zwar durch Vermittlung der Generalkommission.

Der wesentliche Unterschied zwischen der Tätigkeit der beiden Kommisstonen
besteht einmal darin, daß die Königliche Ansiedlungskommission ausschließlich
für die Provinzen Westpreußen und Posen ins Leben gerufen wurde, wo sie
planmäßig mit staatlichen Geldmitteln deutsche Bauern und deutsche Arbeiter in
den gefährdeten Teilen der beiden Provinzen ansiedelt, während sich das
Tätigkeitsfeld der Generalkommission über die ganze preußische Monarchie aus-
dehnt und sie lediglich als Vermittler auftritt.

Die Königlichen Generalkommissionen traten bereits 1817 ins Leben und
waren ursprünglich dazu bestimmt, die bäuerlichen Verhältnisse in ihren beson¬
deren Beziehungen zum Großgrundbesitz zu regeln, sowie im Anschluß an die
sogenannte Stein - Hardenbergische Bauernbefreiung die Gemeinheitsteilungen
durchzuführen. Diese schwierigen und vielseitigen Aufgaben hatten die General-
kommissionen in den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts zum
größten Teile gelöst. Sie standen um jene Zeit sozusagen auf dem Aussterbe-
etat. Dadurch, daß nach Inkrafttreten der Rentengutsgesetzgebung der Jahre
1890 und 1891 die Abwicklung des Rentengutsverfahrens den Generalkommissionen


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[0461] Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen mittleren und kleineren Bauern, nebst Handwerkern und seßhaften Landarbeitern, das Ziel der kolonisatorischen Tätigkeit zu sehen. Durch die Verquickung rein wirtschaftlicher Forderungen mit national¬ politischen Zielen nimmt die Ostmark eine besondere Stellung in der Organi¬ sation des Siedlungswerkes ein. Dort handelt es sich nicht schlechthin lediglich um Wiederbevölkerung des platten Landes, sondern zugleich auch darum, das Deutschtum in den durch das Polentum gefährdeten deutschen Distrikten zu stärken, einen Wall aufzurichten gegen das Vordringen des Slawentums. Die Durchführung dieser Aufgaben ist im wesentlichen dem preußischen Staat vor¬ behalten, der dazu die Königliche Ansiedlungskommission geschaffen hat. Einzel¬ heiten über die Tätigkeit dürfen hier füglich übergangen werden. (Der ursprüng¬ liche 100 Millionenfonds beläuft sich jetzt auf 550 Millionen Mark. Außerdem ist ein Domänenankaufsfonds in Höhe von 125 Millionen vorhanden.) Wohl im Gegensatze zur nationalpolitischen Siedlungsarbeit der Ansiedlungs¬ kommission hat man die Ansiedlungstätigkeit außerhalb der Ostmarken als wirt¬ schaftliche innere Kolonisation bezeichnet. Allgemein haben wir bei der inneren Kolonisation zu trennen die Bauernansiedlung, d. h. die Begründung von kleinen und mittleren Bauernstellen, von der sogenannten Kleinsiedlung oder Arbeiteransiedlung. Die Kleinsiedlung umfaßt nicht nur die Seßhastmachung von landwirtschaftlichen Arbeitern, sondern auch von gewerblichen Arbeitern und Handwerkern. Sie wird selbständig aber auch im Zusammenhang mit der Bauernansiedlung durchgeführt und stellt ein ganz besonders schwieriges Kapitel der inneren Kolonisation dar. Träger der sogenannten wirtschaftlichen Kolonisation sind grundsätzlich nicht staatliche Organe. Gleichwohl ist aber der Staat auch hier als mitwirkende Instanz beteiligt und zwar durch Vermittlung der Generalkommission. Der wesentliche Unterschied zwischen der Tätigkeit der beiden Kommisstonen besteht einmal darin, daß die Königliche Ansiedlungskommission ausschließlich für die Provinzen Westpreußen und Posen ins Leben gerufen wurde, wo sie planmäßig mit staatlichen Geldmitteln deutsche Bauern und deutsche Arbeiter in den gefährdeten Teilen der beiden Provinzen ansiedelt, während sich das Tätigkeitsfeld der Generalkommission über die ganze preußische Monarchie aus- dehnt und sie lediglich als Vermittler auftritt. Die Königlichen Generalkommissionen traten bereits 1817 ins Leben und waren ursprünglich dazu bestimmt, die bäuerlichen Verhältnisse in ihren beson¬ deren Beziehungen zum Großgrundbesitz zu regeln, sowie im Anschluß an die sogenannte Stein - Hardenbergische Bauernbefreiung die Gemeinheitsteilungen durchzuführen. Diese schwierigen und vielseitigen Aufgaben hatten die General- kommissionen in den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts zum größten Teile gelöst. Sie standen um jene Zeit sozusagen auf dem Aussterbe- etat. Dadurch, daß nach Inkrafttreten der Rentengutsgesetzgebung der Jahre 1890 und 1891 die Abwicklung des Rentengutsverfahrens den Generalkommissionen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/461>, abgerufen am 22.07.2024.