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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe aus Trebeldorf

sie ein Herz haben, wie Du es verdienst? -- Ich schütte meinen Segen über
Dich aus, Du mein Guter, und wünsche, daß Du in diesem Bunde all das
Glück finden mögest, dessen Du wert bist.

Gott, wie einem doch oft die Worte gerade da fehlen, wo einem das Herz
am vollsten istl Mein Glückwunsch sollte so voller Wärme sein. Und nun? --
Wie armselig die paar Worte! Aber Du weißt es ja. Wie oft sind wir in
Schweigen nebeneinander hergegangen, wo wir uns eigentlich am meisten zu
sagen hatten. Das ist wohl so unter den Menschen. Was braucht es der
Worte, wenn es geheimnisvoll überströmt von einem zum andern und jeder
sühlt, es sind die gleichen Gedanken, die beide bewegen? So findest Du auch
wohl zwischen den Zeilen für Dich noch genug heraus.

Du hast nun fürs erste und gerade jetzt zu Weihnachten genug mit Dir
und Deiner Liebe zu schaffen, Cunz, und ich erwarte vorläufig keinen Bries
von Dir. Zwinge Dich nicht in der Meinung, es sei Deine Pflicht, mir regel¬
mäßig zu schreiben wie sonst, sondern schenke mir nur den Augenblick, der etwa
zufällig für mich frei ist. Ich finde mich darin.

Der Pipenklub gibt bei Holzberg einen Weihnachtsball. Ich dachte
ursprünglich, mich um die Teilnahme daran herumzudrücken. Indessen jetzt
habe ich keinen triftigen Grund mehr dafür, obgleich ich mich augenblicklich
wieder nicht ganz wohl fühle.

Alle herzlichen Grüße an Dich mit einer Empfehlung an das Fräulein
Braut und die Frau Mutter.


Dein Edward.

p. S. Mir war eben, als ich die paar Zeilen wieder durchflog, wie wenn
ich Deine Braut deutlich vor mir sähe. Sie trug etwas von Annas Zügen.
Nicht voll so schön, aber ebenso fein und mild. Ich zweifle nicht, sie wird auch
ebenso klug sein. Versteh mich recht, Cunz. Klugheit ist nicht Fülle des Wissens,
Klugheit ist, beim Weibe zumal, glücklicher Lebenstakt, Mutterwitz und ein Helles
Auge. -- Seltsame Definition, nicht? Aber für mich ist sie richtig; und nun
lache Du nur über meinen Vergleich: Deine Olga von Brendel und Anna
Ewert, die Torfbäuerin! Lache nur und erzähle Deiner Braut, welch närrischer
Kauz ich bin.

Es ist heute so trübe um mich her. Aber welch Wunder! Wir haben
den sonnenlosesten Tag im Jahr.


Dein E.....

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten I 191325
Briefe aus Trebeldorf

sie ein Herz haben, wie Du es verdienst? — Ich schütte meinen Segen über
Dich aus, Du mein Guter, und wünsche, daß Du in diesem Bunde all das
Glück finden mögest, dessen Du wert bist.

Gott, wie einem doch oft die Worte gerade da fehlen, wo einem das Herz
am vollsten istl Mein Glückwunsch sollte so voller Wärme sein. Und nun? —
Wie armselig die paar Worte! Aber Du weißt es ja. Wie oft sind wir in
Schweigen nebeneinander hergegangen, wo wir uns eigentlich am meisten zu
sagen hatten. Das ist wohl so unter den Menschen. Was braucht es der
Worte, wenn es geheimnisvoll überströmt von einem zum andern und jeder
sühlt, es sind die gleichen Gedanken, die beide bewegen? So findest Du auch
wohl zwischen den Zeilen für Dich noch genug heraus.

Du hast nun fürs erste und gerade jetzt zu Weihnachten genug mit Dir
und Deiner Liebe zu schaffen, Cunz, und ich erwarte vorläufig keinen Bries
von Dir. Zwinge Dich nicht in der Meinung, es sei Deine Pflicht, mir regel¬
mäßig zu schreiben wie sonst, sondern schenke mir nur den Augenblick, der etwa
zufällig für mich frei ist. Ich finde mich darin.

Der Pipenklub gibt bei Holzberg einen Weihnachtsball. Ich dachte
ursprünglich, mich um die Teilnahme daran herumzudrücken. Indessen jetzt
habe ich keinen triftigen Grund mehr dafür, obgleich ich mich augenblicklich
wieder nicht ganz wohl fühle.

Alle herzlichen Grüße an Dich mit einer Empfehlung an das Fräulein
Braut und die Frau Mutter.


Dein Edward.

p. S. Mir war eben, als ich die paar Zeilen wieder durchflog, wie wenn
ich Deine Braut deutlich vor mir sähe. Sie trug etwas von Annas Zügen.
Nicht voll so schön, aber ebenso fein und mild. Ich zweifle nicht, sie wird auch
ebenso klug sein. Versteh mich recht, Cunz. Klugheit ist nicht Fülle des Wissens,
Klugheit ist, beim Weibe zumal, glücklicher Lebenstakt, Mutterwitz und ein Helles
Auge. — Seltsame Definition, nicht? Aber für mich ist sie richtig; und nun
lache Du nur über meinen Vergleich: Deine Olga von Brendel und Anna
Ewert, die Torfbäuerin! Lache nur und erzähle Deiner Braut, welch närrischer
Kauz ich bin.

Es ist heute so trübe um mich her. Aber welch Wunder! Wir haben
den sonnenlosesten Tag im Jahr.


Dein E.....

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten I 191325
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[0389] Briefe aus Trebeldorf sie ein Herz haben, wie Du es verdienst? — Ich schütte meinen Segen über Dich aus, Du mein Guter, und wünsche, daß Du in diesem Bunde all das Glück finden mögest, dessen Du wert bist. Gott, wie einem doch oft die Worte gerade da fehlen, wo einem das Herz am vollsten istl Mein Glückwunsch sollte so voller Wärme sein. Und nun? — Wie armselig die paar Worte! Aber Du weißt es ja. Wie oft sind wir in Schweigen nebeneinander hergegangen, wo wir uns eigentlich am meisten zu sagen hatten. Das ist wohl so unter den Menschen. Was braucht es der Worte, wenn es geheimnisvoll überströmt von einem zum andern und jeder sühlt, es sind die gleichen Gedanken, die beide bewegen? So findest Du auch wohl zwischen den Zeilen für Dich noch genug heraus. Du hast nun fürs erste und gerade jetzt zu Weihnachten genug mit Dir und Deiner Liebe zu schaffen, Cunz, und ich erwarte vorläufig keinen Bries von Dir. Zwinge Dich nicht in der Meinung, es sei Deine Pflicht, mir regel¬ mäßig zu schreiben wie sonst, sondern schenke mir nur den Augenblick, der etwa zufällig für mich frei ist. Ich finde mich darin. Der Pipenklub gibt bei Holzberg einen Weihnachtsball. Ich dachte ursprünglich, mich um die Teilnahme daran herumzudrücken. Indessen jetzt habe ich keinen triftigen Grund mehr dafür, obgleich ich mich augenblicklich wieder nicht ganz wohl fühle. Alle herzlichen Grüße an Dich mit einer Empfehlung an das Fräulein Braut und die Frau Mutter. Dein Edward. p. S. Mir war eben, als ich die paar Zeilen wieder durchflog, wie wenn ich Deine Braut deutlich vor mir sähe. Sie trug etwas von Annas Zügen. Nicht voll so schön, aber ebenso fein und mild. Ich zweifle nicht, sie wird auch ebenso klug sein. Versteh mich recht, Cunz. Klugheit ist nicht Fülle des Wissens, Klugheit ist, beim Weibe zumal, glücklicher Lebenstakt, Mutterwitz und ein Helles Auge. — Seltsame Definition, nicht? Aber für mich ist sie richtig; und nun lache Du nur über meinen Vergleich: Deine Olga von Brendel und Anna Ewert, die Torfbäuerin! Lache nur und erzähle Deiner Braut, welch närrischer Kauz ich bin. Es ist heute so trübe um mich her. Aber welch Wunder! Wir haben den sonnenlosesten Tag im Jahr. Dein E..... (Fortsetzung folgt) Grenzboten I 191325

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/389>, abgerufen am 22.07.2024.