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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

hatte die Rede mit den Einleitungsworten des Firmans begonnen, und erklärte,
das; er dem zwischen den Repräsentanten und der Pforte vereinbarten Firman
sein hohes Zeichen beigedruckt habe. Zwischen den Repräsentanten und der
Pforte habe eine rühmenswerte Einigkeit bei der Redaktion des Firmans
obgewaltet; er hoffe, daß diese Einigkeit auch in dem Schoße der Kommission
bestehen werde, welche berufen sei, über die innere, administrative Reorganisation
der Fürstentümer Vorschläge zu machen. Er hoffe, daß die Kommission selbst
stets der Herrschaftsrechte des Sultans über jene Länder eingedenk sein, und
auch zu verhüten wissen werde, daß die Diwans aä Koa in ihren Beratungen
die Grenzen der Konvenienz, der Mäßigung und vor allem die "Untertans¬
treue" nicht vergessen, und sich mit nichts beschäftigen werden, was den Rechten
seiner Hohen Pforte zuwider sei. Er hoffe, daß auf diese Weise die Prosperität
der Länder gesichert, und die Arbeiten der Kommission und der Diwans fruchtreich
sein würden.

Nach dieser Übersetzung nahm der Sultan dem Minister die Rede wieder
aus der Hand und steckte sie ein. Jeder einzelne von uns richtete hierauf, nach
der alphabetischen Ordnung der Staaten, deren Allerhöchste Souveräne uns
abgesendet, einige Worte des Dankes für das uns hier bewiesene Wohlwollen
an den Sultan, und sprach die Versicherung aus, an seinem Teile dazu bei¬
zutragen, die Absichten zu realisieren, welche den Kongreß von Paris bei Ein¬
setzung der Kommission geleitet haben, wobei ich meinerseits darauf Bezug
nehmen konnte, daß ich in einer früheren Stellung in der Moldau und Wallachei
bereits so glücklich gewesen sei, ebenso den Allerhöchsten Intentionen Eurer
Königlichen Majestät zu entsprechen, als das Wohlwollen der Hohen Pforte zu
gewinnen.

Der Sultan endigte die Audienz demnächst damit, daß er sagte, daß er
über die Einstimmigkeit erfreut sei, mit der die Kommission ans Werk gehe,
und die soeben vernommenen Äußerungen der Kommissäre für ein glückliches
Vorzeichen betrachte. Damit wurden wir entlassen.

Sir Henry Bulwer fragte, nachdem wir das Audienzzimmer verlassen, den
Minister, ob wir eine genaue Übersetzung der Rede Seiner Majestät erhalten
könnten, was dieser aber mit der Bemerkung abschlug, daß der Sultan, wie
wir gesehen hätten, die Rede sofort wieder eingesteckt, und dadurch zu erkennen
gegeben habe, daß dies nicht in seiner Absicht liege.

Es ist zum erstenmal in den Annalen der orientalischen Politik, daß der
Sultan eine Rede abliest; dieses Ereignis hat daher hier ein großes Aufsehen
gemacht, und beweist, daß der Sultan jedes seiner Worte hat abwägen wollen.

Hiermit ist die Wirksamkeit der Kommission in Konstantinopel beendet.

Der französische Ambassadeur hat heute Depeschen aus Paris erhalten,
von deren Inhalt Baron Talleyrand gleichzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist.
Letzterer hat mir dieselben zu lesen gegeben. Mr. Thouvenel hat hiernach den
Austrag erhalten, bei der Pforte und den Repräsentanten der übrigen Mächte


An der Wiege des Königreichs Rumänien

hatte die Rede mit den Einleitungsworten des Firmans begonnen, und erklärte,
das; er dem zwischen den Repräsentanten und der Pforte vereinbarten Firman
sein hohes Zeichen beigedruckt habe. Zwischen den Repräsentanten und der
Pforte habe eine rühmenswerte Einigkeit bei der Redaktion des Firmans
obgewaltet; er hoffe, daß diese Einigkeit auch in dem Schoße der Kommission
bestehen werde, welche berufen sei, über die innere, administrative Reorganisation
der Fürstentümer Vorschläge zu machen. Er hoffe, daß die Kommission selbst
stets der Herrschaftsrechte des Sultans über jene Länder eingedenk sein, und
auch zu verhüten wissen werde, daß die Diwans aä Koa in ihren Beratungen
die Grenzen der Konvenienz, der Mäßigung und vor allem die „Untertans¬
treue" nicht vergessen, und sich mit nichts beschäftigen werden, was den Rechten
seiner Hohen Pforte zuwider sei. Er hoffe, daß auf diese Weise die Prosperität
der Länder gesichert, und die Arbeiten der Kommission und der Diwans fruchtreich
sein würden.

Nach dieser Übersetzung nahm der Sultan dem Minister die Rede wieder
aus der Hand und steckte sie ein. Jeder einzelne von uns richtete hierauf, nach
der alphabetischen Ordnung der Staaten, deren Allerhöchste Souveräne uns
abgesendet, einige Worte des Dankes für das uns hier bewiesene Wohlwollen
an den Sultan, und sprach die Versicherung aus, an seinem Teile dazu bei¬
zutragen, die Absichten zu realisieren, welche den Kongreß von Paris bei Ein¬
setzung der Kommission geleitet haben, wobei ich meinerseits darauf Bezug
nehmen konnte, daß ich in einer früheren Stellung in der Moldau und Wallachei
bereits so glücklich gewesen sei, ebenso den Allerhöchsten Intentionen Eurer
Königlichen Majestät zu entsprechen, als das Wohlwollen der Hohen Pforte zu
gewinnen.

Der Sultan endigte die Audienz demnächst damit, daß er sagte, daß er
über die Einstimmigkeit erfreut sei, mit der die Kommission ans Werk gehe,
und die soeben vernommenen Äußerungen der Kommissäre für ein glückliches
Vorzeichen betrachte. Damit wurden wir entlassen.

Sir Henry Bulwer fragte, nachdem wir das Audienzzimmer verlassen, den
Minister, ob wir eine genaue Übersetzung der Rede Seiner Majestät erhalten
könnten, was dieser aber mit der Bemerkung abschlug, daß der Sultan, wie
wir gesehen hätten, die Rede sofort wieder eingesteckt, und dadurch zu erkennen
gegeben habe, daß dies nicht in seiner Absicht liege.

Es ist zum erstenmal in den Annalen der orientalischen Politik, daß der
Sultan eine Rede abliest; dieses Ereignis hat daher hier ein großes Aufsehen
gemacht, und beweist, daß der Sultan jedes seiner Worte hat abwägen wollen.

Hiermit ist die Wirksamkeit der Kommission in Konstantinopel beendet.

Der französische Ambassadeur hat heute Depeschen aus Paris erhalten,
von deren Inhalt Baron Talleyrand gleichzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist.
Letzterer hat mir dieselben zu lesen gegeben. Mr. Thouvenel hat hiernach den
Austrag erhalten, bei der Pforte und den Repräsentanten der übrigen Mächte


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[0381] An der Wiege des Königreichs Rumänien hatte die Rede mit den Einleitungsworten des Firmans begonnen, und erklärte, das; er dem zwischen den Repräsentanten und der Pforte vereinbarten Firman sein hohes Zeichen beigedruckt habe. Zwischen den Repräsentanten und der Pforte habe eine rühmenswerte Einigkeit bei der Redaktion des Firmans obgewaltet; er hoffe, daß diese Einigkeit auch in dem Schoße der Kommission bestehen werde, welche berufen sei, über die innere, administrative Reorganisation der Fürstentümer Vorschläge zu machen. Er hoffe, daß die Kommission selbst stets der Herrschaftsrechte des Sultans über jene Länder eingedenk sein, und auch zu verhüten wissen werde, daß die Diwans aä Koa in ihren Beratungen die Grenzen der Konvenienz, der Mäßigung und vor allem die „Untertans¬ treue" nicht vergessen, und sich mit nichts beschäftigen werden, was den Rechten seiner Hohen Pforte zuwider sei. Er hoffe, daß auf diese Weise die Prosperität der Länder gesichert, und die Arbeiten der Kommission und der Diwans fruchtreich sein würden. Nach dieser Übersetzung nahm der Sultan dem Minister die Rede wieder aus der Hand und steckte sie ein. Jeder einzelne von uns richtete hierauf, nach der alphabetischen Ordnung der Staaten, deren Allerhöchste Souveräne uns abgesendet, einige Worte des Dankes für das uns hier bewiesene Wohlwollen an den Sultan, und sprach die Versicherung aus, an seinem Teile dazu bei¬ zutragen, die Absichten zu realisieren, welche den Kongreß von Paris bei Ein¬ setzung der Kommission geleitet haben, wobei ich meinerseits darauf Bezug nehmen konnte, daß ich in einer früheren Stellung in der Moldau und Wallachei bereits so glücklich gewesen sei, ebenso den Allerhöchsten Intentionen Eurer Königlichen Majestät zu entsprechen, als das Wohlwollen der Hohen Pforte zu gewinnen. Der Sultan endigte die Audienz demnächst damit, daß er sagte, daß er über die Einstimmigkeit erfreut sei, mit der die Kommission ans Werk gehe, und die soeben vernommenen Äußerungen der Kommissäre für ein glückliches Vorzeichen betrachte. Damit wurden wir entlassen. Sir Henry Bulwer fragte, nachdem wir das Audienzzimmer verlassen, den Minister, ob wir eine genaue Übersetzung der Rede Seiner Majestät erhalten könnten, was dieser aber mit der Bemerkung abschlug, daß der Sultan, wie wir gesehen hätten, die Rede sofort wieder eingesteckt, und dadurch zu erkennen gegeben habe, daß dies nicht in seiner Absicht liege. Es ist zum erstenmal in den Annalen der orientalischen Politik, daß der Sultan eine Rede abliest; dieses Ereignis hat daher hier ein großes Aufsehen gemacht, und beweist, daß der Sultan jedes seiner Worte hat abwägen wollen. Hiermit ist die Wirksamkeit der Kommission in Konstantinopel beendet. Der französische Ambassadeur hat heute Depeschen aus Paris erhalten, von deren Inhalt Baron Talleyrand gleichzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist. Letzterer hat mir dieselben zu lesen gegeben. Mr. Thouvenel hat hiernach den Austrag erhalten, bei der Pforte und den Repräsentanten der übrigen Mächte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/381>, abgerufen am 22.07.2024.