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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Verstaatlichung des Grund und Bodens

freundlicher Anlagen zur Pflege der Gesundheit, zur körperlichen und geistigen
Ausbildung gemeldet wird. Ebenso häufig hört man erfreulicherweise davon,
daß Gemeinden die Herstellung angemessener Wohnungen für Minderbemittelte
in Angriff genommen haben. Es ist das besondere Verdienst der Bodenreform¬
bewegung, daß sie immer wieder auf das bestehende Wohnungselend hingewiesen
hat, das in seiner ganzen Ausdehnung und in seinen nachteiligen Wirkungen
weiten Kreisen bis auf den heutigen Tag unbekannt ist. Wer sich irgend mit
der Frage näher beschäftigt hat, weiß, daß es sich in erster Linie um Grund
und Boden für eine große Anzahl von Stadt- und Landgemeinden handelt,
will man für diese Not Abhilfe schaffen. Mag man es ferner billigen oder
nicht, Tatsache ist, daß das Reich, die Staaten und noch mehr die Gemeinden
sich genötigt sehen, immer neue Wirtschaftsbetriebe zum Besten der Gesamt¬
heit in die eigene Verwaltung zu übernehmen. Erwägt man endlich, daß der
Wert all des hiernach erforderlichen Grundbesitzes schon infolge der stetigen
Zunahme der Bevölkerung beständig steigt und weiter steigen muß, so erscheint
es im Staatsinteresse nicht nur wünschenswert, sondern geboten, dem Reich, den
Staaten und Gemeinden die Möglichkeit zu verschaffen, den für die Zwecke der
Gesamtheit notwendigen Grund und Boden nach dem Ableben des Eigentümers
im Falle eines Verkaufs gegen Entrichtung des vereinbarten Preises zu erwerben.
-- Der Teil des heimfallenden Grundbesitzes, der für die unmittelbaren Zwecke
der Allgemeinheit entbehrlich erscheint, kann unbedenklich für privatwirtschaftliche
Zwecke abgegeben werden. Nur darf das nicht im Wege des Verkaufes der¬
gestalt geschehen, daß das Eigentum an dem Grundstück verloren geht. Mag
die Vergebung nach bereits bewährten Grundsätzen durch langfristige Miets¬
und Pachtverträge, auf dreißig Jahre oder auf Lebenszeit, geschehen oder durch
Kaufvertrage mit dem Vorbehalt des Wiederkaufs unter bestimmten Voraus¬
setzungen, -- Bedingung sollte stets bleiben, daß das Eigentum am Grund und
Boden niemals der Gesamtheit entzogen wird^




Verstaatlichung des Grund und Bodens

freundlicher Anlagen zur Pflege der Gesundheit, zur körperlichen und geistigen
Ausbildung gemeldet wird. Ebenso häufig hört man erfreulicherweise davon,
daß Gemeinden die Herstellung angemessener Wohnungen für Minderbemittelte
in Angriff genommen haben. Es ist das besondere Verdienst der Bodenreform¬
bewegung, daß sie immer wieder auf das bestehende Wohnungselend hingewiesen
hat, das in seiner ganzen Ausdehnung und in seinen nachteiligen Wirkungen
weiten Kreisen bis auf den heutigen Tag unbekannt ist. Wer sich irgend mit
der Frage näher beschäftigt hat, weiß, daß es sich in erster Linie um Grund
und Boden für eine große Anzahl von Stadt- und Landgemeinden handelt,
will man für diese Not Abhilfe schaffen. Mag man es ferner billigen oder
nicht, Tatsache ist, daß das Reich, die Staaten und noch mehr die Gemeinden
sich genötigt sehen, immer neue Wirtschaftsbetriebe zum Besten der Gesamt¬
heit in die eigene Verwaltung zu übernehmen. Erwägt man endlich, daß der
Wert all des hiernach erforderlichen Grundbesitzes schon infolge der stetigen
Zunahme der Bevölkerung beständig steigt und weiter steigen muß, so erscheint
es im Staatsinteresse nicht nur wünschenswert, sondern geboten, dem Reich, den
Staaten und Gemeinden die Möglichkeit zu verschaffen, den für die Zwecke der
Gesamtheit notwendigen Grund und Boden nach dem Ableben des Eigentümers
im Falle eines Verkaufs gegen Entrichtung des vereinbarten Preises zu erwerben.
— Der Teil des heimfallenden Grundbesitzes, der für die unmittelbaren Zwecke
der Allgemeinheit entbehrlich erscheint, kann unbedenklich für privatwirtschaftliche
Zwecke abgegeben werden. Nur darf das nicht im Wege des Verkaufes der¬
gestalt geschehen, daß das Eigentum an dem Grundstück verloren geht. Mag
die Vergebung nach bereits bewährten Grundsätzen durch langfristige Miets¬
und Pachtverträge, auf dreißig Jahre oder auf Lebenszeit, geschehen oder durch
Kaufvertrage mit dem Vorbehalt des Wiederkaufs unter bestimmten Voraus¬
setzungen, — Bedingung sollte stets bleiben, daß das Eigentum am Grund und
Boden niemals der Gesamtheit entzogen wird^




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[0264] Verstaatlichung des Grund und Bodens freundlicher Anlagen zur Pflege der Gesundheit, zur körperlichen und geistigen Ausbildung gemeldet wird. Ebenso häufig hört man erfreulicherweise davon, daß Gemeinden die Herstellung angemessener Wohnungen für Minderbemittelte in Angriff genommen haben. Es ist das besondere Verdienst der Bodenreform¬ bewegung, daß sie immer wieder auf das bestehende Wohnungselend hingewiesen hat, das in seiner ganzen Ausdehnung und in seinen nachteiligen Wirkungen weiten Kreisen bis auf den heutigen Tag unbekannt ist. Wer sich irgend mit der Frage näher beschäftigt hat, weiß, daß es sich in erster Linie um Grund und Boden für eine große Anzahl von Stadt- und Landgemeinden handelt, will man für diese Not Abhilfe schaffen. Mag man es ferner billigen oder nicht, Tatsache ist, daß das Reich, die Staaten und noch mehr die Gemeinden sich genötigt sehen, immer neue Wirtschaftsbetriebe zum Besten der Gesamt¬ heit in die eigene Verwaltung zu übernehmen. Erwägt man endlich, daß der Wert all des hiernach erforderlichen Grundbesitzes schon infolge der stetigen Zunahme der Bevölkerung beständig steigt und weiter steigen muß, so erscheint es im Staatsinteresse nicht nur wünschenswert, sondern geboten, dem Reich, den Staaten und Gemeinden die Möglichkeit zu verschaffen, den für die Zwecke der Gesamtheit notwendigen Grund und Boden nach dem Ableben des Eigentümers im Falle eines Verkaufs gegen Entrichtung des vereinbarten Preises zu erwerben. — Der Teil des heimfallenden Grundbesitzes, der für die unmittelbaren Zwecke der Allgemeinheit entbehrlich erscheint, kann unbedenklich für privatwirtschaftliche Zwecke abgegeben werden. Nur darf das nicht im Wege des Verkaufes der¬ gestalt geschehen, daß das Eigentum an dem Grundstück verloren geht. Mag die Vergebung nach bereits bewährten Grundsätzen durch langfristige Miets¬ und Pachtverträge, auf dreißig Jahre oder auf Lebenszeit, geschehen oder durch Kaufvertrage mit dem Vorbehalt des Wiederkaufs unter bestimmten Voraus¬ setzungen, — Bedingung sollte stets bleiben, daß das Eigentum am Grund und Boden niemals der Gesamtheit entzogen wird^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/264>, abgerufen am 29.06.2024.