Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Vincent van Gogh
V Lu Marten onin

s ist kein Zufall, daß man versucht, unter vielen bedeutenden
Malern gerade Vincent van Gogh größeren Schichten näher zu
I KW^xH^A bringen. Es hat dies nicht darin seinen Grund, daß van Gogh
proletarische Stoffe im engeren Sinne bevorzugt hat; damit würe
UM. ^ ^ ^ sich keinerlei künstlerische Qualität gegeben und keine, die
unbedingt mit dem Tiefsten und Umfassendsten der proletarischen Weltanschauung
Verbindung haben müßte. Er liegt vielmehr darin, daß hier ein Künstler war,
der Kraft, Tiefe und Universalität genug hatte, den Extremen des menschlichen
Lebens gerecht zu werden, der für eine ferne Zukunft noch lebendig sein kann,
ja vielleicht erst dann recht begriffen werden wird, dessen Schönheit und Glut über
die Zeiten leuchtet und dessen Stoffgebiet das Einfachste bleibt, was je den
Menschen, den hochkultivierten sowohl, als den ursprünglich empfindenden
Genuß, Lust und entzücktes Anschauen gab --: die Natur und die Menschen
der Arbeit. Die Weltanschauung eines Malers, dem Zolas "Arbeit" zum
Erlebnis wurde, und der das Rastlose des Menschendaseins nur unter der
Güte der Sonne als schön empfindet, muß notwendig Bilder und Werke er¬
zeugen, zu denen auch der Arbeiter Eingang findet -- sie müssen notwendig
den Geist der sozialen Schönheit haben, d. h. jener, zu der alle ohne Unter¬
schied kommen können, die so elementar, so in sich selbst bewiesen ist, wie
die Sonne oder Freude. So ist sie monumental; nicht im Sinne großer Zeit¬
plakate und in einem Schema des Stils, sondern unwillkürlich, ursprünglich,
innerlich, wie alles Großbewegende, Einfache, auf einen Ausdruck Gedrängte
monumental ist. Van Gogh war ein Verkünder von feinen und großen
Menschenwerten und wäre es ihm versagt gewesen, dies so gewaltig wie er es
fühlte in Farbe und Form auszusprechen, so hätte er es anders, als Redner,
als Dichter vielleicht, irgendwie ausgesprochen; das lebt in seinen Briefen und
Gedanken, und schon, als er heimlich wußte, daß er ein guter und großer
Maler war. der unvergängliche Dinge zu sagen und schenken hatte, sprach er
noch das Bekenntnis aus. daß der Mensch mehr sei als alle Kunst, daß Sein
und Freude und Tat des Menschen erstrebenswerter sei denn Ruhm und die
Bitterkeit und Mühe, ja selbst die Seligkeit künstlerischen Schaffens. Auch das




Vincent van Gogh
V Lu Marten onin

s ist kein Zufall, daß man versucht, unter vielen bedeutenden
Malern gerade Vincent van Gogh größeren Schichten näher zu
I KW^xH^A bringen. Es hat dies nicht darin seinen Grund, daß van Gogh
proletarische Stoffe im engeren Sinne bevorzugt hat; damit würe
UM. ^ ^ ^ sich keinerlei künstlerische Qualität gegeben und keine, die
unbedingt mit dem Tiefsten und Umfassendsten der proletarischen Weltanschauung
Verbindung haben müßte. Er liegt vielmehr darin, daß hier ein Künstler war,
der Kraft, Tiefe und Universalität genug hatte, den Extremen des menschlichen
Lebens gerecht zu werden, der für eine ferne Zukunft noch lebendig sein kann,
ja vielleicht erst dann recht begriffen werden wird, dessen Schönheit und Glut über
die Zeiten leuchtet und dessen Stoffgebiet das Einfachste bleibt, was je den
Menschen, den hochkultivierten sowohl, als den ursprünglich empfindenden
Genuß, Lust und entzücktes Anschauen gab —: die Natur und die Menschen
der Arbeit. Die Weltanschauung eines Malers, dem Zolas „Arbeit" zum
Erlebnis wurde, und der das Rastlose des Menschendaseins nur unter der
Güte der Sonne als schön empfindet, muß notwendig Bilder und Werke er¬
zeugen, zu denen auch der Arbeiter Eingang findet — sie müssen notwendig
den Geist der sozialen Schönheit haben, d. h. jener, zu der alle ohne Unter¬
schied kommen können, die so elementar, so in sich selbst bewiesen ist, wie
die Sonne oder Freude. So ist sie monumental; nicht im Sinne großer Zeit¬
plakate und in einem Schema des Stils, sondern unwillkürlich, ursprünglich,
innerlich, wie alles Großbewegende, Einfache, auf einen Ausdruck Gedrängte
monumental ist. Van Gogh war ein Verkünder von feinen und großen
Menschenwerten und wäre es ihm versagt gewesen, dies so gewaltig wie er es
fühlte in Farbe und Form auszusprechen, so hätte er es anders, als Redner,
als Dichter vielleicht, irgendwie ausgesprochen; das lebt in seinen Briefen und
Gedanken, und schon, als er heimlich wußte, daß er ein guter und großer
Maler war. der unvergängliche Dinge zu sagen und schenken hatte, sprach er
noch das Bekenntnis aus. daß der Mensch mehr sei als alle Kunst, daß Sein
und Freude und Tat des Menschen erstrebenswerter sei denn Ruhm und die
Bitterkeit und Mühe, ja selbst die Seligkeit künstlerischen Schaffens. Auch das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325119"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_324869/figures/grenzboten_341897_324869_325119_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vincent van Gogh<lb/>
V<note type="byline"> Lu Marten </note> onin</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1023" next="#ID_1024"> s ist kein Zufall, daß man versucht, unter vielen bedeutenden<lb/>
Malern gerade Vincent van Gogh größeren Schichten näher zu<lb/>
I KW^xH^A bringen. Es hat dies nicht darin seinen Grund, daß van Gogh<lb/>
proletarische Stoffe im engeren Sinne bevorzugt hat; damit würe<lb/>
UM. ^ ^ ^ sich keinerlei künstlerische Qualität gegeben und keine, die<lb/>
unbedingt mit dem Tiefsten und Umfassendsten der proletarischen Weltanschauung<lb/>
Verbindung haben müßte. Er liegt vielmehr darin, daß hier ein Künstler war,<lb/>
der Kraft, Tiefe und Universalität genug hatte, den Extremen des menschlichen<lb/>
Lebens gerecht zu werden, der für eine ferne Zukunft noch lebendig sein kann,<lb/>
ja vielleicht erst dann recht begriffen werden wird, dessen Schönheit und Glut über<lb/>
die Zeiten leuchtet und dessen Stoffgebiet das Einfachste bleibt, was je den<lb/>
Menschen, den hochkultivierten sowohl, als den ursprünglich empfindenden<lb/>
Genuß, Lust und entzücktes Anschauen gab &#x2014;: die Natur und die Menschen<lb/>
der Arbeit. Die Weltanschauung eines Malers, dem Zolas &#x201E;Arbeit" zum<lb/>
Erlebnis wurde, und der das Rastlose des Menschendaseins nur unter der<lb/>
Güte der Sonne als schön empfindet, muß notwendig Bilder und Werke er¬<lb/>
zeugen, zu denen auch der Arbeiter Eingang findet &#x2014; sie müssen notwendig<lb/>
den Geist der sozialen Schönheit haben, d. h. jener, zu der alle ohne Unter¬<lb/>
schied kommen können, die so elementar, so in sich selbst bewiesen ist, wie<lb/>
die Sonne oder Freude. So ist sie monumental; nicht im Sinne großer Zeit¬<lb/>
plakate und in einem Schema des Stils, sondern unwillkürlich, ursprünglich,<lb/>
innerlich, wie alles Großbewegende, Einfache, auf einen Ausdruck Gedrängte<lb/>
monumental ist. Van Gogh war ein Verkünder von feinen und großen<lb/>
Menschenwerten und wäre es ihm versagt gewesen, dies so gewaltig wie er es<lb/>
fühlte in Farbe und Form auszusprechen, so hätte er es anders, als Redner,<lb/>
als Dichter vielleicht, irgendwie ausgesprochen; das lebt in seinen Briefen und<lb/>
Gedanken, und schon, als er heimlich wußte, daß er ein guter und großer<lb/>
Maler war. der unvergängliche Dinge zu sagen und schenken hatte, sprach er<lb/>
noch das Bekenntnis aus. daß der Mensch mehr sei als alle Kunst, daß Sein<lb/>
und Freude und Tat des Menschen erstrebenswerter sei denn Ruhm und die<lb/>
Bitterkeit und Mühe, ja selbst die Seligkeit künstlerischen Schaffens. Auch das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0249] [Abbildung] Vincent van Gogh V Lu Marten onin s ist kein Zufall, daß man versucht, unter vielen bedeutenden Malern gerade Vincent van Gogh größeren Schichten näher zu I KW^xH^A bringen. Es hat dies nicht darin seinen Grund, daß van Gogh proletarische Stoffe im engeren Sinne bevorzugt hat; damit würe UM. ^ ^ ^ sich keinerlei künstlerische Qualität gegeben und keine, die unbedingt mit dem Tiefsten und Umfassendsten der proletarischen Weltanschauung Verbindung haben müßte. Er liegt vielmehr darin, daß hier ein Künstler war, der Kraft, Tiefe und Universalität genug hatte, den Extremen des menschlichen Lebens gerecht zu werden, der für eine ferne Zukunft noch lebendig sein kann, ja vielleicht erst dann recht begriffen werden wird, dessen Schönheit und Glut über die Zeiten leuchtet und dessen Stoffgebiet das Einfachste bleibt, was je den Menschen, den hochkultivierten sowohl, als den ursprünglich empfindenden Genuß, Lust und entzücktes Anschauen gab —: die Natur und die Menschen der Arbeit. Die Weltanschauung eines Malers, dem Zolas „Arbeit" zum Erlebnis wurde, und der das Rastlose des Menschendaseins nur unter der Güte der Sonne als schön empfindet, muß notwendig Bilder und Werke er¬ zeugen, zu denen auch der Arbeiter Eingang findet — sie müssen notwendig den Geist der sozialen Schönheit haben, d. h. jener, zu der alle ohne Unter¬ schied kommen können, die so elementar, so in sich selbst bewiesen ist, wie die Sonne oder Freude. So ist sie monumental; nicht im Sinne großer Zeit¬ plakate und in einem Schema des Stils, sondern unwillkürlich, ursprünglich, innerlich, wie alles Großbewegende, Einfache, auf einen Ausdruck Gedrängte monumental ist. Van Gogh war ein Verkünder von feinen und großen Menschenwerten und wäre es ihm versagt gewesen, dies so gewaltig wie er es fühlte in Farbe und Form auszusprechen, so hätte er es anders, als Redner, als Dichter vielleicht, irgendwie ausgesprochen; das lebt in seinen Briefen und Gedanken, und schon, als er heimlich wußte, daß er ein guter und großer Maler war. der unvergängliche Dinge zu sagen und schenken hatte, sprach er noch das Bekenntnis aus. daß der Mensch mehr sei als alle Kunst, daß Sein und Freude und Tat des Menschen erstrebenswerter sei denn Ruhm und die Bitterkeit und Mühe, ja selbst die Seligkeit künstlerischen Schaffens. Auch das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/249
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/249>, abgerufen am 22.12.2024.