Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Handle oder stirb I

Konsumenten aller Gebrauchsartikel aufgezwungen werden. Bei der fort¬
währenden Steigerung der Bodenpreise werden lediglich immer
größere Summen nutzlos in den Boden versenkt und allgemeinen
Zwecken entzogen. Es ist nicht erkennbar, wie die Beseitigung dieses Zu¬
standes schädlich auf die Nationalwirtschaft wirken sollte.

Bekannte neuere Berechnungen des Nationalvermögens, vorgenommen zum
Erweis der Stärke Deutschlands im Vergleich zu anderen Nationen, haben
freilich den Wert des deutschen ländlichen und städtischen Bodens auf etwa
100 Milliarden geschätzt und dabei den vollen Kaufpreis in Rechnung gestellt.
Vom Standpunkt dieser Schätzung aus würde die Bodennormaltaxe allerdings
eine Niederhaltung des Nationalvermögens bedeuten. Aber es kann wohl
zweifelhaft sein, ob die Tatsache, daß der Deutsche den Grund und Boden
sehr teuer bezahlen muß, wirklich ein Moment pekuniärer Stärke darstellt und
nicht vielmehr ein geldverzehrendes Moment der Schwäche, ja, ob man sich bei
jener Berechnung unserer nationalen Stärke nicht auf den Bodenertrag, und
diesen nicht einmal kapitalisiert, sondern in seinem Jahresdurchschnittswert,
zurückziehen müßte. Jener Kaufwert von 100 Milliarden dürfte nur imaginär
sein. Jedes einzelne Grundstück hat freilich ebenso wie ein größerer Komplex
von Grundstücken einen Kaufpreis. Die Summe aller Grundstücke aber, das
ist das Gebiet des Deutschen Reiches, hat keinen Kaufpreis, da sie nicht feil
stehen und keinen Käufer haben können. Auf dem internationalen Markt kann
aber der Verkauf von Grund und Boden im Verhältnis zu den: ganzen Gebiet
des Reichs nur eine verschwindende Rolle spielen, Zeiten wie die des
Napoleonischen Länderschachers werden ja hoffentlich nicht wiederkehren.
Es scheint also, daß, im Unterschied von der inländischen Steuergesetzgebung,
für internationale Vergleiche der zumal bei kriegerischen Verwicklungen gar nicht
zu realisierende Kaufwert des Grund und Bodens außer Ansatz bleiben muß.
In dieser Beziehung mag auch darauf hingewiesen werden, daß in jenen
bekannten Berechnungen der Grund und Bodenwert der Kolonien und Indiens
nicht in Ansatz gebracht worden ist. Eine verschiedene Behandlung des dortigen
Grund und Bodens von dem des Mutterlandes dürfte aber kaum gerechtfertigt
sein. Die Stärkeverhältnisse Deutschlands, Englands, Frankreichs und Italiens
würden aber bei Berücksichtigung der kolonialen und indischen Bodenwerte
wesentlich anders erscheinen und es würde sich wohl zeigen, daß das ungeheure
Überwiegen der Bodenwerte auf feiten Englands den wirklichen Machtverhült-
nissen nicht entspräche. Die Stärke einer Nation durch ihr Vermögen aus¬
gedrückt besteht eben nur in dem Sinne, von dem. was sie mit dem Vermögen
zu leisten vermag. Das wird aber beim Grund und Boden nicht durch seinen
Kaufwert, sondern durch seinen Ertrag bestimmt. Auch bei der Gewährung
von Kredit an den Staat wird der Kauftzreis des Staatsgebiets schwerlich und
nur höchst bedingt in Rechnung gestellt werden können. Nach alledem scheint
für die Nationalwirtschaft auch vom internationalem Standpunkte aus kein


Handle oder stirb I

Konsumenten aller Gebrauchsartikel aufgezwungen werden. Bei der fort¬
währenden Steigerung der Bodenpreise werden lediglich immer
größere Summen nutzlos in den Boden versenkt und allgemeinen
Zwecken entzogen. Es ist nicht erkennbar, wie die Beseitigung dieses Zu¬
standes schädlich auf die Nationalwirtschaft wirken sollte.

Bekannte neuere Berechnungen des Nationalvermögens, vorgenommen zum
Erweis der Stärke Deutschlands im Vergleich zu anderen Nationen, haben
freilich den Wert des deutschen ländlichen und städtischen Bodens auf etwa
100 Milliarden geschätzt und dabei den vollen Kaufpreis in Rechnung gestellt.
Vom Standpunkt dieser Schätzung aus würde die Bodennormaltaxe allerdings
eine Niederhaltung des Nationalvermögens bedeuten. Aber es kann wohl
zweifelhaft sein, ob die Tatsache, daß der Deutsche den Grund und Boden
sehr teuer bezahlen muß, wirklich ein Moment pekuniärer Stärke darstellt und
nicht vielmehr ein geldverzehrendes Moment der Schwäche, ja, ob man sich bei
jener Berechnung unserer nationalen Stärke nicht auf den Bodenertrag, und
diesen nicht einmal kapitalisiert, sondern in seinem Jahresdurchschnittswert,
zurückziehen müßte. Jener Kaufwert von 100 Milliarden dürfte nur imaginär
sein. Jedes einzelne Grundstück hat freilich ebenso wie ein größerer Komplex
von Grundstücken einen Kaufpreis. Die Summe aller Grundstücke aber, das
ist das Gebiet des Deutschen Reiches, hat keinen Kaufpreis, da sie nicht feil
stehen und keinen Käufer haben können. Auf dem internationalen Markt kann
aber der Verkauf von Grund und Boden im Verhältnis zu den: ganzen Gebiet
des Reichs nur eine verschwindende Rolle spielen, Zeiten wie die des
Napoleonischen Länderschachers werden ja hoffentlich nicht wiederkehren.
Es scheint also, daß, im Unterschied von der inländischen Steuergesetzgebung,
für internationale Vergleiche der zumal bei kriegerischen Verwicklungen gar nicht
zu realisierende Kaufwert des Grund und Bodens außer Ansatz bleiben muß.
In dieser Beziehung mag auch darauf hingewiesen werden, daß in jenen
bekannten Berechnungen der Grund und Bodenwert der Kolonien und Indiens
nicht in Ansatz gebracht worden ist. Eine verschiedene Behandlung des dortigen
Grund und Bodens von dem des Mutterlandes dürfte aber kaum gerechtfertigt
sein. Die Stärkeverhältnisse Deutschlands, Englands, Frankreichs und Italiens
würden aber bei Berücksichtigung der kolonialen und indischen Bodenwerte
wesentlich anders erscheinen und es würde sich wohl zeigen, daß das ungeheure
Überwiegen der Bodenwerte auf feiten Englands den wirklichen Machtverhült-
nissen nicht entspräche. Die Stärke einer Nation durch ihr Vermögen aus¬
gedrückt besteht eben nur in dem Sinne, von dem. was sie mit dem Vermögen
zu leisten vermag. Das wird aber beim Grund und Boden nicht durch seinen
Kaufwert, sondern durch seinen Ertrag bestimmt. Auch bei der Gewährung
von Kredit an den Staat wird der Kauftzreis des Staatsgebiets schwerlich und
nur höchst bedingt in Rechnung gestellt werden können. Nach alledem scheint
für die Nationalwirtschaft auch vom internationalem Standpunkte aus kein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324890"/>
          <fw type="header" place="top"> Handle oder stirb I</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_34" prev="#ID_33"> Konsumenten aller Gebrauchsartikel aufgezwungen werden. Bei der fort¬<lb/>
währenden Steigerung der Bodenpreise werden lediglich immer<lb/>
größere Summen nutzlos in den Boden versenkt und allgemeinen<lb/>
Zwecken entzogen. Es ist nicht erkennbar, wie die Beseitigung dieses Zu¬<lb/>
standes schädlich auf die Nationalwirtschaft wirken sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_35" next="#ID_36"> Bekannte neuere Berechnungen des Nationalvermögens, vorgenommen zum<lb/>
Erweis der Stärke Deutschlands im Vergleich zu anderen Nationen, haben<lb/>
freilich den Wert des deutschen ländlichen und städtischen Bodens auf etwa<lb/>
100 Milliarden geschätzt und dabei den vollen Kaufpreis in Rechnung gestellt.<lb/>
Vom Standpunkt dieser Schätzung aus würde die Bodennormaltaxe allerdings<lb/>
eine Niederhaltung des Nationalvermögens bedeuten. Aber es kann wohl<lb/>
zweifelhaft sein, ob die Tatsache, daß der Deutsche den Grund und Boden<lb/>
sehr teuer bezahlen muß, wirklich ein Moment pekuniärer Stärke darstellt und<lb/>
nicht vielmehr ein geldverzehrendes Moment der Schwäche, ja, ob man sich bei<lb/>
jener Berechnung unserer nationalen Stärke nicht auf den Bodenertrag, und<lb/>
diesen nicht einmal kapitalisiert, sondern in seinem Jahresdurchschnittswert,<lb/>
zurückziehen müßte. Jener Kaufwert von 100 Milliarden dürfte nur imaginär<lb/>
sein. Jedes einzelne Grundstück hat freilich ebenso wie ein größerer Komplex<lb/>
von Grundstücken einen Kaufpreis. Die Summe aller Grundstücke aber, das<lb/>
ist das Gebiet des Deutschen Reiches, hat keinen Kaufpreis, da sie nicht feil<lb/>
stehen und keinen Käufer haben können. Auf dem internationalen Markt kann<lb/>
aber der Verkauf von Grund und Boden im Verhältnis zu den: ganzen Gebiet<lb/>
des Reichs nur eine verschwindende Rolle spielen, Zeiten wie die des<lb/>
Napoleonischen Länderschachers werden ja hoffentlich nicht wiederkehren.<lb/>
Es scheint also, daß, im Unterschied von der inländischen Steuergesetzgebung,<lb/>
für internationale Vergleiche der zumal bei kriegerischen Verwicklungen gar nicht<lb/>
zu realisierende Kaufwert des Grund und Bodens außer Ansatz bleiben muß.<lb/>
In dieser Beziehung mag auch darauf hingewiesen werden, daß in jenen<lb/>
bekannten Berechnungen der Grund und Bodenwert der Kolonien und Indiens<lb/>
nicht in Ansatz gebracht worden ist. Eine verschiedene Behandlung des dortigen<lb/>
Grund und Bodens von dem des Mutterlandes dürfte aber kaum gerechtfertigt<lb/>
sein. Die Stärkeverhältnisse Deutschlands, Englands, Frankreichs und Italiens<lb/>
würden aber bei Berücksichtigung der kolonialen und indischen Bodenwerte<lb/>
wesentlich anders erscheinen und es würde sich wohl zeigen, daß das ungeheure<lb/>
Überwiegen der Bodenwerte auf feiten Englands den wirklichen Machtverhült-<lb/>
nissen nicht entspräche. Die Stärke einer Nation durch ihr Vermögen aus¬<lb/>
gedrückt besteht eben nur in dem Sinne, von dem. was sie mit dem Vermögen<lb/>
zu leisten vermag. Das wird aber beim Grund und Boden nicht durch seinen<lb/>
Kaufwert, sondern durch seinen Ertrag bestimmt. Auch bei der Gewährung<lb/>
von Kredit an den Staat wird der Kauftzreis des Staatsgebiets schwerlich und<lb/>
nur höchst bedingt in Rechnung gestellt werden können. Nach alledem scheint<lb/>
für die Nationalwirtschaft auch vom internationalem Standpunkte aus kein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Handle oder stirb I Konsumenten aller Gebrauchsartikel aufgezwungen werden. Bei der fort¬ währenden Steigerung der Bodenpreise werden lediglich immer größere Summen nutzlos in den Boden versenkt und allgemeinen Zwecken entzogen. Es ist nicht erkennbar, wie die Beseitigung dieses Zu¬ standes schädlich auf die Nationalwirtschaft wirken sollte. Bekannte neuere Berechnungen des Nationalvermögens, vorgenommen zum Erweis der Stärke Deutschlands im Vergleich zu anderen Nationen, haben freilich den Wert des deutschen ländlichen und städtischen Bodens auf etwa 100 Milliarden geschätzt und dabei den vollen Kaufpreis in Rechnung gestellt. Vom Standpunkt dieser Schätzung aus würde die Bodennormaltaxe allerdings eine Niederhaltung des Nationalvermögens bedeuten. Aber es kann wohl zweifelhaft sein, ob die Tatsache, daß der Deutsche den Grund und Boden sehr teuer bezahlen muß, wirklich ein Moment pekuniärer Stärke darstellt und nicht vielmehr ein geldverzehrendes Moment der Schwäche, ja, ob man sich bei jener Berechnung unserer nationalen Stärke nicht auf den Bodenertrag, und diesen nicht einmal kapitalisiert, sondern in seinem Jahresdurchschnittswert, zurückziehen müßte. Jener Kaufwert von 100 Milliarden dürfte nur imaginär sein. Jedes einzelne Grundstück hat freilich ebenso wie ein größerer Komplex von Grundstücken einen Kaufpreis. Die Summe aller Grundstücke aber, das ist das Gebiet des Deutschen Reiches, hat keinen Kaufpreis, da sie nicht feil stehen und keinen Käufer haben können. Auf dem internationalen Markt kann aber der Verkauf von Grund und Boden im Verhältnis zu den: ganzen Gebiet des Reichs nur eine verschwindende Rolle spielen, Zeiten wie die des Napoleonischen Länderschachers werden ja hoffentlich nicht wiederkehren. Es scheint also, daß, im Unterschied von der inländischen Steuergesetzgebung, für internationale Vergleiche der zumal bei kriegerischen Verwicklungen gar nicht zu realisierende Kaufwert des Grund und Bodens außer Ansatz bleiben muß. In dieser Beziehung mag auch darauf hingewiesen werden, daß in jenen bekannten Berechnungen der Grund und Bodenwert der Kolonien und Indiens nicht in Ansatz gebracht worden ist. Eine verschiedene Behandlung des dortigen Grund und Bodens von dem des Mutterlandes dürfte aber kaum gerechtfertigt sein. Die Stärkeverhältnisse Deutschlands, Englands, Frankreichs und Italiens würden aber bei Berücksichtigung der kolonialen und indischen Bodenwerte wesentlich anders erscheinen und es würde sich wohl zeigen, daß das ungeheure Überwiegen der Bodenwerte auf feiten Englands den wirklichen Machtverhült- nissen nicht entspräche. Die Stärke einer Nation durch ihr Vermögen aus¬ gedrückt besteht eben nur in dem Sinne, von dem. was sie mit dem Vermögen zu leisten vermag. Das wird aber beim Grund und Boden nicht durch seinen Kaufwert, sondern durch seinen Ertrag bestimmt. Auch bei der Gewährung von Kredit an den Staat wird der Kauftzreis des Staatsgebiets schwerlich und nur höchst bedingt in Rechnung gestellt werden können. Nach alledem scheint für die Nationalwirtschaft auch vom internationalem Standpunkte aus kein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/20>, abgerufen am 22.12.2024.